Kürzlich hatte ich Vicky, meine Busenfreundin, wieder getroffen – sie hatte einen Termin bei ihrem Gynäkologen wahrgenommen und deshalb am Nachmittag Zeit gehabt. Um es vorwegzunehmen, für eine Frau, bei der man vor ein paar Jahren diagnostiziert hatte, sie könne keine Kinder bekommen, war sie erstaunlich fruchtbar. Nun war Vicky mit bald 43 Jahren zum zweiten Mal schwanger, der kleine Georg auch schon wieder vier Jahre alt und sein neues Geschwisterchen sollte Anfang Februar kommen. Ihr Chef hatte sich sehr betroffen gezeigt und darauf hingewiesen, dass die Gefahr einer Behinderung des Kindes in dem Alter „aber schon sehr groß wäre“. Natürlich hatte der Mann sich geärgert, aber Vicky hatte mir gegenüber nur gelacht und gesagt, dass sie so ein „Geschenk des Himmels“ nicht einfach wegmachen lassen würde. „Was der sich eigentlich denkt, wenn er mir eine Abtreibung fast schon nahe legt!“ verlieh Vicky ihrer Meinung Nachdruck und begann in ihrem Eisbecher zu löffeln… „Der kann mich, wenn ich in ein paar Jahren wieder arbeiten gehe, dann bestimmt in einer anderen Firma!“ Sie ließ das Schokoeis genussvoll auf der Zunge zergehen… Ich nippte an meinem Eiskaffee und blinzelte in die Sonne. Was für ein herrlicher Tag!
„Du, Vivi, weißt du, wer mir übrigens letzte Woche über den Weg gelaufen ist? Trixi! Erinnerst du dich noch? Wir bildeten doch miteinander das ruhmreiche Kleeblatt… Ja, lange ist es her. Aber sie hat sich gut gehalten, sie arbeitet jetzt schon über ein Jahr in Wels und da fühlt sie sich mehr gefordert als bei ihrer alten Firma… Apropos Firma. Da hat sie mir was erzählt – verrückte Sache… Vicky beförderte eine Portion Schlagobers in ihren Mund. Ich war ganz Ohr. Richtig, es hatte eine Zeit gegeben, da waren wir drei unzertrennbar gewesen. Fast schon ein liederliches Kleeblatt und kein ruhmreiches… Aber toll waren diese Jahre gewesen. Da fragte ich mich schon, was denn Trixi Kurioses passiert sein sollte. Aber Vicky ließ sich Zeit, sie befand sich ganz im Banne des Eisbechers, und der war riesengroß. Schließlich trank sie einen Schluck Mineralwasser und fuhr fort. „Du weißt doch, Vivi, Trixi hat zuletzt in Linz bei einer Spedition gearbeitet. Nach ihrer Scheidung schien das die Chance zu sein, auf die sie immer gewartet hatte, aber nach einigen Monaten wurde ihr bewusst, dass dort alles in Routine erstarrt war. Und neue Ideen wie von ihr waren nicht gefragt. Und das ödete sie mit der Zeit immer mehr an…“
Na, so geht es vielen Leuten! dachte ich mir etwas abwesend bei Vickys Worten. Man musste sich halt oft entscheiden, ob man einen langweiligen aber sicheren Job wollte oder einen kreativen, innovativen, der einfach etwas mehr Risiko in sich barg. Inzwischen musterte mich meine Busenfreundin interessiert und schien zu rätseln, was ich wohl dachte… „Nun, Trixi hatte einen netten Kollegen, etwas jünger als sie aber sehr hilfsbereit und liebenswürdig. Sie hatte immer schon vermutet, dass der anscheinend in sie verliebt war, aber sie hatte nie ein Wort darüber verloren. Bis er ihr einmal bei einem Bier nach einem langen Arbeitstag sein Herz öffnete. Trixi, so erzählte sie mir, war etwas verdattert, aber eben auch selber nicht im Mindesten verliebt. Sie sagte ihm so sanft und nett wie möglich, dass sie ganz sicher nicht die Frau wäre, die er suche, er habe etwas Besseres verdient. Aber der junge Mann war deswegen anscheinend völlig von der Rolle und trank an dem Abend etwas mehr als ihm gut tat…“
Vicky löffelte wieder und schien ganz in ihrem Element. „Ungute Situation, aber deswegen hat sie nicht gekündigt. Es war das Angebot der Firma in Wels und die fast schon bürokratische Situation bei ihr in der Arbeit… Na ja, der junge Mann wollte trotzdem die Freundschaft, wie er sagte, aufrecht erhalten, aber Trixi war nicht unbedingt davon ausgegangen, ihn noch oft wieder zu sehen. Männer, Vivi, sind seit dem Scheitern ihrer Ehe ein rotes Tuch für sie und zu mir hat sie gemeint, sie lasse sich doch ihr schönes, freies Leben nicht wieder von einem Typen zerstören, der sie irgendwie beherrschen wolle… Irgendwie hat sie genug vom anderen Geschlecht, und das muss man wohl unter diesen Gesichtspunkten verstehen. Aber dann begann diese merkwürdige Geschichte, Vivi, pass auf.“ Ich blickte sie nun gespannt an und konnte meine Neugier kaum verhehlen.
„Stell dir vor, Vivi! Vor ein paar Wochen läutete zwischen 20:30 Uhr etwa und 22:00 Uhr immer jemand an der Haustür. Wenn sie über die Sprechanlage fragte, wer da wäre, hörte sie nichts, es wurde auch immer nur einmal geläutet, aber dafür fast jeden Tag. Die anderen Parteien im Haus wussten nichts davon, also schieden spielende Kinder als Übeltäter fast von selbst aus, denn die hätten fraglos wohl nicht nur bei ihr geläutet. Mit der Zeit war Trixi echt genervt, bei den Gräuelnachrichten über Verbrechen an allein stehenden Frauen durchaus nachvollziehbar. Schließlich bot sich ein Nachbar an, sich für sie auf die Lauer zu legen und tatsächlich fasste er einen Mann, der nach 21:00 Uhr wieder bei Trixi geläutet hatte und sich danach aus dem Staub machen wollte. Trixi hat im Übrigen fast der Schlag getroffen, als sie dem Kerl dann Aug in Aug gegenüberstand. Es war, du wirst es kaum fassen, der verliebte Ex-Kollege und er hatte tatsächlich gehofft, Trixi so sehr zu erschrecken, dass sie sich nach männlichem Schutz sehnen würde – also nach ihm!“
Ein Verrückter – ich wusste zuerst nicht, was ich sagen sollte. Wie musste man wohl in seinem Innersten beschaffen sein, dass man auf so eine Idee kam! Hatte das überhaupt noch mit Liebe zu tun? Nein, wirklich nicht – der junge Mann musste in der Tat sehr einfach gestrickt gewesen sein und sich in seine Gefühle auf groteske Art und Weise hineingesteigert haben. Unverzeihlich war das Ganze trotzdem… Vicky brachte die Geschichte zum Ende. „Nun, Trixi hat ihm die Leviten gelesen, vor allen Dingen mit Nachdruck – und mit dem Hinweis auf das Kranke in der ganzen Handlungsweise. Sie haben ihn dann trotzdem laufen lassen, vielleicht hat er es kapiert. Aber wenn du mich fragst, müsste der zum Psychiater. Leider gibt es auf der Welt genügend solcher Typen, die alle nicht begreifen wollen, dass sie bei der Frau ihrer Träume nicht landen können. Und dann wird oft jede Dummheit bemüht, um das Ruder herumzureißen! Unglaublich!“
© Vivienne