Neue Bohnen Zeitung


von Vivienne  –  November 2004



Aus Spaß am Leid

Vielleicht erinnern Sie sich noch, liebe Leser: mein Freund Albert und ich kennen uns schon sehr viel länger, als wir beisammen sind. Wir haben geraume Zeit in derselben Firma gearbeitet, ohne dass es gefunkt hätte zwischen uns – oder besser gesagt von meiner Seite aus. Uns beide hatte eine schöne Freundschaft verbunden, aber nicht mehr. Wie es halt so oft ist, Zeit und Ort hatten nicht gepasst und erst fast vier Jahre nachdem ich die Firma verlassen hatte, waren die Zeichen zwischen Ali und mir tatsächlich auf Liebe und Beziehung gestellt. Wie es so schön heißt: Alles entfaltet sich zum richtigen Zeitpunkt…

In der Firma Alberts war die Fluktuation immer relativ hoch gewesen, schon zu meiner Zeit hatte oft ein reges Kommen und Gehen geherrscht und zusätzlich ließ der Klapperstorch nicht zu, dass wirklich Ruhe unter dem Personal im Betrieb einkehrte. Es kam immer wieder vor, dass Ali und ich beim Einkaufen oder beim Fortgehen alte Kollegen trafen, die längst woanders arbeiteten oder sich beruflich überhaupt total verändert hatten. Als ich neulich etwas früher in der Arbeit Schluss machte, überwältigte mich der Gusto auf eine Schale Häferlkaffee und trieb mich in ein Café auf der Linzer Landstraße. Der Anblick der leckeren Tortenstücke ließ mein Gewicht vermeintlich pfeilgrade nach oben schießen, trotzdem zögerte ich, als ich vor der Vitrine stand. Schwarzwälderkirsch? Malakoff? Kardinalschnitten? Oder gar die leckeren Fruchtschnitten mit viel Schlagobers?

Ich schluckte wie besessen. Mit einem Mal hatte ich ein merkwürdiges Gefühl, ich empfand mich beobachtet. Im Reflex drehte ich mich zur Seite. Richtig. Wenige Meter vor mir saß eine dunkelhaarige Schönheit mit leicht blauen Ringen unter den Augen. Sie schien einige Jahre jünger als ich zu sein und als sie bemerkte, dass ich sie prüfend musterte, wandte sie sich rasch wieder ihrem Begleiter zu, einem großen, ungeschlachten Kerl, der derb und groß wirkte und vor allem schon nach wenigen Momenten Blickkontakt meinen Eindruck vertiefte, dass er  Alkohol absolut nicht abgeneigt war. Wie zur Bestätigung hatte er ein Viertel Weißen vor sich stehen.

Die Frau hatte mich also erkannt, das war offensichtlich, und ich war mir sicher, sie ebenfalls zu kennen Aber ich musste eine Weile überlegen und hätte daher die Frage der Kassiererin ob ich ein Stück Kuchen wolle, beinahe überhört. Spontan blieb ich dann doch beim Häferlkaffee und setze mich etwas abseits im Café nieder. Ein Platz, der aber nicht willkürlich von mir gewählt worden war: ich hatte gute Sicht auf das merkwürdige Paar. Und schließlich fiel mir auch ein, woher ich die Frau, die um die Dreißig war, kannte: sie hatte einmal bei uns gearbeitet. Bei uns, das hieß mit Ali und mir, vor 7, 8 Jahren wohl, in besagter Großhandelsfirma. Ich musste Schmunzeln. Nicole Dahlinger – dieses Miststück…  

Die Erinnerung war schnell wieder da und ich bin in so einer Situation immer wieder fasziniert, wie minutiös mein Gedächtnis arbeitet. Auf mich wirkte das immer so, als würde ich für einige Augenblicke in diese Zeit zurückkehren, so intensiv ist der Kontakt mit der Vergangenheit. Nicole oder Nici hatte damals als Hilfskraft in der Buchhaltung gearbeitet, aber mehr aus Good Will des Chefs als aus einem reellen Bedarf an Unterstützung unserer Buchhaltung. Offenbar hatte Bekannte ihn gedrängt, ihre Tochter anzustellen, bis sie eine bessere Arbeit gefunden hätte. Relativ schnell hatte sich ein Lagerarbeiter, Mandi, in die Schönheit, die sie ohne Zweifel war, verschaut, und das sehr ernsthaft.

Ich musterte interessiert die Nicole von heute. Die blauen Ringe unter den Augen konnte ich jetzt deutlich erkennen und sie blickte traurig, um nicht zu sagen ängstlich um sich. Hübsch war sie noch immer, aber irgendwie wirkte sie verhärmt auf mich. Und der Grund dafür dürfte wohl auch in dem groben Typ neben ihr zu finden sein, der mit einem großen Schluck sein Weinglas leerte und ein weiteres orderte. Seine Hand lag nun auf der von Nicole, die sehr gepresst dazu lächelte aber aussah, als wollte sie sofort davonlaufen. Außerdem war es ihr sichtlich peinlich, von mir mit ihm gesehen worden zu sein. So ändern sich die Zeiten! Ich dachte an Mandi Baumgartner, den Kollegen vom Lager. Er hätte sie wohl auf Händen getragen, das hatte er seinerzeit immer wieder betont. Aber Nici hatte ihn verachtet. Zwar nicht offen, aber hinter seinem Rücken hatte sie sich lautstark über ihn lustig gemacht. Nur wenige wussten nicht – zu denen gehörte Mandi – dass sie mit einem Fahrer der Firma verbandelt war.

Wie tief, das wusste selbst Albert nicht, der mir damals davon erzählt hatte. Aber ganz genau wusste er, dass jener Fahrer und Nici sich zusammengetan hatten um sich über Mandi lustig zu machen. Nici machte Mandi immer wieder so halb und halb schöne Augen, und der Fahrer andererseits beriet den naiven Kollegen, scheinbar halt, was er genau tun müsse um Nici zu erobern. Was für ein „Heidenspaߓ – vermeintlich. Ein grausamer Scherz auf Kosten des bedauernswerten Mandi, der immer wieder Hoffnung schöpfte, die schöne Kollegin doch für sich gewinnen zu können. Dieser bösartige Streich zog sich über Wochen, bis jemand Mandi die Augen öffnete. Eine harte Entscheidung gewiss, aber notwendig. Ich verstand Kollegin Mary gut, die diesen schwierigen Part damals übernommen hatte.

Das Ende vom Lied war, dass Mandi und der Kollege in Streit gerieten, einen Streit, der in eine Schlägerei ausartete. Um ein Haar hätten beide ihren Job verloren, und Mandi ging nach einer Weile von selbst. Wie sagt man? Sein Herz war gebrochen, das klingt sehr schnulzig, aber ich denke, es war furchtbar für ihn, so gedemütigt worden zu sein. Nur hätte er Nici die Prügel genauso verpassen sollen… Ich beobachtete den derben Freund meiner Ex-Kollegin wie er sie an sich zog und wie unglücklich Nici dabei wirkte. Keine Ahnung, was da falsch gelaufen war im Leben der einstigen stolzen Schönheit. Man konnte wohl nur rätseln. Damals war sie in der Position gewesen, ihren rührenden Verehrer zu verlachen aber heute wäre sie vielleicht sehr glücklich, Mandi statt dieses Kerls an ihrer Seite zu haben…

Alles im Leben kommt zurück!

Vivienne

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