Mit Interesse las ich heute spät abends den Beitrag „Konkurrenzklausel“ meines Kollegen Einstein. Seine Ausführungen zur Thematik erscheinen mir sehr schlüssig, ja, ich frage mich gerade im anschaulichen Beispiel Gastgewerbe, wer sich denn dort so etwas ausdenkt. Das Gastgewerbe ist ja nicht ein Bereich wie Marktforschung, bei dem ich als Bürokraft beispielsweise jede Menge Ausweichmöglichkeiten in all die Unternehmen habe, in denen es einen Sekretariatsbereich gibt – ich bin in so einem Fall nicht auf eine Wiedereinstellung in einem anderen Meinungsforschungsinstitut angewiesen, kann ich doch de facto fast überall meinen Beruf als Büroangestellte ausüben.
Was das Gastgewerbe betrifft, liegt die Sachlage aber völlig anders. Wenn ich Koch gelernt habe, muss ich mich wieder um eine Anstellung in diesem Bereich bemühen. Egal ob Beisel oder Vier-Hauben-Restaurant – alles fällt in den Bereich Gastgewerbe, wie der Kollege richtig bemerkt hat. Man kann doch nicht ernsthaft voraussetzen, dass der genannte Koch, den in seinem Betrieb wegen schlechter Bezahlung etwa nichts mehr hält, jetzt ein Jahr stempeln geht oder sich zum Maurer umschulen lässt. Das gemahnt ja im Grunde an Sklaverei, wenn ich in einem miesen Dienstverhältnis stehe und nicht wechseln darf, außer der Chef selber gibt mir doch einmal von sich aus einen Tritt. Auch wenn derartige Klauseln nicht überall Usus sind, hat man – auch darauf weist Kollege Einstein berechtigterweise hin – selten die Wahl, sich derartige Ergänzungen zum Kollektivvertrag zu verbieten.
Ich kann aus eigener Erfahrung nämlich nur bestätigen, was der Kollege in seinem Beitrag erläutert. Als ich vor einigen Jahren in einem Linzer Call Center zu arbeiten anfing, hatte ich keine Wahl, den übelsten Dienstvertrag zu unterfertigen, der mir je in meinem Leben vorgelegt worden ist. Auf die Gründe habe ich schon an anderer Stelle mehrfach im Detail hingewiesen. Hätte ich auch nur mit der Wimper gezuckt, was die ungesetzliche Arbeitszeit von 42,5 Wochenstunden und die detailliert angeführte Konkurrenzklausel betrifft, hätte man mir die Türe gewiesen. Ich musste also nachgeben und in den sauren Apfel beißen, bis hin zum Weihnachtsfest 2002, als wir wegen heftiger wirtschaftlicher Turbulenzen des Unternehmens kein Gehalt und kein Weihnachtsgeld ausbezahlt bekamen und rechtlich trotzdem keine Handhabe hatten, von einem Tag auf den anderen einfach zu gehen.
Uns fehlte nämlich zunächst jegliche Einsicht in das wahre Ausmaß des Debakels und hätten aus diesem Grund wichtige Ansprüche verlieren können, wenn wir kollektiv abgesprungen wären. Das Geld floss dann zwar doch durch einen Investor im neuen Jahr wieder, aber die Arbeitssituation wurde sogar noch schlechter. Die Zahl fragwürdiger Aufträge stieg ins Bodenlose, ich war mental am Ende – wegen der immer miserableren Arbeitszeit und wegen des zunehmenden Drucks. Unerwartet tat sich in dieser Situation dann eine neue Möglichkeit auf: über Umwege erhielt ich einen Tipp bezüglich eines Unternehmens mit Call Center, wo ich ins Blaue hinein und ohne große Hoffnungen wegen eines Jobs nachfragte. Und ich hatte großes Glück: es wurde nicht nur zufällig jemand gebraucht, die Abteilungsleiterin stellte mich nach einem persönlichen Gespräch tatsächlich ein.
Natürlich schluckte ich trotzdem: die Konkurrenzklausel in meinem Dienstvertrag hätte ein Dienstverhältnis in der neuen Firma nicht ohne weitres zugelassen. Aber ich verschwieg den Namen meines neuen Dienstgebers konsequent, selbst Freunden im alten Call Center gegenüber, weil nun mal niemand etwas unabsichtlich ausplaudern kann, das er nicht weiß. Und da jene frühere Firma genug mit der großen Fluktuation des Personals und den steigenden finanziellen Problemen zu kämpfen hatte, machte sich auch niemand die Mühe nachzuforschen. Allerdings musste ich fast bis zum letzten Augenblick arbeiten und durfte nicht einmal meinen Resturlaub in Anspruch nehmen. Aber das war mir schließlich auch egal, Hauptsache weg! Als die Einjahresfrist ablief und ich mich im neuen Unternehmen schon gut eingearbeitet hatte, zerfiel das frühere Call Center, in dem ich mich fast kaputt geschuftet hatte, endgültig. Der Konkurs wurde angemeldet, was mir aber egal war. Ich hatte den Absprung rechtzeitig geschafft und habe den Wechsel nie bereut…
Bisweilen habe ich mich aber doch gefragt, warum man in meinem Fall in dem wirtschaftlich maroden Call Center unbedingt auf die Einhaltung der Konkurrenzklausel bestanden hätte. Firmengeheimnisse wussten wir immerhin so gut wie keine. Selbstverständlich hatte ich eine Ausbildung dort genossen, und die war sicher nicht schlecht, aber sie war über das AMS finanziert worden. Mit anderen Worten: man wollte sich in jenem Call Center im Grunde schadlos halten für angeblich hohe Investitionen in die Mitarbeiterausbildung, die man sich ohnedies in Form zahllosen Förderungen längst wieder zurückgeholt hatte… Einmal mehr bedauerlich, dass unsere Arbeitnehmervertreter zu zahnlos sind, um da einzugreifen und derartigen Unfug zum Schaden der Arbeitnehmer zu verhindern!
© Vivienne