Neue Bohnen Zeitung


von Vivienne  –  Dezember 2004



Freitag, der 13., ist nichts dagegen…

„Bist du grantig?“ Ali lächelte mich an, und der ironische Unterton in seiner Stimme ärgerte mich noch mehr. Er hatte leicht reden! Mein „Mann“ – seit er mir den Antrag gemacht hatte, nannte ich ihn nur mehr so! – hatte mich Freitagabend vor vollendete Tatsachen gestellt und mir den Besuch seiner Eltern in unserer Wohnung für Sonntag angekündigt. „Sie kommen am Nachmittag. Du, Liebes, du machst doch ein paar Kekse zum Kaffee? Meine Mutter würde sich so freuen!“ Ich hatte Albert entgeistert angeblickt. Kekse? Seit ich von daheim ausgezogen war, hatte ich keine Kekse mehr gemacht, und jetzt sollte ich den heiligen Samstag, den ich gerne zum Faulenzen nutzte, zumindest den Vormittag, vor dem heißen Backrohr und mit Mürbteig verbringen?

Meine Antwort war also ein energisches Schnauben gewesen. Allerdings war meine Gegenwehr chancenlos geblieben. Was hätte ich auch sagen sollen, als Albert das Zauberwörtchen sprach: BITTE! Ich fügte mich also in mein Schicksal. Und als ich Samstagmorgen völlig müde aufstand, wusste ich schon, dass das nicht mein Tag sein würde. In der Nacht, so gegen vier Uhr früh, hatten mich Krämpfe im Unterleib befallen. Kein Grund zur Panik an sich, die „Unaussprechlichen“ kündigten sich nur an, aber jeder anderer Tag und jede andere Tageszeit wäre günstiger gewesen. Denn dummerweise hatten wir keine Schmerzmittel daheim – wann brauchte ich dann schon was? Und als Albert noch vor dem Frühstück in die nächste Apotheke lief, ob mir Aspirin zu besorgen, hatten mir die Schmerzen schon jeden Nerv gezogen.

Mir war speiübel, und als wir schließlich den Kaffee tranken, sehnte ich mich nur mehr nach meinem Bett. Diesen Wunschtraum konnte ich mir allerdings gleich aus dem Kopf schlagen. Ich musste heute Vormittag unbedingt zwei Sorten Mürbteig kneten, rasten lassen und dann Vanillekipferl formen und Kekserl ausstechen, füllen und in Schokoglasur tunken… Allein der Gedanke daran kostete mich alle Kraft, obwohl die Schmerzen eine halbe Stunde nach der Einnahme von zwei Aspirin doch deutlich merklich nachgelassen hatten. So gern hätte ich eine Stunde oder zwei gedöst, aber ich hatte ja die moralische Verpflichtung vor den Augen meiner künftigen Schwiegereltern zu punkten.

Albert fing meinen Blick auf. „Schatz, wenn ich dir helfen kann…?“ Ich wandte ihm die kalte Schulter zu und begann die Zutaten für die Vanillekipferl zu kneten. Ich drehte mich nicht um, wusste aber ganz genau, dass Albert hinter mir stand und mich beobachtete. Als wartete er nur auf ein Wort von mir! Du kannst lange warten! dachte ich verärgert. Zwanzig Minuten später bestreute ich den Kipferlteig mit Mehl, deckte ihn zu und stellte ihn in den Kühlschrank. Gut noch einmal so lang werkte ich am anderen Mürbteig, den ich drittelte: in ein Drittel arbeitete ich geriebene Haselnüsse ein, in eine anderes Kakaopulver, das letzte beließ ich wie es war.

Mindestens eine Stunde mussten die Teige jetzt rasten, aber auch jetzt keine Chance zum Niederlegen. So viel musste ich noch vorbereiten: Schokoglasur, den Vanillezucker für die Kipferl, Marmelade mit ein wenig Rum anrühren… Mir wurde schlecht, allein beim Gedanken daran. Und vor allem graute mir vor dem Kipferlteig. Mein ganzes Leben hatte ich nie schöne Kipferl formen können, sie sahen immer wie Hufeisen aus, hatten meine Geschwister behauptet. Ich hasste Vanillekipferl deswegen, aber Alberts Mama… Ja, ich wusste immer, was sich gehört. Als ich am frühen Nachmittag begann, die Kipferl zu formen, musste ich erkennen, dass ich noch immer kein Profi darin war. Ganz im Gegenteil.

Schweiß bildete sich auf meiner Stirn, floss mir in Strömen über das Gesicht. Ali hatte in der Zwischenzeit wortlos in der Wohnung zu putzen und zu staubsaugen begonnen. Ein feiner Zug an sich, dennoch konzentrierte sich mein ganzer Ärger auf ihn. Warum hatte er mir das nur eingebrockt? Zweimal fragte er mich, ob es mir gut ginge und ob ich etwas brauche. Zweimal hatte ich kalt mit „nein“ geantwortet. Ich brauchte ihn nicht! Als ich meine Hufeisen ins vorgeheizte Backrohr schob, wären mir beinahe die Tränen gekommen. Was würden nur Alberts Eltern dazu sagen? Ich setze mich einen Moment auf die Seite. Unendlich müde fühlte ich mich und der Kreislauf machte mir zu schaffen, was in meiner Verfassung ganz natürlich war. Ich schloss die Augen, einen kurzen Moment döste ich in einer wolkigen Landschaft, wohlig warm und ohne Vanillekipferl…

Rauchschwaden holten mich unsanft aus dem Land der Träume. Die Kipferl! Ich sprang auf, riss das Rohr ohne Topflappen auf und zog das Backblech ohne zu überlegen auf. Gott, war das heiß! Ich schrie auf, das Blech polterte zu Boden, mit den dunklen Hufeisen, will sagen Kipferl und begutachtet meinen Daumen, auf dem sich eine dicke Brandblase befand. Ich starrte auf die kleinen Hufeisen, dann ging ich wortlos zum Wasserhahn und ließ kaltes Wasser darüber fließen. Ich hatte Tränen in den Augen, ich wusste genau, ich würde das heute nicht schaffen. Nicht in dieser Verfassung. Schließlich drehte ich das Wasser wieder ab um mich dem Chaos auf dem Boden zu widmen.

Albert stand ein paar Schritte hinter mir. Er sah mich betroffen an, ich hatte ihn gar nicht kommen gehört. Ich sagte kein Wort und begann die Kipferl einzusammeln. Plötzlich kniete Albert neben mir. „Wir können sie ja als Glücksbringer aufheben…“ Ich warf ihm einen scharfen Blick zu, aber Albert nahm mich einfach in den Arm. „Es tut mir leid, ich wollte dich nicht quälen…“ Schließlich machten wir beide sauber und beide fuhren wir danach in die Innenstadt, kauften ein paar Keksmischungen bei einer Bäckerei und setzten uns dann in eine Konditorei, auf Kaffee und Kuchen. „Glücksbringer.“ Unvermittelt fiel mir Alberts Bemerkung wieder ein. „Was hast du dir dabei gedacht?“ Albert grinste unverschämt und zuckte die Achseln. „Recyclebar waren die jedenfalls nicht mehr!“

Vivienne

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