DIE BUNTE WELT VON VIVIENNE
von Vivienne – Oktober 2003
Die Technik und ihre Tücken
Fast jede/r hat heute einen PC daheim stehen, sei es im Schlafzimmer oder neben dem TV-Gerät, und wer im beginnenden 21. Jahrhundert nicht schon nach Lust und Laune im WWW surfen kann, wird ohnedies nur mehr mitleidig angesehen. Leider ist das Wissen der User um die diffizile Materie, die Technik, wie man sagt, nicht im selben Ausmaß mit der Verbreitung mitgewachsen. Die Hotlines der jeweiligen Provider werden mit einer Häufigkeit frequentiert, dass alle, die Ewigkeiten am Handy hängen um sich Rat und Unterstützung bei Schwierigkeiten verschaffen zu können, leicht mal die Nerven verlieren oder sich sonst wie Luft verschaffen. Dabei sind es nicht immer die größten Fachleute, von denen sich Betroffene Hilfe erhoffen, wenn mann oder frau nicht ins Internet kann oder das Outlook nicht funktioniert. Glauben Sie mir, die meisten kochen auch nur mit Wasser…
Es ist vielleicht ein paar Wochen her, das Wetter hatte noch einen Hauch von Spätsommer an sich und keine Rede von Regen, als Albert und ich uns an einem Samstag morgen ungewöhnlich spät aus den Federn quälten. Wir hatten uns am Vorabend einen Film im Cityplexx angesehen und danach noch ein paar Lokale in der Altstadt frequentiert. Beim Frühstück war ich ungewöhnlich schweigsam, weil mir noch immer der Schlaf aus den Augen hing, und als Ali merkte, dass man mit mir noch nichts anfangen konnte, zuckte er die Achseln und meinte leichthin: Liebes, ich werde jetzt auf die Tankstelle fahren, tanken, und das rechte Rücklicht anschauen lassen. Er lächelte mich ein wenig boshaft an. Bis dahin wirst du sicher wieder wissen, wie du heißt. Ich griff nach dem Sofakissen und warf es ihm nach, während Ali sich gerade noch durch die Tür flüchten konnte. Tschau, bis später! hörte ich ihn, als die Tür ins Schloss fiel.
Gott, war ich müde, aber ich war wirklich nicht mehr die Jüngste… oder einfach solche nächtliche Eskapaden nicht mehr gewohnt. Das hat man, oder besser gesagt, frau, nun davon, dass sie sich eine jüngeren Freund angeschafft hat. Die zweite Tasse Kaffe und ein Kipferl mit Marmelade brachten nun doch ein wenig Wachheit in mein Bewusstsein. Ich setzte mich im Pyjama an den PC und rief meine Emails ab. Alles in allem nicht viel, am Wochenende tut sich selten was in meinem Posteingang. Ich las ein paar Zeilen von Vicky, während ich die Verbindung zum Netz wieder trennte: entgegen allen Bemühungen von Albert hatte ich mir keine Standleitung angeschafft und wollte das auch so belassen, bis wir zwei Gott allein weiß wann eine gemeinsame Wohnung beziehen würden und dann würde ich mich Alberts Standpunkt wohl oder übel beugen müssen. Bis dahin aber wollte ich meinem Anbieter treu bleiben.
Um meine Antwort zu verschicken, wählte ich mich wieder ein, aber ich konnte weder versenden noch empfangen. Teufel aber auch! Ich probierte es mehrfach hintereinander, aber es klappte nicht. Dabei bestand überhaupt kein Problem, im Internet meine Seiten oder auch andere Homepages abzurufen. Das gabs doch nicht, war das Modem kaputt? Nein, da würde ich auch nicht ins Internet kommen. Fieberhaft kramte ich den Ordner mit meinen Unterlagen und meiner Kundennummer beim Provider hervor und begann die angegeben Hotline zu wählen. Jede Menge Angebote, untermalt von einer gräulichen Melodie, nervten mich in einer Endlosschleife. Zwischendurch versuchte ich immer wieder, die Email an Vicky zu versenden, als ich Albert an der Tür hörte. Viv, rate mal, was ich mitgenommen habe! Der Geruch von frischer Thunfischpizza erfüllte das Wohnzimmer. Drei mal darfst du raten…! Aber in diesem Moment versandte mein PC plötzlich wieder problemlos die Mail, und gleichzeitig kam einer meiner Newsletter von Bayern 3 herein. Das Problem hatte sich von selbst gelöst. Ich legte mechanisch auf.
