Ein durchaus kontroversielles Thema hat am vergangenen Dienstag den Ministerrat passiert. Die Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitslose wurden reformiert, im wesentlichen wurde der derzeit geltende Berufsschutz durch einen Endgeltschutz ersetzt. Absoluter Berufsschutz besteht nur mehr während der ersten 100 Tage Arbeitslosigkeit.
Der Wegfall des Berufsschutzes wird dadurch abgemildert, dass in den ersten 120 Tage der Arbeitslosigkeit ein fremder Job nur angenommen werden muss, wenn das Entgelt mindestens 80 Prozent des letzten Aktivbezuges ausmacht. Nach den vier Monaten beträgt der Entgeltschutz noch 75 Prozent. Selbstverständlich gilt diese Regelung nur für den Arbeitslosenbezug, der – abhängig vom Lebensalter des Versicherten – maximal 20-52 Wochen gewährt wird und nicht für den Bezug von Notstandshilfe. Ziel dieser Reform soll das durchwegs ehrenhafte Vorhaben sein, die Vermittlungsdauer bei Arbeitslosigkeit zu reduzieren.
Es ist mir selbstverständlich bekannt, dass das Sozialsystem vor Missbrauch nicht gefeit ist. Menschen, die oft jahrelang von der „Stütze“ leben, sich gar nicht bemühen einen Job zu bekommen bzw. ein solches Angebot sogar vereiteln gibt es zweifellos. Nur sind diese zumeist keine Bezieher von Arbeitslosengeld, da es diese Leistung – wie bereits oben erwähnt – maximal 52 Wochen gibt. Unter den Empfängern von Notstandshilfe, die ohnehin nie einen Berufs- oder Entgeltschutz kannten, finden sich jene Zeitgenossen, die lieber auf Kosten der Allgemeinheit leben und manchmal verbunden mit einem Nebenerwerb am Schwarzmarkt oftmals ein gar nicht so schlechtes Leben führen.
Was ich aber manchmal nicht verstehen will, ist die öffentliche Meinung über die Arbeitslosen an sich. Ich habe heute etwas Zeit in den politischen Internetforen verbracht und konnte das gewohnte Stimmungsbild a´la „Stammtisch“ gut verfolgen, wo man sich zeitweilig gerne auch abfällig über Arbeitslose äußert, da diese doch ohnehin selbst schuld an ihrer Lage seien. Das statistisch gesehen heuer aber jeder vierte Erwerbstätige von diesem Problem erfasst werden kann, tangiert nicht, solange man nicht selbst davon betroffen ist.
Wirtschafts- und Arbeitsminister Bartenstein meint etwa, es sei allemal gescheiter einen Job zu haben, auch wenn die Entlohnung weit unter dem Wert liegt – arbeiten der Arbeit wegen, nicht des Geldes wegen. Wenn alle so ehrenhaft denken würden, wer weiß, aber in Wahrheit ist dies eine verrückte Utopie und die Betroffenen zahlen die Zeche dafür.
Arbeitslosengeld ist kein Almosen von der Allgemeinheit, sondern eine Versicherungsleistung die nur Versicherungsnehmern zusteht die auch in eine solche eingezahlt haben. Dass einzelne aus dieser Versicherung mehr herausnehmen als sie eingezahlt haben, widerspricht auch nicht wirklich dem Versicherungsprinzip. Auch, dass die Arbeitslosenversicherung bankrott sei – wie uns oft vorgemacht wird – stimmt einfach nicht. Allzu oft hat der Finanzminister schon Überschüsse aus der Arbeitslosenversicherung in andere Töpfe, vorrangig die Pensionsversicherung, abgeschöpft. Schon klar, dass die Pensionsversicherung Geld benötigt um ihren Verflichtungen nachkommen zu können.
Ich möchte nochmals anführen – um nicht missverstanden zu werden – das der Bezug von Arbeitslosengeld keine soziale Hängematte darstellen darf und ich sehr wohl meine, dass Arbeitsunwillige, die das System missbrauchen sanktioniert werden sollen. Es muss aber auch
gewährleistet sein, dass ein Arbeitnehmer, der von Arbeitslosigkeit betroffen wird (und niemand in der Privatwirtschaft ist davor gefeit), die Chance bekommt eine seinem Marktwert entsprechende Stelle zu suchen. Wenn das Wahrnehmen dieser Chance Zeit erfordert, ist diese Zeit in begrenzten Ausmaß auch durch die Arbeitslosenversicherung zu finanzieren. Auch Weiterbildungs- und Umschulungsmassnahmen sollen in einem fairen und objektiven Ausmaß dem Versicherten zur Verfügung stehen. Eine Ausweitung der Beraterfunktion des AMS, wie von der Regierung geplant, ist hier sicher zu begrüßen.
Letztendlich lässt sich aber auch nicht verschweigen, dass das Verhältnis Arbeitssuchende zu gemeldeten denkbar ungünstig ist. Das beliebte Zitat „Wer arbeiten will findet Arbeit“ muss bei rund 20.000 offene Stellen zu knapp 270.000 Arbeitslose hinterfragt werden. Die Wirtschaftslage und auch die politischen Bedingungen lassen keine Vollbeschäftigung zu. Der Arbeitslose befindet sich dadurch in einem Verdrängungswettbewerb, dem schwer vermittelbaren droht im schlimmsten Fall die Langzeitarbeitslosigkeit.
Überrascht bin ich immer, wenn sich Staatsdiener bemüßigt fühlen, sich über die Arbeitsmoral von Arbeitslosen zu äußern, wie ich es kürzlich bei einer Feier im Sportverein erleben musste. Wer aufgrund seiner wohlerworbenen Rechte den Status als unkündbarer Beamter genießt, vielleicht auch noch davon überzeugt ist, dass Pragmatisierungen keinen Systemfehler darstellen, ist aus meiner Überzeugung heraus bestimmt nicht in der Lage, die Problematik der Arbeitslosigkeit vernünftig zu erörtern.
Pedro