Pfingsten fuhren Albert und ich zu seinen Eltern aufs Land. Alberts Vater hatte vor ein paar Jahren ein Einfamilienhaus in der Nähe von Ansfelden geerbt und verbrachte mehr und mehr Zeit dort. Wenn Alberts Mutter in Pension gehen würde, und das sollte schon in einem Jahr der Fall sein, wollten er und seine Frau die Stadtwohnung endgültig aufgeben und hierher ziehen. Alberts Oldtimer, den ich ihm im letzten Herbst zum Geburtstag gekauft hatte (Lesen Sie dazu: Ich glaub’s nicht!), war auch hier untergestellt und immerhin hatte mein Mann jetzt wieder eine Gelegenheit, an seinem geliebten Fahrzeug herumzubasteln – denn abgesehen von den falschen Verdächtigungen im Vorfeld (ein Kollege hatte Ali auf den abstrusen Gedanken gebracht, der Vorbesitzer wäre mein Liebhaber) war mein Mann ganz verschossen in seinen Oldtimer…
Mich interessierte das Fahrzeug, oder besser gesagt, seine Reparatur nicht so viel. Ich war dann wieder mehr dafür zu haben, wenn es hieß endlich eine Ausfahrt mit dem Mercedes zu machen. Aber das würde noch dauern… Also schlenderte ich durch den Garten, ekelte mich an den vielen Schnecken, die sich wegen des nassen Wetters noch mehr vermehrten, und fror ein wenig. Gott sei Dank hatte ich eine Strickjacke angezogen, sonst wäre ich fast noch ein Opfer der beinahe frostigen Temperaturen geworden. Mein Schwiegervater lachte, als er mir zusah, wie ich vorsichtig zwischen den Beeten Runde um Runde zog. Ich gesellte mich zu ihm und während wir plötzlich vor einem Regenschauer ins Haus flüchten mussten, erwähnte mein Schwiegervater, dass eine Schulkollegin von ihm dieser Tage verstorben wäre. „Bella Pfaffenberger. Sie starb an Krebs. Hast du von ihr einmal gehört?“
Ich dachte angestrengt nach. „Bella Pfaffenberger? Ehrlich gesagt nein. Sollte ich das?“ Alis Vater schmunzelte und schüttelte den Kopf. „Kaum. Dass sie mit dem Sohn eines bekannten deutschen Schauspielers verheiratet war, wirst du wohl nicht wirklich registriert haben.“ Ich hörte interessiert zu. Es sollte tatsächlich vorkommen, dass ein normal Sterblicher wie unsereins, oder in diesem Fall eine Sie, in die Welt der Reichen und Berühmten aufstieg. Und diese Bella war also die Schwiegertochter eines bekannten Schauspielers gewesen… „Wie hieß er?“ die Frage konnte ich mir nicht verbeißen. Mein Schwiegervater dachte nach. „Den kannst du kaum kennen. Walter Fürst, ein bekannter Theaterschauspieler der Vierziger und Fünfziger Jahre in Deutschland, der auch in so manchen Filmen mitgespielt hat. Sein Sohn Reinhard hat Bella geheiratet.“
„So kann man Karriere machen! Für deine Schulkollegin muss ein Traum wahr geworden sein…“ Mein Schwiegervater zuckte die Achseln. „Vielleicht. Aber ich glaube es nicht. Nein, ich glaube nicht, dass sie glücklich gewesen ist.“ Er nickte energisch. Mein fragender Gesichtsausdruck war beredeter als jede Frage. Also fuhr er fort. „Es gab zu Beginn von Bellas Ehe einen etwas größeren Skandal. Ein Schulkollege von uns, Heinz, eine verkrachte Existenz um nicht zu sagen ein Taugenichts, der es zu nichts Rechtem gebracht hatte, verkaufte seine Geschichte an ein Revolverblatt. Er wäre der Liebhaber von Bella gewesen, ihr erster Mann und packte halt Details aus ihrem früheren Leben aus.“ Ich schnaubte. „So ein Lump ist echt das Allerletzte. Dem gehörten ja die Ohren gewaltig lang gezogen.“ Mein Schwiegervater nickte. „Das hat sich Bella auch gedacht. Sie brachte eine Gegendarstellung im Konkurrenzblatt, in dem sie ein sexuelles Verhältnis vehement bestritt. Im Gegenteil – der Kerl wolle sich als ehemaliger Schulkollege nur an ihr bereichern. Dabei sei er ein jämmerlicher Versager, der jede Geschichte erzählen würde, um Geld zu bekommen.“ „Na dann!“ nickte ich zustimmend. „Dem Typen gehörte sicher eine Lektion erteilt.“
Mein Schwiegervater schüttelt den Kopf. „An der Sache war mehr dran, Vivi. Mit der Gegendarstellung war es nämlich noch nicht getan. Bella prozessierte außerdem gegen den Kerl und ruinierte ihn damit völlig. Er starb als Clochard… Bella muss aus purem Hass gehandelt haben – sie hatte ihn nämlich wirklich einmal geliebt, das musst du dabei wissen, aber Heinz hatte sie nur benutzt und betrogen. Wenn jemand so hasst, dann muss er einmal wahnsinnig geliebt haben. Und genau aus dem Grund rächte sie sich furchtbar für die Demütigung, die er ihr in unserer Schulzeit zugefügt hatte. Sein Interview für die Regenbogengazette lieferte nur den Anlass dazu.“ Alis Vater sah mich ernst an. „Sie ist wie eine Furie über den Burschen hinweg gefegt und hat alle Möglichkeiten genutzt, die ihr der prominente Name des Schwiegervaters ermöglichte. Eine Abreibung hätte Heinz sicher verdient, aber sie wollten ihn ganz klein sehen, ganz klein… Der Hass hat Bella ein Leben lang begleitet und, so wie ich das sehe, auch umgebracht…“ Ich schwieg betroffen. Bella hatte wahr und aus ganzem Herzen geliebt, aber über den Verrat von Heinz war sie nie hinweg gekommen. Auch nicht als Schwiegertochter eines Stars…
© Vivienne