Albert stand mit zwei Kartons vom Pizzamann hinter mir und blickte mich erstaunt an. Du bist noch immer nicht angezogen? Das wurde mir in diesem Moment auch bewusst. Ich grinste leicht verlegen. Sorry, ich wollte eigentlich nur eine Email versenden… Kurz erzählte ich ihm die Geschichte. Ali schüttelte den Kopf. Du rufst eine Hotline an, weil der Mailserver deines Providers eine halbe Stunde überlastet ist? Das wusste ich nicht, du belehrst mich jetzt darüber! Natürlich, Albert, das EDV-Genie, hatte stets den Überblick. Na, sei nicht so leicht angerührt. Albert stellte die Pizzas auf den Tisch und formte eine Strähne in meinem Haar zu Antennen. Hast du Appetit auf Pizza? Komm, schau nicht so sauer und zieh dir endlich was anderes an als diesen Bärchen-Pyjama. Und dann essen wir, ja? Ein Kuss, und ich folgte artig. Zehn Minuten später verspeisten wir Pizza und Albert erläuterte mir, dass es schon mal vorkommen kann, dass ein Mailserver überlastet ist, gerade am Wochenende. Kein Grund, einen Techniker zu bemühen. Und dann widmeten wir uns den erfreulichen Dingen des Lebens…
Wenige Tage später rief mich Albert von der Arbeit aus an. Viv, könntest du mir einen Gefallen tun? Ich war ganz Ohr, und vor allem ein wenig misstrauisch, weil ich mit allem Möglichen rechnete. Albert bat mich, wie ich aus Erfahrung wusste, ab und zu um kleine Gefälligkeiten, die sich dann auswuchsen… Doch diesmal handelte es wirklich nur um eine Bagatelle. Der Cousin meiner Mutter, aus dem Zillertal, hat heute Geburtstag. Meine Mutter, du kennst sie ja, hat vergessen ihm zu schreiben, und er ist so schnell beleidigt. Du weißt ja, von der Arbeit geht das bei mir nicht, und heute Abend muss ich mit dem Chef auch noch auf ein großes Geschäftsessen, wer weiß wie lang das dauert… Könntest du ihm im Namen meiner Familie ein paar Grüße schicken? Meiner Mutter wäre das sehr wichtig… Aber natürlich konnte ich, was tut man nicht alles für die Liebe. Albert smste mir kurz darauf die Emailadresse des Verwandten, die er nicht bei der Hand gehabt hatte: kurtl1957@zillertal.at.
