Unverhofftes Babyglück

Wenn ich Stefan Maringer sehe, muss ich immer an meine Schwester Bea denken. Maringer, ein Schulkollege von Bea, ist nur ein paar Wochen älter als sie, und gleichzeitig das jüngste von drei Kindern der Familie Maringer, aber fast zwanzig Jahre jünger als seine beiden älteren Geschwister. Genau genommen war er nie geplant, und ist seinen Eltern gewissermaßen „passiert“, als diese gar nicht mehr mit Nachwuchs rechneten. Seine Mutter war nämlich bereits 45 Jahre alt, als sich die beginnenden Wechseljahre als Schwangerschaft entpuppten.

Unsere Mutter hat uns die Geschichte immer wieder gern erzählt. Als sie zu Bea schwanger wurde, traf sie unerwartet Frau Maringer beim Frauenarzt. Der Mittvierzigerin war es sichtlich peinlich, dort jemand Bekanntem über den Weg zulaufen. Als unsere Mutter ihr voller Freude von ihrer neuen Schwangerschaft berichtete, reagierte die nämlich eher abweisend und sauertöpfisch. „Im ersten Moment dachte ich daran, die Frau Maringer wäre wegen eines unangenehmen Frauenleides beim Gynäkologen. Um ehrlich zu sein, dass sie schwanger sein könnte, auf den Gedanken wäre ich nie gekommen. Aber eines fiel mir schon auf: als sie nach einer Weile wieder aus der Ordination kam, sah sie überhaupt nicht glücklich aus. Und ich war mir schon fast sicher gewesen, die Frau Maringer wäre womöglich ziemlich krank…“

Weit gefehlt. Am Anfang wussten es nur ein paar Leute in der Siedlung, aber im Spätsommer konnte Frau Maringer nicht mehr verbergen, dass sie wieder guter Hoffnung war. Und ein Topf voll Häme wurde über der guten Frau ausgeschüttet, die sich ihre Haare schon regelmäßig färben musste und quasi in einem Alter, in dem andere Frauen schon ihre Enkelkinder herzten, noch einmal „ganz von vorne“ anfangen musste. Das Tratschen der Leute nahm kein Ende. Anfang Dezember sollte das Kind zur Welt kommen, also nur vor kurz vor dem errechneten Termin von meiner Mutter. Aber im Gegensatz zu ihr konnte sich Frau Maringer nicht wirklich darüber freuen. Schließlich wurde damals auch viel darüber gespottet, dass die Maringers es in ihrem Alter „einfach nicht lassen konnten“, noch regelmäßig miteinander zu „verkehren“. Kaum zu glauben, dass heute, nicht einmal vierzig Jahre später, die Welt völlig anders aussieht und Sexualität omniopresent in unseren Medien vorgelebt wird.

Gewissermaßen wurde in unserer damals noch kleinen Siedlung viel und durchaus böse gewitzelt, dass „das“ halt die Strafe dafür wäre, wenn man seine Triebe nicht unter Kontrolle hätte. Dass eine gesunde Sexualität keine Frage des Alters sondern der Einstellung ist – von dieser Erkenntnis war man damals bei uns in der Provinz meilenweit entfernt. Ich selber habe nie mit Frau Maringer über diesen „Ausrutscher“ gesprochen, es ging mich auch nichts an, aber ehrlich gesagt, habe ich mir eine Theorie zu der Geschichte überlegt. Frau Maringer wird wie viele andere Frauen nach der Geburt der älteren Kinder einige Zeit die Pille genommen haben und wegen des bevorstehenden Wechsels schließlich auch wieder damit aufgehört haben.

Das dürfte ihr zum Verhängnis geworden sein, wenn man so will, denn dadurch ist es wahrscheinlich zu der ungewollten Schwangerschaft gekommen. Stefan wurde schließlich am 1. Dezember 1970 geboren, nicht einmal drei Wochen vor meiner Schwester Bea und auch wenn er durch einen Kaiserschnitt entbunden wurde, war er pumperlgesund und er wuchs ganz normal auf. Ob er je darunter gelitten hat, dass er relativ „alte“ Eltern hatte, habe ich nie gehört. Ich denke, für ihn war das ganz normal, er hat nie etwas anderes gekannt und seine beiden älteren Geschwister waren wohl mehr Onkel und Tante für ihn als Bruder und Schwester. Gefehlt hat es ihm an nichts, wurde er doch als Nesthäkchen von der ganzen Verwandtschaft verwöhnt. Mittlerweile lebt er in Linz und hat eine eigene Familie…

Frau Maringer selber war nach dieser Schwangerschaft einige Zeit doch ziemlich mitgenommen. Ihre Haare wurden danach noch grauer, daran kann sogar ich mich noch erinnern, und sie und ihr Mann haben wohl in Folge entschieden das Notwendige getan, um eine weitere ungewollte Schwangerschaft auf jeden Fall zu verhindern. Vielleicht, das vermute ich selber, hat aber die Anwesenheit des kleinen Babys in all seinen Facetten (Zahnen, Blähungen, etc.) ohnedies von selbst dafür gesorgt, dass sich weitere sexuelle Aktivitäten des Paares auf ein Minimum beschränkten. Wie auch immer. Heute verfügt man über andere Möglichkeiten wie damals, und dennoch lassen sich unerwartete Schwangerschaften wie diese nicht immer vermeiden – im Rausch der Gefühle wird der Mensch halt nach wie vor unvorsichtig…

Nach einer wahren Begebenheit

© Vivienne

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