Die Geschichte von der ich euch heute erzählen möchte hat sich schon vor einigen Jahren zugetragen – wobei das Thema aber an Aktualität gewiss nichts eingebüßt hat. An einem längeren Abend im „Cafe Steiner“ – wo mal wieder über Gott und die Welt philosophiert wurde – kam Stammgast Josef auf die berufliche Situation seines Nachwuchses zu sprechen. Sein 22jähriger Sohn wäre seit etwas mehr als zwei Jahren im IT-Bereich einer großen österreichischen Versicherung am Standort Wien beschäftigt.
Nach Abschluss der Schulausbildung an einer HTL hätte sich für ihn in einem Auswahlverfahren die Chance für diesen Job aufgetan. Die Anstellung in einem der größten österreichischen Versicherungskonzernen wurde von der Familie des jungen Mannes als sichere Basis für den Berufsstart gesehen. Der IT-Bereich umfasste rund 200 Mitarbeiter und war ein fixer Bestandteil der Aufbauorganisation des Unternehmens. Vor wenigen Wochen wäre aber eine heftige Unruhe in die Abteilung eingekehrt. Aus Sicht der Mitarbeiter relativ unerwartet hätte die Unternehmensleitung die Absicht bekundet ein Outsourcing der IT Agenden an einen externen Dienstleister vorzubereiten.
Letztlich wurden die 200 IT-Mitarbeiter der Versicherung dienstrechtlich vor kurzem an ein IT-Dienstleistungsunternehmen übertragen. Rechtlich abgewickelt wurde dies im Sinne des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes, zumeist kurz AVRAG genannt. Da der gesamte IT Bereich des Unternehmens ausgelagert wurde hatten die Mitarbeiter natürlich auch keine Möglichkeit sich diesem Personaltransfer zu widersetzen. Josefs Sohn war von diesem Personaltransfer ebenso betroffen und ist seither ein Angestellter des IT Dienstleisters. Am Aufgabengebiet und auch an dem Arbeitsumfeld der Mitarbeiter hätte sich nichts geändert, außer dass sie ihr Gehalt nun von dem neuen Dienstgeber beziehen. Die Führungskräfte hätten den Mitarbeitern, so schilderte uns Josef, auch weitestgehend versichert, dass sie durch dieses Outsourcing keine Verschlechterungen zu befürchten hätten.
Auch Gerald soll sich mit der neuen Situation arrangiert haben, auch wenn er berichtet hätte dass die Kollegen sehr unterschiedlich damit umgehen würden. Da wären auf der einen Seite jene, die bei ihrem neuen Arbeitgeber neue Chancen und berufliche Perspektiven sehen würden. Auf der anderen Seite würden andere Kollegen die Maßnahme aber auch als Vorbereitung für einen Personalabbau interpretieren. Ohne genauere Details zu diesem Deal zu kennen ist es aber auch schwer die mittel- und langfristigen Auswirkungen einer solchen Maßnahme vorhersehen zu können. Es bleibt lediglich zu hoffen, dass hier eine offene und ehrliche Informationspolitik von Seiten der Firmenleitung gelebt wird.
Auch aus den Aussagen von Josef war eine gewisse Verunsicherung in Bezug auf die berufliche Zukunft seines Sohnes herauszuhören. Aus seiner Sicht wäre es einfach nicht zulässig, dass ein Unternehmen einen großen Teil seiner Mitarbeiter in ein anderes Unternehmen verschiebt. Schließlich sei sein Sohn in ein österreichisches Traditionsunternehmen eingetreten und wäre nun von einen Tag auf den anderen zum Mitarbeiter eines amerikanischen Konzerns geworden.
Ich zeigte in dem Gespräch großes Verständnis für Josefs Vorbehalte gegen die Pläne des vormaligen Arbeitgeber seines Sohnes. Auf der anderen Seite ist mir aber selbst nur allzu sehr bewusst, dass in den letzten Jahren gerade auch Konzerne immer größeren Gefallen an der Auslagerung von Aufgabenbereichen an externe Dienstleister gefunden haben. Einer Umfrage nach hätten bereits vier Fünftel der Unternehmen im deutschsprachigen Raum einzelne Firmenbereiche ausgelagert. Die Unternehmen argumentieren zumeist damit sich auf Kernkompetenzen konzentrieren zu wollen. Finanztechnisch gesehen würden sich Personalkosten in Sachkosten verwandeln und man erwarte eine vertragsmäßig abgesicherte Dienstleistungsqualität.
Natürlich lässt sich aber nicht bestreiten, dass mit dem Outsourcing wohl auch Kosten gespart werden sollen und auf der anderen Seite das aufnehmende Dienstleistungsunternehmen davon profitieren muss. Es wäre durchaus möglich, dass Gerald als Mitarbeiter des IT Unternehmens demnächst für verschiedene Firmen tätig sein wird, was bei gleichen Arbeitsbedingungen auch nichts weiter schlimmes sein muss . Auf diese Art und Weise versucht man wohl eine optimalere Auslastung der Mitarbeiter zu erreichen. Abzulehnen wäre wohl eine dienstrechtliche Schlechterstellung der betroffenen Mitarbeiter – das AVRAG schützt vor dienstrechtlichen Änderungen nur innerhalb der ersten 12 Monate nach einem Personaltransfer.
Pedro