Ohne mir einen Stress zu machen, setzte ich mich am Abend zum PC, entwarf eine einfache Grußkarte mit Wünschen von Alberts Familie und wollte die Email ganz normal versenden. Aber das Modem werkte wie verrückte, das Norton Antivirusprogramm, das mir ein Freund liebenswürdigerweise auf CD gebrannt überlassen hatte, startete nicht um die Email zu versenden. Ich versuchte es zwei Mal, ich probierte es fünf Mal, unmöglich. Mir lief der Schweiß über die Stirn. Die Parallelen zum Samstag zuvor stachen mir signifikant ins Auge, vor allem auch, weil das Internet klaglos funktionierte. Gut, dachte ich mir, vielleicht ist nur der Mailserver überlastet. Ich probierte es also in einer halben Stunde wieder. Dasselbe Bild, nur dass eine Email meiner Schwester hereinkam. Verflixt, das hieß, ich konnte ausschließlich nicht versenden. Ausgerechnet heute! Eine Minute rang ich mit mir, ich hörte Alberts Stimme wie er sagte: Das ist nur der Mailserver, der ist überlastet. Da braucht man keinen Techniker. Dann zog ich wieder den Ordner aus dem Regal und wählte die Hotline…
Sensationell bekam ich diesmal sehr schnell einen Mitarbeiter ans Telefon, doch nachdem ich ihm die Kundennummer gegeben hatte, bedauerte er: Ich kann bei Ihnen kein Problem sehen, ich gebe Ihnen die Nummer eines unserer Technikers. Aber:.., wagte ich verzagt einzuwerfen. Können Sie mir nicht helfen? Bedaure…, würgte der junge Mann ab. Ewig hing ich dann bei der zweiten Hotline zum Ortstarif in einer Endlosschleife. Der Mitarbeiter hatte übrigens von fünf Minuten gesprochen, die ich vielleicht warten würde müssen. Aber erst nach über einer Viertelstunde hob ein anderer jungen Mann ab: Was kann ich für Sie tun? Ich schilderte mein Anliegen, mit einer Hektik, in die der Techniker seine stoische Ruhe zu bringen versuchte. Verständlich, er hatte nicht meinen Zeitdruck, und er musste dieses Gespräch nicht bezahlen, aber ich. Und trotzdem schaffte er es, mich dazu zu veranlassen, dass ich mein Norton kurzeitig deaktivierte und außerdem meine Emaileinstellungen mit ihm verglich, obwohl ich dort noch nie etwas geändert hatte.
Auf meine Einwände meinte er, dass das Norton mitunter sehr stark ins System eingreife und Einstellungen verändern könne, speziell durch die Updates, die es immer wieder macht. Ich glaubte ihm kein Wort, denn wie ich mir gedacht hatte: von den Einstellungen passte alles, und seine Vergleiche erschienen mir lächerlich. Schließlich entschied der junge Mann, mir eine Email zu schicken, zum Testen, die ich auch wenige Augenblicke später empfangen konnte. Danach die Sensation: skeptisch hatte ich die Email an Alberts Verwandten herausgelöscht und versuchte, die Email des Technikers zurückzusenden, und das auch noch mit Erfolg! Während mir der Mitarbeiter etwas vorfaselte, dass das Outlook manchmal einfach nicht richtig funktionieren würde, begriff ich, wo das Problem wirklich lag: es war die Emailadresse von dem Tiroler Cousin, natürlich, was auch sonst. Alles andere funktionierte ja klaglos.
Ich nahm gar nicht mehr wirklich wahr, was mir der Techniker da einzureden versuchte. Auch ohne Zähluhr wusste ich genau, dass ich schon viel zu lange mit ihm geredete hatte. Mit Floskeln verabschiedete ich mich von ihm und ich bin überzeugt, dass er die Ironie in meinen Worten nicht bemerkt hat. Gegen Mitternacht meldete sich Albert noch bei mir, seine anfängliche Betroffenheit, weil ich die Grüße nun doch nicht übermitteln hatte können, wich schnell einer Belustigung und Ironie, als ich ihm meine Bemühungen schilderte, ihm den Gefallen doch zu tun. Du hast ja Recht, die Emailadresse ist ungewöhnlich und wahrscheinlich stimmt sie wirklich nicht… Albert lachte laut und herzlich. Aber über diese Techniker solltest du trotzdem nicht übermäßig schimpfen, die bekommen erstens ihre Anordnungen, wie sie mit den Leuten verfahren müssen, und zweitens haben sie oft nicht wirklich großen Dunst von der Materie, Studenten und so… Einen Moment schwieg Albert, dann fuhr er sanft fort. Aber weißt du, Viv, Liebes, was wirklich schön ist? Du scheust weder Kosten noch Mühen meinetwegen. Du bist schon was Besonderes, wer würde sich das wohl sonst antun, außer dir?
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