Wenn ein Kater schmollt…

Susi hatte also unsere Herzen im Sturm erobert. Die kuschelweiche Katze zeigte aber auch nicht die geringsten Berührungsängste. Ganz im Gegenteil, man gewann nie den Eindruck, dass sie sich fürchtete oder Berührungsängste hatte. Ich musste in diesen Tagen oft an unsere alte Minki denken, die am Ostersonntag verstorben war. Minki war ein kleines, schüchternes Kätzchen gewesen, das kaum spielen wollte und sich lange Zeit bei uns nicht sehr heimisch gefühlt hatte. Susi war da ganz anders. Sie ergriff sehr schnell Besitz vom Wohnzimmer, nicht die Couch noch das Fernsehgerät waren ihr tabu und der Kater mied seit der ersten Begegnung mit ihr das Wohnzimmer konsequent.

Schmollend saß er deshalb oft vor der Haustür und man musste ihn immer wieder gerade zu bitten, doch ins Haus zu kommen. Es wurde mir fast schon zu einer vertrauten Angewohnheit den Kater herein zu tragen. Wo er dann meist doch das reichliche Futterangebot in Anspruch nahm und nach einer gewissen Phase der Beleidigtheit sogar längere Zeit im Haus blieb. Die Rivalität mit der kleinen Katze musste ihm wirklich schwer zu schaffen machen, wenn auch für ihn sprach, dass er nie versuchte, ihr auch ein Haar zu krümmen. Dazu war er einfach zu gutmütig und zu liebenswürdig in seinem Charakter. Aber längst vergessen die Zeiten, als er seinen Bruder Maxi quasi mitversorgt hatte. Jetzt ging es um die Vorherrschaft im Haus und im Besonderen um die schönen Plätze.

Da ließ sich Stocki zwar zu keinem Kampf hinreißen – immerhin hatte er durchaus schon Tiere erlegt, die größer als unsere Susis waren – aber er war verletzt. Und führte die Tradition der Familie weiter, die seine Mutter so vortrefflich vorgelebt hatte. Stocki spielte also den Beleidigten, so gut er eben konnte, während Susi anfing, aus seinem Futternapf zu fressen. Während sie seinen Lieblingsplatz, den bequemen Rauchersessel meines Vaters, einfach mit Beschlag belegte, als hätte er immer schon ihr gehört. Und auch meinen Vaters selber als Liegeplatz zu nutzen begann – was bisher Stocki vorbehalten gewesen war. Und das alles innerhalb von nur einer Woche…

Keine glückliche Phase für Stocki in den letzten Monaten. Mochte ihn auch der Tod seiner Mutter weniger getroffen haben, so hatte doch seine Verletzung neben der Nase lange böse ausgesehen. Erst jetzt begann sie schön langsam wieder zu verwachsen und der Kater fand fast zu alter Schönheit. Und in dieser Situation auch noch einen häuslichen Rivalen, will sagen, eine häusliche Rivalin, die klein, süß, verspielt und so hübsch anzusehen war! Stocki war mittlerweile zehn Jahre alt. Ein richtiger Schmusekater hatte er bedingt durch seine Größe und wegen seines Jagdtriebs nie werden können, das lag wohl in der Natur der Dinge. Und während er sich mit der Rivalität zu seiner Mutter über all die Jahre hinweg abfinden hatte können, weil er die Situation bei uns daheim nie anders gekannt hatte, musste ihn nun diese herbe Veränderung aus seiner Sicht doch sehr treffen.

In gewisser Weise war es kurios, wie Stocki in der letzten Woche ständig seine Lager wechselte. Er zog von allen seinen Plätzen, auf die die kleine Susi Anspruch erhob, wieder auf eine andere Stelle um. Momentan nächtigte er am liebsten beim Eingang, neben der Stiege in einer alten Schuhschachtel. Wenn ich unserer Susi so zusah, wie flink sie die Stiegen schon hinauf und hinunter lief, dann war mir klar, dass unser lieber Stocki bald wieder ein neues Domizil suchen würde müssen. Aber zumindest jetzt lag die junge Katze auf dem Fernsehsessel und hatte alle viere von sich gestreckt, total unschuldig, als wüsste sie nicht, was sie dem armen Kater allein durch ihre Präsenz antat…

Später sah ich Stocki wieder einmal vor der Haustür liegen. Ich öffnete die Tür, aber Stocki zeigte mir zunächst die kalte Schulter. Es regnete stark, aber der Kater war sichtlich eingeschnappt. Also packte ich den Kater wie schon so oft die letzte Zeit und trug ihn ins Haus. Plötzlich kam Leben ins Stockis Körper, er schüttelte sich, galoppierte nach oben und begann zu fressen und zu trinken. Ich streichelte ihn und plötzlich konnte das beleidigte Katzenvieh auch wieder laut schnurren und um meine Beine streichen. Schließlich rollte er sich gemütlich in der Schuhschachtel ein. Siehst du! dachte ich mir. Hier im Haus ist es ja doch schöner als draußen, oder?

Vivienne

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