Neue Bohnen Zeitung


von Vivienne  –  Juli 2004



Ein Nachmittag am Feiertag

Muße gehört zu den schönsten Dingen des Lebens. Sich ausspannen können, mal den Herrgott einen guten Mann sein lassen – das muss man auch erst können. Nicht jeder verfügt in einer Welt der Hektik und der ständigen Bewegung über die nötige Sensibilität, sich einmal ein paar Stunden hinsetzen zu können um nichts zu tun. Gar nichts, außer ein wenig zu reden oder zu träumen – und genau das hatten meine Busenfreundin Vicky und ich an einem Sonntagnachmittag Ende Mai vor. Beide männerlos – Bert machte einen Ausflug mit ein paar Freunden, Ali wollte das Auto waschen und dann noch ein paar Stunden schlafen – saßen wir in einem Vorort bei Linz im Gastgarten einer Café-Konditorei, das heißt genau genommen hatten wir gerade erst Platz genommen.

Ich streckte nach dem langen Spaziergang durch den Ort und einer Besichtigung der Kirche sehr undamenhaft meine Beine von mir und lächelte Vicky an. Die stellte ihre Handtasche auf den freien Sessel und angelte sich die Eiskarte vom Nebentisch. „Sag, Vivi, was hältst du von einem Eiscafé?“ „Klingt gut!“ schnurrte ich wie ein Kätzchen in der Sonne und schloss die Augen. Trotzdem riskierte ich nach ein paar Momenten in der strahlenden Sonne auch einen Blick in das Angebot. Herrlich! Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Eine „heiße Liebe“ fehlte ebenso wenig wie der obligate Bananensplitt und jede Menge verschiedener Fruchteisbecher mit leckersten Früchten und Spitzeneis und – das nonplusultra – die Portion Schlag.

Ich schluckte entschieden und musterte die Fotos. Schließlich entschied ich mich für einen Traum von Eisbecher mit Mango und Likör, Vanille- und Zitroneneis und viel Schlagobers. Viktoria blieb eisern beim Eiskaffee. „Ich lass dich sicher nicht kosten!“ drehte ich meiner Freundin eine Nase und schloss die Eiskarte wieder. Da in der Sonne ließ es sich aushalten, ich streckte mich und griff in meine Tasche um Zigaretten und Feuerzeug herauszuholen. Vicky begann von ihrem Hochzeitskleid zu erzählen, das ein Traum in Creme sein musste. Ich horchte bei den Superlativen nur mehr halb hin. Stattdessen sah ich mich ein wenig um. Der Gastgarten war voll besetzt und dazwischen eine blonde, mittelgroße Person im dunklen Rock, die ständig an unserem Tisch vorbeilief und im Getümmel der Eisfreunde etwas überfordert schien.

Endlich blieb sie, nach einer halben Ewigkeit auch bei uns stehen. „Darf ich die Karte bringen?“ Die von mir als Endvierzigerin geschätzte keuchte und versuchte trotzdem zu lächeln, was ihr nicht ganz gelang. „Wir haben schon gewählt!“ unterbrach Vicky. „Einen Eiscafé für mich und für meine Freundin – wie hieß der Eisbecher noch“ „Coupe Tropic mit Mango!“ ergänzte ich. „Und bitte ein Glas Wasser dazu.“ „Die Servierkraft notierte und eilte hektisch in die Gasstube zurück. Offenbar war sie die einzige heute, und da der Andrang größer als erwartet war, hatte sie über alle Maßen zu tun. Ich blickte automatisch auf die Uhr. Wir hatten alle Zeit der Welt, und mir war es egal, wie lange die Serviererin brauchte, aber andere Leute sahen das nicht so locker wie wir.

Am Nebentisch ließ ein Ehepaar eine ungehaltene Äußerung vom Stapel – die Herrschaften hatten es anscheinend eiliger als wir. Als ihnen fünf Minuten später die blonde Servierkraft eine „Heiße Liebe“ servierte, brach Chaos an diesem Tisch aus. Die Dame hatte nämlich einen Fruchteisbecher mit Kiwi, Likör, Eis und viel Schlag bestellt. Die Serviererin eilte mit lauten Entschuldigungsworten in die Konditorei zurück, die junge Frau war ihr mit der „Heißen Liebe“ fast auf den Fersen. Denn diese sollte ja kein Opfer der heißen Sonne werden bis der Kiwi-Coupe endlich folgen würde. Die Situation war grotesk, wie aus einem schlechten Film, aber zwei Minuten später hatte die Frau ihren Becher in der Hand als sie aus der Gaststube herauskam. Und sie grinste zufrieden…

Wieder blickte ich unauffällig auf die Uhr. Einmal bewegte sich die Serviererin an unserem Tisch vorbei und fragte mechanischen: „Sie kriegen zwei Eiscafé, nicht wahr? Kommt gleich!“ „Halt!“ unterbrach ich sie, denn ich bekam nun selber die Panik, etwas Falsches vorgesetzt zu bekommen. „Hören Sie, ich bekomme Coupe Tropic mit Mango! Nur einmal Eiscafé!“ Die Serviererin berichtigte sich. „Kommt sofort!“ Ich blickte Vicky in komischer Verzweiflung an, die nur die Achseln zuckte. Mittlerweile warteten wir alles in allem über eine halbe Stunde auf unsere Bestellung. Das sollte nun doch nicht sein. 

Fünf Minuten später kam die Serviererin schon mit dem Eiscafé und meinem Eisbecher. Ich atmete zufrieden tief ein und schob alle Zurückhaltung hinter mich. Vicky lachte halb versteckt, währen sie mir zusah, wie ich den köstlichen Eisbecher „vernichtete“… – so hätte es vermutlich Ali formuliert. Lautes Klirren riss mich aus dem Genuss – beim Abservieren am Nebentisch hatte sich die Servierkraft übernommen und ein Glas war klirrend zu Boden gefallen – Scherben bringen Glück! Vicky blickte mir verschmitzt lächelnd in die Augen und wir bemühten uns, nicht loszuprusten. Die arme Frau hatte einfach einen schlechten Tag, und keiner von uns wäre gern an ihrer Stelle gewesen.

Das Eis war wirklich gut, daran gab es keinen Zweifel. Darum sahen wir über die lange Wartezeit hinweg, ebenso auch darüber, dass wir dreimal nach der Serviererin schreien mussten, bis sie realisierte, dass wir zahlen wollten. In der Zwischenzeit bekam ich eine SMS von Albert: Ich schlafe und du J ? Typisch Ali! Dann standen wir nach mehr als einer Stunde auf und sahen uns noch einmal um. Ein wunderbarer Platz, ein wunderbarer Frühsommertag. Ich blickte mitfühlend der Serviererin nach, für die der Arbeitstag noch lange nicht vorbei war und die noch immer wie eine Gehetzte zwischen den Tischen wechselte. Diese Frau konnte den herrlichen Tag nicht wie wir genießen, umso mehr sollten wir selber dankbar sein für ein paar beschauliche Stunden, die nicht für jedermann selbstverständlich waren.

 Vivienne

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