Neue Bohnen Zeitung


DIE BUNTE WELT VON VIVIENNE
von Vivienne  –  März 2003



Frühlingserwachen

Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte… ja, es ist Frühling geworden, der Winter musste weichen und jedermann lebt auf. Zumindest mir geht es so, und es gibt wohl keine Jahreszeit für mich, die es mit dem Frühling aufnehmen kann. Zuzusehen, wie die Natur wieder erwacht, die Wiesen und Wege wieder grün werden, Bienen und Hummeln im Garten und in der Natur wieder von Blüte zu Blüte fliegen. Es ist herrlich, an der Donau spazieren zu gehen, wenn nahe dem Kraftwerk wieder Kolonnen von Enten und Schwänen das Wasser bevölkern und, gar nicht scheu, zu Besuchern wie mir schwimmen und um Futter betteln. Die vielen Sträucher und Bäume rund um das Kraftwerk sind schon leicht begrünt oder blühen gar in Kätzchen oder „Würstel“-Form. Manche sind schon ganz dick und gelb von den Staubgefäßen, das sind die Sträucher, die den besten Standort in der Sonne genießen dürfen.

Der Himmel trägt jenes blau, das so schön ist wie kein anderes, hell und doch schon kraftvoll, und die Sonne wärmt schon ordentlich, auch wenn ihre Wärme noch nicht so intensiv und dabei auch brennend ist wie im Hochsommer. Wer am Land spazieren geht, sieht noch viel altes Laub am Boden, zwischen den Bäumen liegen. Auch das Gras zeigt meist noch jene bräunliche Farbe, die toten alten Halme vom Vorjahr sind noch nicht verschwunden, obwohl an der Grasnarbe das junge Grün schon nachdrängt. Bald wird es keine Spur mehr von diesem welken Gras geben, es wird überwuchert und verdrängt. Das braune Laub zerfällt zusehends, wird Teil der Erde werden und damit auch wieder Teil des neuen Lebens, das sich daraus ergibt. Der ewige Kreislauf der Natur, aus dem Vergangenen entsteht das Neue. Nie sieht man das so gut wie jetzt im Frühling.

Wer in der glücklichen Situation ist und einen Garten sein eigen nennt, dem haben Krokusse und Schneeglöckchen in den letzten Tagen schon die ganze Leuchtkraft ihrer Farben geschenkt, und bei uns daheim sind auch die Schneerosen bereits am Abblühen. Viel haben sie heuer nicht geblüht, weil es dann doch zu schnell warm wurde. Dafür sind die ersten Märzenbecher vorgestern aufgegangen, Hyazinthen rücken nach, und heute habe ich doch bemerkt, dass mein Bärlauch schon da ist – bereit, geschnitten und auf’s Brot gestreut zu werden. Meine Mutter werkt schon eifrig im Garten, aller mangelnden Rentabilität und Sinnhaftigkeit zum Trotz, sie, als Bauerntochter, braucht so ein Betätigungsfeld. Ich, die ich meine bäuerlichen Wurzeln gern verleugne, belächle ihre diesbezüglichen Aktivitäten gern, aber wenn ich mich dabei ertappe, wie ich meine unzähligen Kübelpflanzen ins Freie, in die Sonne schleppe, und meine Fenster mit blühenden Gänseblümchen und Stiefmütterchen verschöne, muss ich zugeben, dass der Apfel ja doch nicht weit vom Stamm fällt.

Gestern ist auch eine erste Fliege am Fensterbrett aufgetaucht. Ganz allein ist sie noch und doch schon wohlgenährt, aber einzeln fällt sie gar nicht auf. Anders dann im Sommer, wenn ihre Schwestern in Massen die Haushalte unsicher machen. Unser Garten ist zudem bevölkert von kleinen, hübschen Käfern, den Blutströpfchen. Wo immer ich hinkomme, meistens haben sich gleich etliche zusammengefunden, und sie paaren sich wie verrückt. Manchmal sieht es fast so aus, als würden sich die, die sich noch nicht paaren, gleich hinten anstellen, um auch an die Reihe zu kommen. Frühling, Wärme, Sonne – das Blut gerät in Wallung, und warum sollte das bei den Insekten anders sein. Selbst an unseren Katzen geht die warme Jahreszeit nicht spurlos vorbei. Auch wenn es aus den bekannten Gründen zu keinen erotischen Stelldicheins mit den Artgenossen kommt, verbringen sie nicht mehr die halbe Zeit auf der Zentralheizung sondern draußen. Meistens im Garten, bei meinen Fliederbüschen, oder weiter oben, neben dem Goldregen.

Während der Flieder zwar noch nicht blüht, aber doch dicke, eiförmige Knospen aufweist, steht die Forsythie in voller Blüte, strahlt wie der personifizierte Frühling im schönsten Sonnengelb. Auch die Vögel, die man den Winter über kaum vernommen hat, heißen den Lenz mit ihrem Gesang willkommen. Vor allem Amseln sitzen bei uns auf Bäumen oder – sie sind ja flexibel – auf Stromleitungen und wecken mit ihrem Zwitschern die letzten Morgenmuffel auf. Es gibt kein schöneres aufgeweckt werden für mich als durch den einträchtigen Gesang der Vögel am frühen Morgen. Das heißt aber auch, dass die Katzen bald wieder auf die Jagd gehen werden, leider, denn was ist Whiskas schon im Vergleich zu Frischfleisch. Windig ist es am Nachmittag geworden, der Himmel verzieht sich und es soll in den nächsten Tagen wieder kühler werden. Etwas Regen wäre nicht schlecht, der Garten ist sehr trocken, trotzdem kämpfen sich die Primeln aus dem Boden, Blüte an Blüte, als würde sie eine innere Uhr drängen, es wäre an der Zeit.

Auch wenn das Wetter vorerst wieder schlechter zu werden scheint, der Frühling lässt sich nicht aufhalten, und ich spüre wieder etwas mehr Lebensfreude und –energie als zuletzt. Ich träume auch ein wenig vom Sommer und vom Badeurlaub, der jetzt wegen Sonne und Wärme endlich realistisch scheint und konkretere Formen annimmt. Ein bunter Schmetterling flattert vor mir in das Märzenbecherbeet, und lässt sich vorsichtig auf einer Blüte nieder. Ich beobachte, wie er zitternd den Nektar saugt, da brummt eine Hummel an mir vorbei, fast wie ein dunkler Gedanke. Ich schrecke kurz auf aus meinen Gedanken und mir fällt ein, was eine Frau im Zug sagte, als ich gestern heimfuhr: „So schön ist, so warm, ganz herrlich! Wenn nur nicht der Krieg wäre!“ Ja, aber es ist auch Frühling, trotz allem, und Frühling heißt immer auch Hoffnung.

Vivienne

 

Link: Alle Beiträge von Vivienne

 

Schreibe einen Kommentar