Sprung ins Ungewisse – Teil 4

Hannes saß in seinem Stammcafé.
Eigentlich wollte er einen Freund treffen.
Aber der hatte ihm eben abgesagt.
Gedankenverloren rührte er in seinem Verlängerten.
Der intensive Duft des Kaffees stieg ihm in die Nase.
Ihm fiel die Szene neulich morgen im Büro wieder ein.
Geli.
Die neue Kollegin.
Er verstand sie nicht.
So was war ihm noch nie passiert.
Wie oft schon hatte dieser Schmäh funktioniert!
In Variationen halt.
Und ausgerechnet bei dieser spröden Schönen nicht.
Er begriff das nicht.
Sein Freund Rainer hatte über die Geschichte gelacht.
Ist doch egal!
Vielleicht bist du nicht ihr Typ!
Oder sie ist lesbisch!
Zieh dir doch ein Kleid an.
Womöglich reagiert sie dann auf dich!

Typisch Rainer!
Seine Art von Humor.
Das half ihm natürlich nicht weiter.
Nicht im Geringsten.
Abwesend zündete er sich eine Zigarette an.
Hilfreicher waren da schon Hedis Gedanken gewesen.
Hedi war eine alte Freundin von ihm.
Vor Jahren hatten sie einmal etwas miteinander gehabt.
Aber das war lang vorbei.
Vielleicht will sie gerade keine Beziehung?
Oder die Dame ist überhaupt anspruchsvoller!
Mit ein paar Schmähs kommst du da nicht weiter.
Aber was auch immer.
Dann musst du dich einfach mehr reinhauen.
Wenn sie dir das wert ist…
Hannes dachte nach.

War sie ihm das Wert?
In Sachen Liebe war er nie der Geduldige gewesen.
Er wirkte auf das andere Geschlecht.
Seit er fünfzehn war.
In dem Alter hatte er auch seine ersten Erfahrungen gesammelt.
‚Hannes musste schmunzeln in der Erinnerung.
Er hatte nie so viel geredet.
Ein paar Tricks hatten immer gewirkt.
Fast immer.
Und was war davon geblieben?
Eine gescheiterte Ehe vor sechs oder sieben Jahren.
Die kaum achtzehn Monate gedauert hatte.
Und zahllose Liebschaften.
Er liebte die Frauen.
Und sie ihn.
Aber war das alles?
Das Leben raste an ihm vorbei.
In drei Jahren würde er vierzig sein.
Würde das immer so weitergehen?
Würde er mit grauen Schläfen auch auf die Frauen wirken?

Sein Freund Georg fiel ihm ein.
Letzte Nacht hatte er in einer Bar mit ihm geplaudert.
Georg hatte gelacht über den Reinfall mit der Kollegin.
Pech gehabt.
So was passiert.
Vergiss sie!
Gibt so viele Tussis.
Musst ja nicht alle in der Arbeit angrasen.
Schau dir doch die Rothaarige dort drüben an!
Ist das nicht ein Hase?
Er, Hannes hatte sie angesehen.
Rassige Frau.
Keine Frage.
Aber irgendwie war ihm das an diesem Abend egal.
Er erstand sich selber nicht.
Vergiss sie! hatte Georg vorgeschlagen.
Aber irgendwie funktionierte das nicht.
Diese Geli ging ihm nicht so leicht aus dem Kopf.

Kollege Fred kam ihm in den Sinn.
Heute Mittag in der Kantine.
Fred hatte ihm auf die Schulter geklopft.
Kann es sein, dass sie dich einfach reizt?
Weil sie so spröde ist?
Du bist eine Abfuhr gar nicht mehr gewohnt.
Die meisten Weiber gehen einfach mit dir essen.
Weil du gut aussiehst.
Und ihnen nette Komplimente steckst.
Das bist du gar nicht mehr gewohnt.
Dass manche Frauen Ansprüche stellen…
Du wirst alt, Hannes!
Hannes begann mit den Fingern auf der Tischplatte zu klopfen.
Vier Leute.
Vier Meinungen.
Es war nicht leicht.
Vielleicht sollte er die Kollegin wirklich vergessen.
Es gab so viele Frauen auf dieser Welt.
Eine reizvoller als die andere…

Hannes zuckte zusammen.
Blickte angestrengt aus dem Fenster des Lokals.
Ging die Kollegin nicht gerade an dem Café vorbei?
Natürlich war sie das!
Hannes sprang auf.
Jetzt oder nie!
Er dachte nicht viel nach.
Zuerst einmal ihr nach!
Er warf ein paar Münzen neben die Kaffeeschale.
Griff nach seiner Jacke.
Lief nach draußen.

Wo war sie jetzt?
Die spröde Schöne?

© Vivienne

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