Wer die Seele des allgemeinen Amerikaners lesen möchte, seine Waffenvernarrtheit und vor allem sein Verhältnis zu seiner Regierung verstehen will, kommt um das Verständnis des Amerikanischen Wahlsystem nicht herum.
Nur hier, mit einer ganzen Divison von scheinbar dienstverpflichteten Wahlmännern, spielt nicht etwa die absolute Anzahl an Stimmen oder der vorgebliche Wille des Wählers die Hauptrolle, sondern nur die Menge an Acres, egal ob bebaut oder reine Wildniss im Staate.
Basierend auf frühen Gepflogenheiten in Britannien, die doch eigentlich mit der Unabhängigkeit der Kolonie in der Neuen Welt längst hätten zu den Akten gelegt gehört, wurde noch lange der Wählerwille nur an der Größe des Grundbesitzes der Wähler verfestigt.
Keinerlei Grundbesitz bedeutete bis ins späte 19 Jahrhundert hinein, auch gleichzeitig kein Wahlrecht.
Hiermit wird auch klar, weshalb es eine Klasse in der Neuen Welt gab, die die Bedingungen schuf, die dann in Blei und Gesetze gegossen wurden.
Diese besitzende Klasse übte die wahre Herrschaft aus. Noch heute hält sich dagegen das Gerücht, dass es einem Jeden vorbehalten sei, in Besitz zu kommen und somit die Geschicke der vormaligen britischen Kolonie mitzugestalten, der geringste der Tellerwäscher in einer Spelunke auch noch zum Millionär aufsteigen könne.
Hierzu bietet sich das Lebenswerk eines der mächtigsten Grundbesitzer seinerzeit und somit seine dadurch erworbene Machtfülle, die nicht nur persönlichen Besitz vermehrte, sondern in ganz hohen Maße das Recht des Einzelnen in diesen Zeiten maßgeblich einschränkte!
Johann Jakob Astor, gebürtig in Waldorf in der Nähe von Heidelberg, Sohn eines Religionsflüchtlings aus Italien, ging schon in jungen Jahren nach Amerika, wo bereits einer seiner Brüder einen gewissen Wohlstand als Importeur von Musikinstrumenten aus London erreicht hatte.
John Jacob Astor, wie er sich nun nannte, stellte seine nähere Zukunft auf den Handel mit Pelzen und erreichte durch geschickte Manipulationen seiner Geschäftspartner, die heute ganz klar den Tatbestand des Betruges und nicht selten den des Diebstahls darstellen würden, nicht nur eine beinahe totale Monopolisierung, sondern ungeheuren Wohlstand.
Seine Geschäftstätigkeit und die daraus entstandene Amerikanische Pelz-Gesellschaft, sowie seine Tätigkeiten als Reeder im Nordatlantik-Handel, beendete Astor durch den Verkauf aller seiner Ansprüche an der Gesellschaft um sich nun nur noch dem Immobilienhandel zu widmen.
Gesellschaft bedeutete für diesen dann die der New Yorker High Society, die es dort zu sehr guten Beziehungen zu Regierung und der Justiz gebracht hatte.
Auch noch heute wird mit dem Namen Astor eine gewisse Emphatie mit weniger gut Betuchten verbunden. Ein Umstand der, bei genauem Hinsehen jeder Glaubwürdigkeit abhold sein dürfte.
Astor gehörte Zeit seines Lebens immer zu jener Gruppe Menshen, die den Erfolg am erreichten Ziel bemessen, dessen Erreichen alle Kraft zu gelten habe, und ein jeder Anflug von Gutmütigkeit oder Nachsicht auch nur ein Zeichen von Schwäche und Unvollkommenheit darstellte.
Wie diese Gattung Mensch alle Widerstände und Blockaden zu brechen imstande war, mag am Beispiel dieses Moguls an Verwerflichkeit auf anschauliche Weise gechildert sein!
Wer heute der Astors,Vanderbild oder Rockefellers und etwa 400 weiteren Familien im gerade von der britischen Vorherrschaft befreiten Amerika gedenkt, mag durchaus derer Fürsorge und Großzügigkeit in den Fokus stellen, doch ist auch das nur die eine Seite der Medaille, die auch immer derer Zweie hat.
Während der Unabhängigkeitsbestrebungen, die mit der „Boston Tea-Party“ ihren Höhepunkt und damit den Krieg mit der Britischen Krone brachten, wurden zahlreiche Ländereien in britischem Besitz, durch die Kolonisten enteignet.
Roger Morris und seine Frau, die zur Partei der Torrys gehörte, wurden in der bei New York gelegenen Grafschaft Putnan etwa 51 012 Morgen besten Ackerlandes los. Dieses Land war ein Teil der Besitzungen Adolphus Phillips, Sohn des Finanziers des Seeräuber-Kapitänes Burgeß, der durch Kaperung und Aufbringung von Seehandelsschiffen an der Nordamerikanischen Küste lange Zeit sehr erfolgreich agierte.
Die Briten, nach der Revolution in Amerika sehr desorientiert was die Rückkehr von Königstreuen betraf, zahlten den Familien Morris und Phillips für ihre Verluste in der Neuen Welt, insgesamt etwa 97.000 Dollar an „Entschädigungen“.
