KRITISCH BETRACHTET
von Vivienne – September 2002
Titus Feuerfuchs lässt grüßen –
Gedanken zur Intoleranz der Menschen
Mit unserem Urteil ist es wie mit unseren Uhren. Nicht zwei gehen genau gleich, und doch glaubt jeder der seinigen, sagt Alexander Pope und charakterisiert damit unsere vorurteilsbehaftete Gesellschaft. Ich pflegte immer schon zu sagen, dass eines der Grundprobleme der Welt die Intoleranz ist. Man braucht nur in die Politik zu schauen: wenn ein politischer Gegner eine gute Idee hat, wird diese von der Regierung gleich einmal heruntergemacht, weil sie eben von einer oppositionellen Partei kommt. Nicht selten greift dann aber ein gewiefter Regierungschef so einen Einfall dann gern auf, verändert ihn leicht und verkauft das ganze dann als hausgemacht. Aber wo käme denn so einer hin, wenn er, was eigentlich logisch wäre, diese gute Idee gleich gutheißen würde um sie in Konsens mit der anderen Fraktion auszuarbeiten! Die andere politische Couleur ist ein perfekter Vorwand, alte Vorurteile auszugraben und statt zum Vorteil des Staates an einem Vorschlag gemeinschaftlich zu werken, wird die Rivalität gefördert um sich in der Öffentlichkeit zu profilieren. Solche Geschichten passieren laufend, in Österreich, in Deutschland überall in der ganzen Welt.
Vorurteile hat jeder Mensch, und sie sind durchwegs anerzogen. Kein Mensch wird mit Vorurteilen geboren, sie sind Ergebnis der Wirkung seines Umfeldes, seiner Freunde, seiner Familie. Auch diese Vorurteile sind dem Wandel der Zeit und der Wertvorstellungen der Menschen angepasst. Über Jahrhunderte war es Usus, über Juden zu schimpfen als die Mörder von Jesus Christus, als Geizhälse, als Kindsmörder, als Ursache allen Übels Schuld daran war vielfach der Neid auf die meist etwas wohlhabenderen Juden, die sich immer wieder als gute Händler oder auch Geldverleiher ihr Geld verdienten. Wie heißt es so schön Neid is was schiachs! Dementsprechend arteten dieser Neid und die daraus resultierenden Vorurteile in den furchtbaren Holocaust des 2. Weltkrieges aus…
Eine andere Gruppe, die auch in der Vergangenheit über einen längeren Zeitraum hinweg vorzugsweise als Hexen und Menschen, die mit dem Teufel im Bund sind, verschrien waren, sind die echten Rothaarigen, eine Spezies, der ich selber auch angehöre. Da hat aber in der Zwischenzeit entschieden ein Wertewandel stattgefunden, wenn man die von pink bis gulaschfarben in allen Nuancen gefärbten Schöpfe der (vornehmlich) Frauen und Mädel so in der Stadt begutachtet. In meiner Kindheit nämlich war Rot noch keine Trendfarbe, im Gegenteil: man musste sich schon manches anhören von ach so liebenswerten Schulkollegen. Mir machte das wenig aus, ich war immer stolz auf meine Haarfarbe, die mich mit dem Gefühl erfüllte, etwas Besonderes zu sein. Trotzdem sind mir noch etliche Episoden in Erinnerung, in der meine Geschwister (ebenfalls durchwegs rothaarig oder brünett) und ich uns mit den verschrobenen Auswüchsen dieser Vorurteile konfrontiert sahen.
Besonders deutlich erinnere ich mich an eine Geschichte im Schulbus, die vor mehr als 25 Jahren passiert ist. Beim Aussteigen drückte nämlich die Frau des Busfahrers, eine bekannte Erscheinung bei uns, meiner jüngeren, brünetten Schwester 5 Schilling in die Hand und meinte dazu: Weil wenigstens du keine roten Haare hast! Solch eine Stilblüte wäre wohl normalerweise ein Fall für eine Sitcom, wenn es nicht im Grunde genommen todtraurig ist, dass in unserer Gesellschaft tatsächlich noch solche Leute herumlaufen, die sich nichts dabei denken, solche Äußerungen auf kleine Kinder loszulassen. Wie schon angesprochen, Blondinen haben im 21. Jahrhundert sicher die schlechtere Nachred aber im Grunde ist das dasselbe Problem in Grün, wenn man vorzugsweise Frauen wegen ihrer Haarfarbe einen durchschnittlichen Intelligenzquotienten abspricht geschweige denn die Fähigkeit einen akademischen Titel zu erwerben zugesteht.
Woher kommen solche Vorurteile? Nun, bei den Rothaarigen ist es wohl immer dran gelegen, dass diese in der Bevölkerung sehr selten vorkommen auf der Welt dominieren die Dunkelhaarigen sowie die Blonden aller Schattierungen und wohlgemerkt echte Rothaarige kommen nicht oft vor. Selbst Irland, angeblich die Hochburg der Rothaarigen, hat in Wahrheit in der Bevölkerung auch keinen höheren Anteil an Rothaarigen als anderswo. Aber wo immer du zu einer Minderheit gehörst, bist du auch anders. Und das Schlimme auf der Welt ist, wenn du anders bist, wirst du blöd angeschaut und musst dich rechtfertigen, warum du anders bist. Und besonders intelligente Leute sprechen dann in krasseren Fällen gern von einem Kainsmal mit dem Gott die Schlechten zeichnet…
Johann Nestroy hat sich vor etwas 160 Jahren den Vorurteilen gegenüber den Rothaarigen angenommen. Mit der Figur des rotschedlerden Titus Feurfuchs schuf er auf seine unnachahmliche Art einen jungen Mann, dem mit Perücke plötzlich alle Wege offen stehen und dem auch die Frauenherzen zu Füßen liegen. Perfekt hat er damit die feine Wiener Gesellschaft des Biedermeier karikiert und auf die Schaufel genommen, eine Gesellschaft, die gut und gerne auch für die heutige steht. Die Menschen haben sich im Grunde nicht verändert, die Vorurteile sind dieselben geblieben. Nur die Zielgruppen, gegen die sie sich richten, haben sich verändert. Das hat Albert Einstein schon vor vielen Jahren erkannt: Es ist schwerer ein Vorurteil zu zertrümmern als ein Atom.
Dem ist nichts hinzuzufügen, meint
Vivienne
Link: Alle Beiträge von Vivienne