Heute, liebe Leser, erhielt ich einen Leserbrief von meiner Schwester und Bohne-Kollegin, Sarkastica. Bezug nehmend auf einen Beitrag von mir aus der bunten Welt (Der Storch ist gelandet!) machte mich die dreifache Mutter darauf aufmerksam, dass erstens, Kinder bei der Geburt keine Sommersprossen haben, und zweitens eine junge Muter in einer Frauenklinik normalerweise nicht im selben Zimmer mit einer krebskranken Frau untergebracht wird. Natürlich muss ich da meiner Schwester völlig Recht geben. Ich wollte halt bewusst eine Ähnlichkeit hervorheben, und dieser Vergleich gefiel mir. Und was die schwerkranke Patientin im Zimmer meiner Busenfreundin zu tun hatte, ist auch einfach erklärt:
Um in der Geschichte auf den Punkt zu kommen, den ich heraus streichen wollte, mussten sich die Gegebenheiten einfach so und nicht anders zutragen. Sie können es auch dichterische Freiheit nennen, mir war es wichtig zu zeigen, wie nahe Freud und Leid im Leben oft beieinander liegen. Wie symbolisch zwei Krankenbetten in einem Spital… Verstehen Sie jetzt, was ich meine? Im Laufe meiner schriftstellerischen Entwicklung (und ich spreche jetzt ganz gezielt nicht vom Journalismus, bei dem man sich an beweisbare Fakten halten muss) ist mir bewusst geworden, dass man sich bei Geschichten nicht immer an beinharten Fakten orientieren muss. Mittlerweile ist mir viel wichtiger, meine Anliegen, meine Message verständlich rüberzubringen, vielleicht auf Kosten von ein wenig Realismus, der aber nicht wirklich fehlt, wie ich finde.
Auch über meine gestrige Kurzgeschichte (Die Türkin) war eine Kollegin von mir so beeindruckt, dass sie mich bei Gelegenheit zur Seite nahm und mich fragte: „Ist diese Story wirklich war?“ Wahr ist relativ. Die Grundzüge der Geschichte haben sich vor einigen Jahren im Salzkammergut abgespielt, woher eine Freundin stammte, die mir von dieser geldigen Frau erzählte, die regelmäßig im Geschäft stahl. Fast immer, wenn man die Frau dann schon gewohnheitsmäßig filzte, befand sich etwas in ihrem Einkaufskorb, das nicht bezahlt worden war. Obwohl es die Frau finanziell absolut nicht nötig gehabt hätte. Ihr Verhalten war krankhaft, aber beredt redete sie sich jedes mal wieder heraus und dank ihres Status wurde nie die Polizei gerufen…
Dass ich die Türkin in diese Rahmenstruktur einbaute, hatte den Grund, dass ich damit zusätzlich auf die zunehmende Ausländerfeindlichkeit hinweisen wollte. Frei nach unserem Wolferl Ambros und seinem genialen „Der Hofer war’s vom 20er Haus…“ Wie schnell ist man vorverurteilt! Ehrlich gesagt, in diesem Fall spielen auch böse eigenen Erfahrungen eine Rolle, bei denen ich mich in der Position der Türkin befand… Seitenhiebe also, wohin man sieht, und meine Metapher sind immer gezielt gewählt. Je mehr ich in meiner Profession wachse und mich weiterentwickle, desto gezielter setze ich Stilmittel ein. Deshalb sollten sie auch nie alles für bare Münze nehmen, was ich so zur Ihrer Unterhaltung und zum Nachdenken verfasse: Manche Details ändere ich oft ganz bewusst, um damit leichtert den Kern meiner Anliegens herauszuarbeiten.
Besonders nahe ging mir selber auch der Krebstod einer Kollegin in einer Großhandelsfirma in Linz, den ich sozusagen life miterleben musste: Tag für Tag in der Firma. Besonders ärgerte mich damals die Ignoranz und Präpotenz mit der die Chefleute, jenes Trio Infernal, ihren Tod zur Kenntnis nahm: Man stellte sich nur mit einer Kranzspende ein, von der Chefetage ließ sich selber niemand beim Begräbnis blicken. Obwohl die Kollegin immerhin fast zwanzig Jahre in der Firma gearbeitet und fast bis zuletzt ihr Herzblut für das Untenehmen gegeben hatte. Schon damals ärgerte ich mich sehr darüber und dachte, dass man eigentlich darüber schreiben müsste, um dieses Fehlverhalten anzuprangern. Jahre später habe ich mit diesem Beitrag aus der Bunten Welt (Versteh einer die Frauen, Teil2) Rache für die tote Kollegin genommen. Und meinem Herzen selber Luft gemacht!
Darum auch ganz bewusst eine Aufforderung an Sie, liebe Leser: Wenn Ihnen einmal eine unglaubliche oder ungeheuerliche Geschichte passiert ist, von der Sie denken: da müsste man eigentlich drüber schreiben, dann wenden Sie sich getrost an mich. Mal sehen, was sich daraus machen lässt!
Vivienne