Neue Bohnen Zeitung


PHILOSOPHISCHES
von Vivienne  –  Oktober 2003



Was Glück wirklich heißt…

Glücklich zu sein, dass wünscht sich der Mensch seit Anbeginn der Zeiten, doch jeder hat so seine eigene Definition davon zurechtgezimmert.
Man weiß nie was Glück war, aber immer, was Glück gewesen ist…
Francoise Sagan hat in persönlicher Erfahrungen auf den Punkt gebracht, wie jeder seinem persönlichen Glück nachhascht und doch sooft den eigentlichen Augenblick versäumt, zu realisieren:
Das, jetzt und hier, ist Glück, ich bin so glücklich, ich könnte die Welt umarmen, mich überschlagen vor Glück…
Der Augenblick verfliegt, und dann ist es zu spät, zurück bleibt nur der Hauch, der blasse Eindruck, wie eine Schwarz-Weiß-Fotographie.
Manchmal, in speziellen Momenten, meint man das vergangene Glück noch einmal zu verspüren, wie es aufgeht in einem wie eine bunte Blume.
Und doch der Einruck trügt, es ist derselbe Champagner, ja, aber er ist schal geworden, die Spritzigkeit, die Leichtigkeit ist verschwunden.
Er perlt nicht mehr…

Ich selber habe auch lange Jahre einem falschen Bild des Glücks nachgejagt.
Glück, so glaubte ich, sei, wenn meine Träume wahr werden würden…
Welch kindlicher Glaube, in völliger Verkennung dessen, dass Gott uns zumindest manchmal nur strafen will, wenn er unsere (falschen?) Träume Wirklichkeit werden lässt.
Es hat mich kostbare Jahre und bittere Tränen gekostet herauszufinden, dass Glück vor allem auch bedeutet, das wirklich und bewusst zu schätzen, was man hat.
Freunde, die nicht nur ihren persönlichen Beziehungsmüll auf mir abladen sondern denen mein Wohl am Herzen liegt…
Eine Familie, die in schlechten Zeiten mit mir durch dick und dünn gegangen ist…
Ein neuer Job, der mir wieder Luft zum Atmen und Zeit zum Leben lässt…
Ein Spaziergang im Herbst an der Donau voll sanfter Wärme und würzigen Gerüchen…
Eine Hand, die nicht lang fragt und meine greift und hält, wenn ich mich nicht gut fühle…
Ein Schmetterling, der sich mitten im Sommer auf meine Schulter setzt und für einen Augenblick verharrt….
Es gibt so viel, wofür wir dankbar sein können, für die wir tiefes Glück empfinden sollten und dürfen.
Allein, wir – Sie, ich, (fast) alle – nehmen unsere schönen Errungenschaften des Lebens viel zu selbstverständlich.
Der Mensch jagt hektisch und atemlos dem Glück nach und merkt nicht, dass es sich die ganze Zeit neben ihm befindet.
Ja, er überholt es und nimmt es erst gar nicht wahr.
Sein Blick hat sich irgendwo im fernen Horizont verloren.
Er versucht einen Punkt ganz vorn wahrzunehmen, der sich in dunklen Farbtupfen verwischt….

Was lese ich da auf einem Kalenderblatt?
Glücklich ist, wer sich am Anblick einfacher Dinge erfreuen kann.
Ja, auch das ist sicher ein Teilaspekt des Glücks.
Glück kommt sicher nicht durch Millionen oder materielle Reichtümer allein, Glück heißt in diesem Fall vor allem, diese Dinge schätzen  lernen und damit umgehen können.
Auch mit den Schattenseiten, die sie mit sich bringen.
Damit will ich sagen:
Glücklich sein heißt auch, bereit dazu zu sein, „gereift“ dazu zu sein.
Wer immer unglücklich ist, hat sich in Wahrheit dem Glück verschlossen, ist nicht in der Lage, sich dem Glück zu öffnen.
Denn wenn das Glück vor verschlossenen Türen steht, dann kann es auch nicht von uns Besitz ergreifen.
Das ist genau so, als ob jemand im schönsten Sommer die Fenster verschlossen hält und die Vorhänge zuzieht, damit nicht auch nur der kleinste Sonnenstrahl ins Haus dringen kann.
Dieser Mensch kann noch so viel hadern, dass es bei ihm dunkel ist.
Bevor er den Vorhang nicht aufmacht, kann die Sonne auch nicht den Raum in hellstes Licht tauchen…

Sind wir nicht oft so wie dieser Mensch?

Vivienne

 

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