BEMERKENSWERTE FILME
von Vivienne – Oktober 2003
„Hope Floats“ – „Eine zweite Chance“
In einer Beziehung, egal wie lange sie dauert und wie glücklich sie ist, entsteht zwangsläufig mit der Zeit zwischen den Partnern ein Abhängigkeitsverhältnis, das weit über eine normale Zugehörigkeit hinausgeht. Der eine spürt die Sucht stärker, der andere vielleicht weniger, aber es führt immer zu dem bekannten wie gefürchteten Trennungsschmerz, der mann wie frau in irgendeiner Form befällt und in dem jeder Betroffene erst einmal lernen muss, das Ende der Liebe zu verarbeiten und sich nach einer längeren Abnabelung wieder für Neues zu öffnen.
Dieser Reifeprozess ist auch der Grundinhalt des Filmes Hope Floats mit Sandra Bullock in der Hauptrolle, ein Film, den ich Ihnen, liebe Leser, an dieser Stelle gerne vorstellen möchte. Mein Kollege Einstein hat in seiner Kolumne vor nun mehr schon einigen Wochen den oscar-prämierten Streifen Forrest Gump aus seinem Blickwinkel präsentiert, und schon damals kam mir die Idee, mich selber auch diesbezüglich an einem meiner Lieblingsfilme zu versuchen. Das meine Wahl schließlich nicht auf einen Film mit meinem absoluten Lieblingsschauspieler Kevin Kline fiel, ist dabei das sei nur am Rande bemerkt reiner Zufall. Bei Gelegenheit schließe ich nicht aus, weitere Filme aus meinem Fundus, den Lesern der Bohne vorzustellen.
Zurück zu Sandra Bullock und Hope Floats. Die beliebte Aktrice verkörpert darin eine junge Ehefrau und Mutter, Birdie, die ausgerechnet in einer Talkshow, in die sie vermeintlich wegen einer Typberatung eingeladen worden ist, erfahren muss, dass ihr Mann sie seit einem Jahr mit ihrer besten Freundin betrügt. Derartig vor den Kopf gestoßen, flüchtet Birdie mit ihrer Tochter Bernice vom kalten Norden zurück in ihre Heimatstadt im Süden, wo sie wie wir erfahren als junges Mädchen zur Miss Mais gewählt worden war. Regisseur Forest Whitaker spart in diesem Film nicht mit Ironie, auch wenn er immer wieder Raum für berührende Momente schafft.
Schon beim Empfang durch ihre Mutter, zu der das Verhältnis auch immer leicht gespannt war und ist, wird Birdie erneut mit der demütigenden Erfahrung in der Talkshow konfrontiert, die, wie sich zeigt, offenbar jeder in ihrer Geburtsstadt gesehen haben muss. Keine leichte Rückkehr also für Birdie, die sich in der Folge gehen lässt, im Selbstmitleid suhlt und ihre Tochter vernachlässigt. Dabei tut sich Bernice selber in der fremden Umgebung nicht leicht: außer einer Art Abschiedsbrief hat sie nichts von ihrem geliebten Vater, und sie vermisst ihn sehr, oder besser gesagt, das Wunschbild von ihm, dass sie sich geschaffen hat. Denn natürlich ist nur Mami schuld, dass Daddy sie beide nicht mehr lieb hat!
Nur schwer lässt sich Birdie aus ihrer Lethargie reißen, obwohl sich ihre Jugendliebe der erste Mann, der sie geküsst hat noch immer verehrt und sich vermehrt um sie bemüht. Sie beginnt in einem Fotogeschäft zu arbeiten, schafft es aber trotzdem nicht, vom Vergangenen loszulassen. Bei einem Tanzabend trifft Birdie ihren Verehrer wieder und die beiden verbringen die Nacht miteinander. Birdies Mutter würde ihre Tochter gerne wieder glücklich sehen und versucht die beiden miteinander zu verkuppeln, aber der gut gemeinte Versuch endet in einem Desaster: Birdie und ihr Jugendfreund trennen sich bei diesem Essen im Streit, Bernice lehnt den Jugendfreund ihrer Mutter völlig ab.
Die angespannte Situation kulminiert, als Birdies Mutter überraschend stirbt. Zum Begräbnis sagt sich auch Birdies Noch-Ehemann an, es kommt endlich zu einer Aussprache zwischen den beiden, die sehr emotional geführt wird. Dabei entpuppt er sich als rücksichtsloser, egoistischer Mensch, dem es nur um seine eigenen Bedürfnisse geht. In der Schlüsselszene des Filmes lässt er seine verzweifelte Tochter, die so gern mit ihrem geliebten Daddy mitfahren würde, einfach stehen: im Leben mit seiner neuen Frau ist kein Platz für sie.
Beide, Mutter und Tochter, schaffen es erst danach, sich vom Ehemann und Vater zu lösen und machen Frieden miteinander. Bernice begreift jetzt, dass der angebliche Abschiedsbrief ihres Vaters in Wirklichkeit von ihrer Mutter stammt um ihr den Trennungsschmerz zu lindern. Manchmal muss man alles verlieren, um alles zu gewinnen, lautet der Untertitel dieses Filmes. In diesem Sinne findet Birdie doch noch mit ihrem Jugendfreund für eine gemeinsame Zukunft zusammen, ihre Tochter lernt endlich den Stiefvater zu akzeptieren. Hope floats Hoffnung fließt…
Dieser ungewöhnliche Film von Forest Whitaker, der ohne spektakuläre Szenen auskommt, besticht für mich nicht nur durch die die detailgetreue Zeichnung der kleinbürgerlichen Charaktere wie einer genialen Karikatur auf die amerikanische Seele schlechthin (Stichwort Talkshow). Der Regisseur hat auch die Mutter-Tochter-Konflikte auf mehreren Ebenen sehr schön herausgearbeitet und vermittelt, unterstützt durch den einzigartigen Soundtrack, ein stimmiges Bild vom Süden der USA. Der Soundtrack, das sei an dieser Stelle noch erwähnt, ist ein wahrer Ohrenschmaus, der neben Songs der bekanntesten Country-Stars, angeführt von Garth Brooks, mit Kompositionen von Bryan Adams und den Rolling Stones auch Musik-Fans, die nicht unbedingt der Country-Szene zuzurechnen sind, einiges zu bieten hat.
Alles in allem ein Film, den ich mir immer wieder gern ansehe, weil er nicht oberflächlich nach gängigen Mustern gestrickt ist.
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