Sprung ins Ungewisse – Teil 30

Hannes.
Könntest du bitte mal in mein Büro kommen?
Jetzt gleich!
Meiers Stimme hatte etwas kalt geklungen.
Das war ihm sofort aufgefallen.
Hannes spürte einen leisen Stich.
Ahnte der Kollege etwas?
Aber dann beruhigte er sich.
Unmöglich.
Woher?
Und außerdem:
Es gab keinen Beweis gegen ihn.
Nicht das Geringste.
Er folgte Meier mit federndem Schritt.
Nein.
Er hatte nichts zu befürchten.
Hannes nahm Platz.
Schlug die Beine übereinander.
Betont lässig.
Aber er fühlte sich nicht wohl.
Mit einem Schlag.
Er hatte da so ein dummes Gefühl.
Hannes beobachtete Meier.
Der gegenüber ihm Platz genommen hatte.
Vor sich eine Mappe.
Die er nun öffnete.

Meier musterte den Kollegen etwas verbissen.
Ich will es kurz machen, Hannes.
Ich gebe zu, dass ich etwas getroffen bin.
Getroffen, dass du zu so etwas fähig bist.
Seine Stimme wurde laut.
Eigentlich müsstest du fliegen für diese Aktion.
Per Fußtritt.
Du bist dir wohl nicht wirklich bewusst.
Was du dir da geleistet hast.
Aber lassen wir das.
Du wirst die Firma verlassen.
Hier ist das Schreiben bezüglich der einvernehmlichen Trennung.
Unterschreib hier unten.
Neben dem heutigen Datum.
Das war dann dein letzter Arbeitstag.
Abfertigung gibt es keine.
In Anbetracht der Umstände angemessen.
Sie froh, dass du nicht die Fristlose bekommst…
Wo anders wärst du nicht so sanft angefasst worden…
Hannes starrte ihn an.
Mit offenem Mund.
Er wurde kalkweiß.
Wovon redest du überhaupt?
Er stotterte fast.
Nur nichts zugeben!
Ging ihm durch den Kopf.
Das ist eine Falle.
Sie wissen nichts.
Sie können nichts wissen…!

Meier lachte trocken.
Spar dir das.
Wie lange willst du noch Katz und Maus spielen?
Du hast dich neulich schon verraten.
Ich dachte mir schon so was in der Richtung.
Unterschreib.
Oder du bekommst doch die Fristlose.
Du kannst es dir aussuchen.
Bequem.
Oder geschmalzen.
Deine Wahl…
Hannes sprang auf.
In seinem Kopf surrten die Gedanken.
Das konnte nur eines heißen…
Das ist Mobbing!
Die Rache einer verschmähten Frau.
Und darauf gibst du etwas?
Meier lachte bitter.
Du hast dich schon wieder verraten.
Ich sagte nichts von einer Frau.
Setz dich.
Nimm den Kugelschreiber.
Setz deine Unterschrift unter das Schreiben.
Seine Stimme klang hart.
Du verdammter Narr.
Dr. Schießer hätte dich zu Hackfleisch verarbeitet.
Verbal.
Geli kann dich noch immer verklagen.
Ich gebe dir einen guten Rat.
Unterschreib endlich!
Und dann räum deinen Schreibtisch…

Geli saß am PC.
Sie blickte dauernd auf die Uhr.
Hannes war jetzt schon über zehn Minuten bei Meier im Büro.
Was sich dort wohl abspielte?
Ihre Lippen waren trocken.
Sie hatte das nicht gewollt.
Bei Gott nicht.
Aber wie hätte sie das ahnen können?
Hannes so ein Fanatiker?
Nein.
Sie traf keine Schuld.
Aber sie machte sich trotzdem Gedanken.
Vor allem über Alexa.
Die hatte am Telefon fast nur geweint.
Als sie neulich angerufen hatte.
Mitleid mit Hannes war da fehl am Platz.
Die junge Frau war mit den Nerven fertig.
Gestern hatte sie die Firma verlasen.
Ohne große Worte.
Sie hatte ihr nur kurz die Hand gedrückt.
Dann war sie gegangen.
Sie hatte Hannes nicht mehr sehen wollen.
Verständlich.
Angelika rief ihre Mails ab.
Ihre Gedanken schweiften wieder ab.
Gut, dass die Sache geklärt war.
Aber wie würde Hannes reagieren?
Was, wenn er wieder Rache schmiedete?
Angelika schreckte hoch.
Die Tür von Meiers Büro wurde aufgerissen…

© Vivienne

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