KRITISCH BETRACHTET
von Vivienne – August 2002
der 50. Beitrag (!) von Vivienne in der Bohnenzeitung
Tu felix Austria…
wenn der Amtsschimmel wieder einmal wiehert!
Österreich ist ein merkwürdiges Land. Nirgends ist man so titelgeil wie bei uns, wer lässt sich nicht gern als Hr. Dr., als Frau Amtsrat oder Herr Hofrat titulieren? Besonders die Damen, die am Standsamt promoviert haben, pochen gern auf die artgerechte Anrede wozu heiratet man sonst einen Akademiker? Reinhard Fendrich hat dieser Spezies mit seinen Feinen Damen ein würdiges Denkmal geschaffen und diese mit Ironie und Spott aufs Korn genommen. Wobei ich sagen muss: solche Auswüchse tun normalerweise niemandem weh! Allenfalls Friseurin oder Ober im Café sind da zu bedauern, da sie normalerweise die Neurosen dieser Damen ausbaden müssen. Aber alles in allem ist der Titelkult in unseren Landen zwar eine große, starke und sehr seltsame Pflanze mit merkwürdigen Auswüchsen und grotesken Blüten aber sicher nicht das Grundübel auf einer Insel der Seeligen, wie unser Land in den 70er Jahren genannt wurde.
Problematisch wird es dort, wo der Mensch auf der Strecke bleibt Weil nun mal in Österreich alles seine Ordnung haben muss und irgendwie in bestimmten Normen geregelt wird. Reichlich Futter für den Amtsschimmel, der prächtig gedeiht, auch wenn der k. und k. Beamtenstaat zumindest auf dem Papier nicht mehr existiert. Kürzlich wurde ich durch Zufall mit einer neuen Groteske um sinnentleerte Auflagen für Hochwasseropfer konfrontiert. Lassen Sie sich erzählen: Den meisten Leuten in Oberösterreich ist durch Schreiben der AK OÖ selbst und durch Mundpropaganda bekannt, dass die Arbeiterkammer OÖ die Hochwasseropfer durch eine einmalige finanzielle Direkthilfe oder einen zinslosen Kredit unterstützt. Eine an sich löbliche Maßnahme, weil vielen Betroffenen mit jedem Groschen, pardon, mit jedem Cent, schon sehr geholfen ist. Grundvoraussetzung für diese Hilfe sind aktive Mitgliedschaft in der Arbeiterkammer und eine Bemessung des Landes Oberösterreich, dass den Opfern Geld aus dem Katastrophenfonds des Landes Oberösterreich zusteht.
Ein Familienvater erzählte mir nun: Er sei gebürtiger Niederösterreicher, wohne auch mit Frau und Kindern im Grenzbereich zu Oberösterreich in einem Eigenheim, das arg unter dem Hochwasser in den letzten Wochen zu Schaden kam. Zur Arbeit fährt er aber seit Jahr und Tag nach Linz, ist deshalb auch Mitglied der AK Oberösterreich. Auch er erhielt deshalb die Information der AK OÖ, dass ihm die oben angeführten Unterstützungen unter Erfüllung der Richtlinien zukommen können. Allerdings hat er ein Problem, wie er sagt. Als Niederösterreicher könne er nie Geld aus dem Katastrophenfonds des Landes Oberösterreich beziehen, er erfüllt also eine der beiden Grundvoraussetzungen nicht. Natürlich gibt es auch von der AK Niederösterreich eine Unterstützung, aber nur für Mitglieder der Arbeiterkammer NÖ was durch den Job im benachbarten Bundesland aber auf ihn nicht zutrifft….
Mit Sicherheit kein Einzelfall weder im Grenzbereich der Bundesländer bzw. gibt es auch ähnlich gelagerte Fälle, wenn der Familienvater im nahen Ausland arbeitet. Verrückt, denke ich mir, weil es für mich absolut keinen Sinn macht, wenn da penibel zwischen Arbeiterkammer OÖ und Arbeiterkammer NÖ unterschieden wird Arbeiterkammer sollte doch in ganz Österreich dieselbe sein. Wozu diese Unterscheidungen? Mir scheint, da geht es doch nur um die verschiedenen Landes-, Bezirks- und Ortsorganisationen, wo sich jeder, der ein bissel was darstellen will im Titelland Österreich, engagiert. Ha, ich bin was! Und Menschen bleiben dabei auf der Strecke, weil man im Hochland der Bürokratie nicht unkompliziert und vor allem nicht ohne Amtsschimmel helfen kann – oder will: Wo kämen wir denn da hin ohne unsere Richtlinien! oder Das muss halt so sein, weil es immer so war!
Dazu kommt noch, dass auch Pensionisten wie ehemaligen Arbeitskollegen meines Vaters diese Unterstützung nicht zusteht, weil sie keine aktiven AK-Mitglieder mehr sind. Ist das nicht widersinnig? Diese Menschen haben zum Teil jahrzehntelang den Zwangsmitgliedsbeitrag für die Arbeiterkammer bezahlt und vielleicht nie wirklich die Hilfe der AK in Anspruch genommen. Jetzt als Rentner sind sie nicht mehr förderungswürdig… Das Hochwasser in den letzten Wochen war eines der schlimmsten seit es Aufzeichnungen gibt. Wie sehr Sie selber davon betroffen sind, weiß ich nicht, ich selber hatte großes Glück, habe aber in der nächsten Umgebung schlimmste Schäden mitbekommen und weiß nicht, ob ich, mit einer ähnlichen Katastrophe selber konfrontiert, damit mental so leicht klar kommen würde. Das menschliche Leid ist furchtbar und treibt einem die Tränen in die Augen, auch jetzt noch, wo das Wasser wieder zurückgegangen ist. Die Spuren der Überflutung sind noch überall präsent und es wird wahrscheinlich Jahre dauern, bis nicht nur die Natur wie Flüsse und Felder sondern auch Häuser und Gärten die ärgsten Schäden überstanden haben.
Eine Reihe von Häuslbauer, die jahrelang Kredite für das Eigenheim abbezahlt haben und noch abbezahlen, haben ihr Heim verloren und damit das, wofür sie gearbeitet haben. Ich selber sage gern, dass ein materieller Schaden nie so schlimm sein kann und sich ersetzen lässt im Gegensatz zum Verlust eines Menschen, aber wenn eine unerwartete Naturkatastrophe solche Ausmaße annimmt, bleiben mir doch die Worte im Halse stecken, weil sie zynisch klingen ohne es sein zu wollen… Gerade deshalb ist es nötig, dass bei Hilfestellungen nicht irgendwelche Richtlinien und Normen bemüht werden sondern dass rasch und unbürokratisch geholfen wird. Es kann doch nach so einem Leid für viele tausende Menschen in Österreich nicht möglich sein, dass Grenzfälle durch den Rost fallen, weil die Regeln wichtiger sind als der Mensch bzw. die Hilfestellung für ihn, meint
Vivienne
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