Ich konnte meinen Augen kaum trauen, als ich frühmorgens aus dem Fenster blickte. Eis, Eis und nochmals Eis auf der Straße, selbst der Weg von unserem Haus auf die Straße war kaum gangbar. Ich schüttelte den Kopf, wie sollte ich es da bloß ins Dorf weiter unten in der Siedlung schaffen, wo mich eine Kollegin abholen und ich mit ihr in die Arbeit fahren würde? Unsere kleine Susi saß auf dem Boden vor mir und blickte mich erwartungsvoll an, dann begann sie heiser zu miauen. Ich folgte ihr die Stiege hinunter zur Haustür und ließ sie nach draußen. Gleichzeitig begehrte Kater Stocki Einlass und rieb sich schnurrend an meinen Beinen.
Das Eis überall auf der Straße sah in Echt nicht besser aus als beim Blick aus dem Fenster. Ich fütterte den Kater, der eine Riesenportion vertilgte und es sich dann vor dem Kaminofen bequem machte. Dann frühstückte ich im Eiltempo und machte mich fertig. Mein Schuhwerk war ja fest und an sich rutschsicher, aber ob es diesem Eis standhalten würde? Der erste Kontakt verlief jedenfalls katastrophal, so als hätten meine Schuhe gar kein Profil und ich hatte viel Glück, dass ich es bis zum Gartenzaun des Nachbarn schaffte. Wenn ich mich dort festhalten würde, konnte ich wieder ein Stück die Straße hinunter schaffen.
Unvermittelt tauchte Susi bei mir auf. Sie miaute mich freudig an, aber ich schenkte ihr keine Aufmerksamkeit. Immerhin musste ich es ins Dorf schaffen und ich hatte kaum den Anfang der Strecke hinter mich gebracht. Aber ich hatte die Rechnung ohne Susi gemacht. Zuerst fiel sie mich von hinten an und biss immer wieder in die Hosenbeine, was ich in meiner instabilen Situation nicht zu schätzen wusste. Ärgerlich sah ich mich genötigt, Susi zu verjagen und war dabei sehr unfreundlich. „Geh heim! Lass mich in Ruhe!“ Susi reagierte nicht im Geringsten darauf, ganz im Gegenteil. Sie sprang nun immer wieder auf meinen Arm, mit dem ich mich am Zaun des Nachbarn festhielt. Immerhin trug ich dort ein Armband mit ein paar verlockenden Anhängern und das reizte die Katze besonders.
Das auch noch! dachte ich mir verärgert. Ich war ohnedies schon spät dran. Und dass meine Kollegin auf mich warten musste, wollte ich um jeden Preis vermeiden. Ich versuchte mit der freien Hand die junge Katze zu verjagen, was mir dann tatsächlich gelang. Die Katze lief vom Zaun weg auf die glatte Straße und ich beobachtete fasziniert, wie sicher sich die Tigerin auf dem eisigen Terrain bewegte. Hoppala! Da war ich ein wenig voreilig gewesen. Die Katze glitt nämlich aus und schlitterte ein Stück auf der Straße dahin um auf ihrem Hinterteil zu landen. Was ihr aber gar nichts ausmachte, ganz im Gegenteil. Sie stand schnell wieder auf und lief weiter. Schließlich verschwand sie im Garten des Nachbarn.
Ich kümmerte mich nicht weiter um sie sondern beeilte mich an den Treffpunkt mit der Kollegin zu kommen, wobei ich trotzt aller Vorsicht mit dem Boden Bekanntschaft machte, besser gesagt meine Sitzfläche. Trotzdem langte ich rechtzeitig am Treffpunkt ein. Später am Tag befand ich mich dann auf dem Nachhauseweg. Das Eis auf der Straße war bei 5° Plus fast weggeschmolzen und es hatte zu regnen begonnen. Beste Voraussetzungen für ein nochprachtvolleres Glatteis am kommenden Morgen, daran hatte ich nicht den geringsten Zweifel. Aber das kümmerte mich nicht vor morgen früh. Mittlerweile war ich fast daheim angekommen, als unerwartet die kleine Susi aus dem Garten des Nachbarn schoss und vor meinen Beinen stehen blieb.
Ich hatte da so einen Verdacht, als hätte es ihr der Kater dieser Familie ein wenig angetan. Der kam mit dem unleugbaren Temperament der jungen Katze auch sicher besser zurecht als unser Stocki. Susi sprang an mir hoch und miaute mich heiser an. Die schnurrige Dame hatte also endlich genug von diesem Wetter und wollte wohl mit mir ins Haus kommen. Sie lief mir immer ein Stück vor um dann auf mich zu warten, und zwar ziemlich ungeduldig. Ich öffnete ihr schließlich die Haustür und sprang förmlich ins Stiegenhaus während Stocki seinerseits, der wohl den ganzen Tag beim Ofen gelegen war, nach draußen trabte, nicht ohne mich freundlich anzuraunzen. So was nennt sich wohl friedliche Koexistenz! dachte ich bei mir. Sie teilten sich das Terrain auf – das war ja schon ein Fortschritt!
(C) Vivienne