Den meisten Männern fällt es schwer über anstehende Dinge zu reden. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold – das alte Sprichwort musste wohl von einem Mann stammen, denn Männer gehen klärenden Gesprächen und unausgegorenen Problemen gerne aus dem Weg – man(n) schweigt lieber, und tut dann so, als ob nichts wäre. Da Schwierigkeiten und Zwistigkeiten aber nicht von selber verschwinden, birgt dieses Verhalten ein enormes Konfliktpotential. Unausgesprochenes bläht sich mit der Zeit auf wie ein riesiger Ballon und kann so manche Beziehung in die Krise führen. Bisweilen kostet es sogar die große Liebe…
Peter Kammerhofer war ein netter Kollege in jener Großhandelsfirma, in der Ali und ich vor Jahren schon gemeinsam gearbeitet hatten. Peter war nett und umgänglich, schnell für einen Spaß zu haben und sicher nicht auf den Mund gefallen. Wer ihn nicht so gut kannte, hätte nicht angenommen, dass sich Peter mit einem großen Manko herumschlug: Gefühle waren für ihn tabu, die sprach er nicht an. Ob es nun der Ärger über harte Worte von Stransky, der rechten Hand des Geschäftsführers, war, oder ob er sich in einem Konflikt mit einem Kollegen ungerecht behandelt fühlte: Kammerhofer ließ sich nichts anmerken, er redete ganz normal zu und mit diesen Leuten, obwohl er innerlich stinksauer war, wie er das eine oder andere Mal einigen wenigen gegenüber anklingen ließ.
Manchmal hatte ich schon den Eindruck, dass Peter Kammerhofer entweder ein oscarreifer Mime sein musste oder bald an Magengeschwüren laborieren würde. Ali lachte oft, wenn ich in unseren Rauchpausen damals das Gespräch darauf brachte. „Machst du dir nicht etwas viel Gedanken über den Kollegen?“ zog er mich dann regelmäßig auf, obwohl es mir um etwas ganz anderes ging. Es war einfach nur schwer nachvollziehbar für mich, eine Frau, die bekannterweise ihr Herz auf der Zunge trug und immer noch trägt, dass ein Mensch nicht offen darüber reden kann, wenn ihn etwas stört oder er sich schlecht behandelt fühlt. Dass er mit Stransky nicht streiten wollte, verstand ich zwar – wer legt sich schon gerne mit einem Vorgesetzten an? – aber immer nur stoisch schweigen und den ganzen Frust hinunter fressen… Das konnte ich nicht nur nicht nachvollziehen, das war sicher ungesund – Magengeschwüre hin oder her…
Ich verstand Peters Verhalten schließlich noch weniger, als sich der Kollege verliebte. Eine Stelle im Sekretariat war mit einer jungen Kraft nach besetzt worden und die hübsche, blonde Frau hatte es dem nach außen hin ewig gelassen scheinenden jungen Mann angetan. Dabei tat der Kollege alles, um seine Gefühle zu verbergen und nur wenn ich ihn ganz genau im Gespräch mit der attraktiven Sekretärin Birgit beobachtete, dann fiel mir auf, dass er immer leicht nervös wurde und manchmal sogar zart errötete. Ich schmunzelte dann stets im Geheimen und brachte die Beobachtungen einmal Ali gegenüber zur Sprache. Ali zuckte dann nur die Schultern, legte den Kopf leicht schief und meinte dann immer ziemlich boshaft. „Wetten, dass er den Mund nicht aufkriegt?“ Alis viel sagenden Blick dazu wusste ich damals nicht zu deuten, was ahnte ich schon von den Gefühlen, die er seinerzeit schon für mich hegte, aber ich beobachtete diese kuriose Geschichte weiter – interessiert und von der Ferne. Ich wäre Kammerhofer durchaus ein Happy End gegönnt gewesen, aber der junge Kollege verhielt sich wie ein Nichtschwimmer, der ins Wasser fällt.
Er begann quasi hektisch und unüberlegt um sich zu schlagen und versank dadurch noch mehr im Sumpf seiner Sprachlosigkeit. Die junge Frau brüskierte er ständig obwohl sie sichtlich nicht abgeneigt gewesen wäre, sich näher mit ihm zu beschäftigen – sehr viel näher sogar. Im Aufenthaltsraum machte sie eines Tages mit verärgerter Stimme ihrem großen Unmut Luft: „Kammerhofer ist entweder ein Frauenhasser oder ich bin so absolut nicht sein Typ! Was meinst du? Ich dachte immer, er kann mich leiden, aber er lädt mich einfach nicht ein, einmal etwas mit ihm zu unternehmen. Muss ich ihm denn nachlaufen? Schön langsam kann er mir den Buckel runterrutschen!“ Ich sah die blitzenden Augen der hübschen, jungen Frau und verdammt noch einmal, ich wusste doch, dass Kammerhofer auf sie stand. Warum konnte er nicht einfach reden mit ihr und seine Gefühle gestehen?
Wenige Tage später hatte ich Gelegenheit, mit dem Kollegen über die Sache zu sprechen. Wir waren beide im Lager und kommissionierten Ware für einen Kunden. Ich ging bei meinem Kuppelversuch nicht unbedingt diplomatisch vor, denn Kammerhofer lachte mich nach meinem flammenden Appell nur aus. Dann schüttelte er den Kopf: „Reden bringt nichts!“ erklärte er mir mit dem Brustton der Überzeugung. „Wenn sie mich will, dann braucht es keine großen Worte, dass wir zusammenkommen.“ Sein Blick traf mich fast wie Pfeil. „Ihr Frauen, ihr wollt immer nur reden und alles ausdiskutieren, dabei ist alles im Grund ganz einfach – mach du nicht noch alles komplizierter!“ Ich begriff, dass ich zu weit gegangen war. Nein, ich würde mich nicht mehr einmischen und mir war es im Grunde auch egal, wie sich die hübsche Birgit entscheiden würde – wenn Peter Kammerhofer nicht reden wollte, sollte er es bleiben lassen!
© Vivienne