KRITISCH BETRACHTET
von Vivienne – September 2002
Gedanken zum Begriff „Alleinerzieherin“
Es gibt solche und solche…
Der Mensch kann ja so naiv sein. Es ist noch gar nicht so lange her, vier, fünf Jahre vielleicht, da hatte ich so meine ganz eigenen und biederen Vorstellungen zum Begriff Alleinerzieherin. Ich sah da meist eine Frau vor meinem geistigen Auge, Ende 30, Anfang 40. Sie arbeitete in einem Supermarkt, mit dem typischen Arbeitsmantel, 25 oder 30 Stunden in der Woche, um sich und ihre Kinder, meistens zwei oder drei, durchzubringen. Der Mann, der Vater, hatte sich aus dem Staub gemacht nach mehrjähriger Ehe und sie hatte, damit er wenigstens für die Kinder zahlt, auf Unterstützung für sich verzichtet. Jetzt saß sie Tag für Tag im Supermarkt und ärgerte sich mit den Kunden an der Kassa während die Kinder daheim und allein Hausaufgaben machten und spielten. Papa weit und breit nicht zu sehen….
Warum ich dieses Thema jetzt aufgreife? Vor ein paar Tagen prangte auf der Titelseite einer kleinformatigen Zeitung in dicken Lettern die Überschrift: Scheidung als Armutsfalle, nachdem das Fernsehwohnzimmer Willkommen Österreich kurz zuvor, am Mittwoch, dem Frauentag über dieses Thema recherchiert hatte. Wie mir scheint aber ein wenig eindimensional. Bevor Sie mir widersprechen, lassen Sie mich erläutern: Es gibt sie schon, diese Frauen, wie ich sie eingangs beschrieben habe. Ehrliche und arbeitsame Frauen, allein, denen nach der Scheidung nichts anderes übrig bleibt, als als Kassiererin zu arbeiten, Teilzeit, zu schlechten Bedingungen, zu mieser Bezahlung, um die Familie zu ernähren. Typische Alleinerzieherinnen, die das wohl der Kinder über das eigene stellen und die nicht lange darüber nachdenken, wie hoch oder besser gesagt, wie lachhaft niedrig einmal ihre Pension sein wird durch solche Jobs…
Es gibt aber noch einen anderen Typ der Alleinerzieherin und da gerät der Begriff eigentlich schon zum Schimpfwort, wenn ich das einmal ein bissel forsch formulieren darf. Kennen gelernt habe ich diesen Negativ-Typus in einem Frauenprojekt vor ein paar Jahren, in der Provinz. Da wimmelte es nämlich von Alleinerzieherinnen und ich möchte Ihnen ein paar Exemplare dieser interessanten Spezies gar nicht vorenthalten…
Da war die dreifache Mutter, zwei Söhne, eine Tochter, geschieden und – natürlich Alleinerzieherin, wie sie betonte. Wie ich aber erst im Lauf der Zeit erfuhr, lebte sie schon die längste Zeit wieder mit ihrem Ex beisammen, der sie auch des Öfteren mit den Kindern im Projekt besuchte. Die Differenzen, die zur Scheidung geführt hatten, waren schon eine geraume Weile beigelegt. Dass man nicht wieder heiratete, lag nur daran, dass das Projekt vom AMS gesponsert war und dieses dann das Gehalt des Gatten auf den Notstandshilfebezug der Kollegin aufgerechnet hätte. Diese finanzielle Schlechterstellung wollten die beiden aber vermeiden, weshalb der Mann der Einfachheit halber woanders gemeldet war. Leider machte ihnen ein böser Nachbar einen Strich durch die Rechnung. Er meldete der Gemeinde die traute Eintracht der Familie, wodurch auf Umwegen auch das AMS Wind von der Sache bekam, sich daraufhin bei der Alleinerzieherin meldete und Geld zurückforderte. Zugegeben, kein feiner Zug des Nachbarn, aber grundsätzlich auch ein typischer Fall von ss, selber schuld. Wäre die Alleinerzieherin ehrlich gewesen, wäre ihr der Ärger erspart geblieben.
