von Vivienne – Juni 2004
Da soll sich einer auskennen!
Ford Escord, Baujahr 90, grün metallic, umständehalber günstig abzugeben, gut erhalten, Pickerl bis Jänner 2005, Preis nach Vereinbarung. Ich las mir die Annonce durch, einmal, zweimal. Das passte garantiert, Alberts Eltern würden sicher auch damit zufrieden sein. Mein Freund hatte mich gebeten, den Verkauf des PKWs seiner Eltern in die Hand zu nehmen, da er eine gute Woche beruflich in Amstetten zu tun hatte, und ich war auf eine Annonce im Kleinanzeiger Korrekt verfallen. Den bekam man im ganzen Linzer Zentralraum gratis an einen Haushalt, und es sollte mich wundern, wenn da nicht der passende Käufer dabei wäre
Freitag, ab 14:00 Uhr, und Wochenende, ab 12:00 Uhr. ergänzte ich schließlich noch und legte den Kupon mit der Anzeige in einen Umschlag. Den Brief warf ich vor Arbeitsbeginn noch frankiert in den nächsten Postkasten. Normalerweise müsste ich dann in ein paar Tagen die ersten telefonischen Anfragen erhalten. So war es dann auch. Der Andrang hielt sich zwar wegen des Alters des Fahrzeuges wie erwartet in Grenzen, aber ein Favorit kristallisierte sich sehr schnell heraus. Ein gewisser Hubert Meyer aus Linz-Leonding, der ein Zweitauto suchte, für seine Frau, wie er betonte.
Ich vereinbarte in Absprache mit Alberts Vater, der ja daheim sein musste, einen Besichtigungstermin für den Interessenten. Alberts Vater rief mich dann am frühen Nachmittag in der Arbeit an. Du, ich denke, der Wagen gefällt ihm, ist ja auch noch gut in Schuss. Er sagt dir dieser Woche noch Bescheid, weil er noch mit seiner Frau reden muss. Das Auto ist ja für sie. Toll, das dass so gut geklappt hatte! freute ich mich. Im Grunde hatte ich wenig Ahnung von Autos, und ich war froh, dass der Verkauf des PKW so reibungslos lief. Albert hatte anscheinend recht gehabt, als er meine Bedenken zu Beginn abgewehrt hatte: Viv, so ein Auto verkauft sich von selbst!
Am übernächsten Abend meldete sich Hubert Meyer. Wir einigten uns grundsätzlich mit dem Preis, aber Meyer wollte sich noch nicht so recht festlegen. ich diskutiere noch mit meiner Frau. Rufen Sie mich übermorgen, am Montag an, dann machen wir die Angelegenheit fix. Okay? Montag würde Albert wieder im Lande sein, er würde sich sicher freuen, wenn der Verkauf dann schon über die Bühne gegangen war. Einverstanden, ich melde mich am frühen Nachmittag, Ihre Handynummer hab ich ja. Montag gegen 14:00 Uhr versuchte ich mich wie abgemacht mit Meyer in Verbindung zu setzen.
Allerdings kam nur die Mailbox, und das sowohl zwei Stunden später als auch am frühen Abend, als ich es wieder probierte. Mittlerweile hatte ich ein etwas komisches Gefühl. Wollte mich Hubert Meyer etwa veralbern? Albert beruhigte mich. Wer weiß, vielleicht hat er das Handy daheim vergessen, oder der Akku ist leer. Die einfachsten Erklärungen sind auch immer die zutreffendsten. Möglicherweise hatte Ali ja Recht, ich durfte nicht immer nur von mir ausgehen, die ich mich in solchen Angelegenheiten fast überkorrekt verhielt. Ich schob mein Misstrauen also beiseite und nahm mir vor, morgen um dieselbe Zeit noch einmal mein Glück zu versuchen.
Tatsächlich hob Meyer am folgenden Nachmittag ab. Fein, dass ich Sie erreiche, Herr Meyer , begann ich fast überschwänglich. Gestern hab ich Sie ja leider nicht mehr erwischt. Wir wollten den Kauf des grünen Fords sozusagen unter Dach und Fach bringen.. Jetzt passen Sie mal auf! fiel mir Meyer aggressiv ins Wort. Es ist eine Frechheit, wie Sie mich dauernd anrufen und belästigen. Was denken Sie sich eigentlich dabei? Im ersten Moment war ich perplex, weil ich mit dieser Reaktion wirklich nicht gerechnet hatte. Aber dann begriff ich, dass da in den letzten Tagen irgendetwas Unerwartetes passiert sein musste und mir Meyer gezielt den schwarzen Peter dafür zuschieben wollte.
Moment mal! reagierte ich also meinerseits resolut. wir haben Freitag fest ausgemacht, dass ich Sie anrufe, weil Sie das Auto kaufen wollen Das ist mir trotzdem zu viel, was Sie mich da dauernd anrufen! verdrehte mir Meyer das Wort im Mund und legte auf. Kopfschüttelnd legte ich das Handy hin. Na so einer! Streit mit der Frau, oder sie ist ihm davongelaufen Oder er hat das Geld fürs Auto von der Bank nicht gekriegt! Möglichkeiten gab es wohl einige, die Meyers abstruses Verhalten erklären konnten, aber das spielte keine Rolle. Er würde das Auto bestimmt nicht kaufen, trotz aller Bemühungen unsererseits und ich sollte mir etwas überlegen, wie ich nun vorgehen sollte. Ja, musste, denn ein weiteres Inserat im Korrekt wäre wohl unsinnig gewesen.
Zwei oder drei Nummern von Interessenten für den PKW hatte ich glücklicherweise noch gespeichert. Eine Stunde später vereinbarte ich mit Alberts Vater, der im ersten Augenblick auch ziemlich verdattert auf die geänderten Umstände reagierte, einen neuerlichen Termin mit jemandem, der für den Ford Interesse zeigte. Ende der Woche klappte es dann tatsächlich im zweiten Anlauf, wenn auch für etwas weniger Geld, als ich ursprünglich mit Meyer ausgemacht hatte, aber das war völlig bedeutungslos. Es zählt nur das, was man wirklich kriegt!
Albert hatte die überraschende Wendung ebenso wie sein Vater zunächst fast nicht glauben können. Aber er gab mir schließlich bezüglich meiner Überlegungen der möglichen Gründe Recht, wobei für ihn finanzielle Erwägungen die realistischere Variante darstellten. Es gibt einfach Leute, die können nicht gerade heraus sagen: Es geht doch nicht, aus den und den Gründen. Seine schmalen Finder trippelten sanft auf den Tisch. Es ist ja so viel einfacher so zu tun, man wäre gedrängt worden und schiebt die Problematik einfach von sich, weicht der Konfrontation kurzer Hand aus, verzieht sich ins Schneckenhaus. Und dieser Meyer ist einer dieser Feiglinge
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