Mary Morris stammte von Adoph Phillips ab und war in jenen Teil des Besitzes durch Erbschaft gekommen. Der gesamte Besitz hatte in etwa die Größe von einem Drittel des gesamten Putnan-Gebietes.
Nach der Konfiszierung durch den Staat New York war der Besitz in Parzellen, an etwa 700 Familien veräußert worden. Keiner der Farmer und Rancher hätte jemals daran gezweifelt, durch Ehrenhaftigkeit in den Besitz des vom Staat ausgelobten Grundes gekommen zu sein. Es wurde ja auch von keinerlei Seite mehr in irgendeiner Weise Anspruch darauf erhoben.
So schien es zumindest.
Im Jahre 1809 erklärte ein Advokat dem John Jakob Astor, diese 700 Familien hätten keinerlei Anspruch auf den Grund und Boden, der Staat hätte wiederechtlich die Familien Morris und Phillips um ihren Besitz gebracht, da ja noch in der Zeit der Revolution britisches Recht gehrrscht hätte.
Außerdem hätten die Morris und Phillips lediglich eine lebenslange Pacht innegehabt. Der gesamte Besitz hätte demnach nach dem Ableben der Eltern, den Erben und Kindern übereignet werden müssen!
Gesetzlich seien diese immer noch die rechten Grundbesitzer, wenn auch gerade nicht Eigentümer.
Astor, durch seine guten Beziehungen zum Gericht dort gut gelitten, versicherte sich des Tatbestandes, spürte diese Erben auf, und kaufte durch eine Reihe von Manövern ihre Ansprüche. Ein Balzac hätte an diesem Plot seine reine Freude gehabt!
In 33 Jahren seit dem Verkauf an die Siedlerfamilien war der vorher schon äußerst fruchtbare Grund noch wesentlich verbessert worden und die Farmer fielen aus allen Wolken, als sie nun erfahren mussten, dass ganz Andere sich nun in dessen Besitz gebracht haben sollten.
Astor ließ ihnen mitteilen, alle Bauten, alle Früchte ihrer jahrzehntelangen Arbeit würden ihm gehören, da sie sich ja auch unbefugt auf seinem Grund und Boden breitgemacht hätten, und sie sich nun endlich zu verziehen hätten.
Astors Advokaten, nicht untätig geblieben in dieser Sache, legten ihnen, die zuerst noch schüchtern anfragten wieso ein Jemand, der nie einen Spaten in den Boden den er nun beanspruchte, gestoßen hätte, sie nun von ihrem Grund vertreiben könne, zwei gesiegelte Bescheide vor, die seinen Anspuch „…dem Rechte nach…“ begründen könnten.
Die nun von den Familien der Siedler angerufene „gesetzgeberische Körperschaft, weigerte sich dann auch, Astors Anspruch anzuerkennen.
Der ganze Staat bebte vor Entrüstung über derart freches Vorgehen des John Jakob Astor. <
Astors Ansprüche wurden lauthals in den Straßen und auf den Feldern diskutiert und die ganz große Mehrheit hielt das Verhalten Astors nur eines gewieften Räubers für würdig!
Astor behauptete nun, dass bei vom Staat konfiszierten Gütern, den Pächtern zumindest eine Abfindung gezahlt werden müsse, hierdurch könne er den seinerzeitigen Verkauf der Ländereien an die Siedler nicht verbindlich anerkennen.
Diese hätten unverzüglich seinen Anspruch ohne jede weitere Verzögerung anzuerkennen und demnach zu verschwinden.
Er wäre darüber hinaus auch keinesfalles dazu bereit, ihnen in irgendeiner Form eine Entschädigung für ihre Leistungen auf Weiden und Ackern zuzubilligen.
Bei der öffentlichen Empörung, beschlossen die New Yorker Beamten, Astors Ansprüche anzufechten.
Der, wiederum, bot dem Staat an, ihm das Land für die stolze Summe von 667 000 Dollar zu verkaufen, den Siedlern also ihre Heimstatt zu lassen.
Die Gemeinheit, eine Investition von knapp 100 000 Dollar, dem Staat mit dem mehr als sechsfachen an Geld anzubieten, war eine solche, dass die Gesetzgebung es nicht wagen konnte, Astors Ansinnen auch nur zu diskutieren.
Der nun folgende Rechtsstreit beschäftigte die Gerichte noch über Jahre, bis im Jahre 1827 entschieden war, dass Astors Ansprüche zu Recht bestanden und ihm im Rahmen eines Vergleiches, 500 000 Dollar als Entschädigung zugesprochen wurden.
Der Staat New York legte zu dem Zweck eine fünfprozentige Staatsanleihe auf, obwohl die öffentliche Meinung immer noch von Betrug, Diebstahl und Entrechtung sprach.
Die verschiedenen Körperschaften im Staate waren im Jahre 1827 wahre Herde der Korruption und Vetternwirtschaft und somit wurde das gesamte Volk mit Steuern belastet, nur damit ein Glücksritter seine Schatullen mit fremden Vermögenswerten auffüllen konnte.
Wie Astor sein drittes Standbein, die Bankprivilegien, zur weiteren Bereicherung nutzte, vielleicht beim nächstenmal!
© chefschlumpf Alpha Sierra Januar 2018