Zweites Beispiel gefällig? Eine Trainerin des Kurses, ledig, Mutter einer 14jährigen Tochter titulierte sich in der Broschüre des Projektes großartig als Alleinerzieherin. Ungeachtet der Tatsache, dass sie einen Lebensgefährten hatte, der sich prächtig mit der Tochter dieser Frau verstand. Alleinerzieherin kann eben ein Zauberwörtchen sein, dass einer Frau Tür und Tor öffnet, vor allem aber den falschen. Ich bin Alleinerzieherin aus dem Mund einer Frau kann einer anderen induzieren: Du bist nichts! oder Wer bist du schon?, soll schlechtes Gewissen oder Schuldgefühle hervorrufen und kann auch fordern Ich habe recht! Denn ich bin ja eine Alleinerzieherin… Da gehts um Vorteile verschiedenster Art, etwa bei der Arbeitszeit. Ich kann keine Überstunden machen, ich will meine Kinder nicht allein lassen. Das geht nicht. Es geht aber sehr wohl, dass diese Alleinerzieherin ihre Kinder stundenlang allein lässt, wenn sie bei der Freundin sitzt oder sich eine Nacht mit ihrem Freund um die Ohren schlägt. Davor will sie sich ja nicht drücken…
Alleinerzieherin, was heißt das eigentlich? Im Grunde münzt jede Frau diese Bezeichnung auf sich, die geschieden ist und Kinder hat. Auch wenn es längst einen neuen Freund gibt und der Begriff ad absurdum geführt wird. Denn jede Mutter, die, geschieden oder ledig, einen Lebensgefährten hat, ist damit auch keine Alleinerzieherin mehr. Aber es ist ja so bequem, weil es Vorteile bringt. Warum den Freund beim AMS angeben, wenn ich mir dadurch Geld spare? Warum in der Arbeit erwähnen, dass der Freund ohnehin bei den Kindern ist, wenn ich dann keine Überstunden machen muss? Merke: Ich bin mehr wert, weil ich Alleinerzieherin bin! Ich bin ja so arm…
Eine ehemalige Chefin von mir, geschieden und Mutter zweier Kinder, führte diese verkehrte Philosophie zu einem negativen Höhepunkt. Geschädigt durch eine gescheiterte Ehe in der zum Schluss nur mehr die Fetzen geflogen waren, meinte sie, mir alles aufbürden zu können, denn sie war ja als Alleinerzieherin, durch ihre Mutterschaft, so viel mehr wert als ich, und diese eherne Doktrin versuchte sie mir bei jeder Gelegenheit einzutrichtern. (Mit dem Erfolg, dass dann zum Schluss die Fetzen zwischen uns flogen, weil ich mir das nicht mehr gefallen ließ!) Diese Philosophie ist einfach ein Trugschluss, denn frau oder auch mann (es gibt auch männliche Alleinerzieher, dass sei an dieser Stelle auch einmal erwähnt) ist kein besserer Mensch, wenn sie oder er (wirklich) allein die Kinder großzieht. Jeder trägt sein Binkerl. Auch Singles, auch Ehepaare, im Grunde alle Menschen, haben so ihre Troubles und brauchen manchmal Hilfe, Verständnis und Unterstützung von ihren Mitmenschen. Je nachdem.
Mir fällt halt auf, dass Frauen, die wirklich allein den Nachwuchs durchbringen, selten auf solche Rechte pochen, ganz im Gegenteil. Gerade die Frauen, die genau genommen gar keine Alleinerzieherinnen sind, versuchen, den Nymbus der Alleinerzieherin für sich zu nutzen, schmücken sich damit, gern und ausgiebig. Zum eigenen Vorteil. Verkehrte Welt! Eines sei noch einmal ganz klar gesagt: Eine Frau mit Kindern in einer fixen Lebensbeziehung ist keine Alleinerzieherin! Das wäre so als würde eine ledige Frau mit Freund sagen, sie wäre Single, meint
Vivienne
Link: Alle Beiträge von Vivienne