Neue Bohnen Zeitung


DIE BUNTE WELT VON VIVIENNE
von Vivienne  –  Dezember 2002



Kuppeln ist keine Tugend…

Wenn Sie sich meine Geschichten öfter zu Gemüte führen, liebe Leser, werden Sie sich erinnern, dass ich schon einmal das Kuppeln in der „bunten Welt“ zum Thema machte („Aus dem Leben eines Singles, Teil 1“). Die Erfahrungen, die ich hier zu Papier brachte kann ich heute nur erhärten – Kuppeln hat nichts mit Menschenfreundlichkeit oder gar Nächstenliebe zu tun. Zwei Menschen müssen sich schon selbst finden, unter ehrlichen und offenen Voraussetzungen, dann sind die Bedingungen geschaffen, die eine funktionierende Beziehung ermöglichen. Das ist zwar lange nicht alles, was zu einer Partnerschaft für’s Leben gehört, aber ohne Ehrlichkeit gleich zu Beginn funktioniert auch eine Beziehung nicht, was auf Lüge aufgebaut ist, wird zum Scheitern verurteilt – früher oder später. Damit meine ich nicht kleinere oder größere Beschönigungen, die wohl jede/r gerade in der ersten Verliebtheit von sich gibt, man sollte ja auch nicht gleich bei manchen Dingen mit der Tür ins Haus fallen. Aber wer von Liebe spricht, sollte auch Liebe im Herzen tragen und nicht den persönlichen Vorteil…

Was mich für Viktoria, die  beste Busenfreundin von allen freut, ist, dass sie mit Bert jetzt offensichtlich wirklich den passenden „Deckel“ für ihr „Töpfchen“ gefunden hat, und weil die zwei jetzt wirklich eine Hochzeit für das kommende Jahr ins Auge fassen, waren wir, Albert und ich, zu Berts Geburtstag vor einigen Wochen eingeladen. Es war eine kleine Feier, nicht einmal 10 Leute, denn Vicky betonte, es ginge ihr um die Qualität, nicht um die Quantität. Ich hatte Viktoria länger nicht gesehen, unser beider Berufsleben ließ nicht viel mehr Zeit für etwas anderes außer unseren Männern, um so mehr genoss ich es, nach dem „offiziellen Teil“ mit ihr im Schlafzimmer zu sitzen und einfach über das zu reden, was uns wichtig war. Albert und Bert unterhielten sich in der Zwischenzeit angeregt mit den anderen Freunden – ich hatte nicht das Gefühl, dass sie uns im Moment vermissten.

Durch Zufall kamen wir in unserem Gespräch aus Elizabeth T. Spiras Kuppelgeschichten, die in der letzten Sendung ja auf die Erfolgsbilanz bei den bäuerlichen Aspiranten ausgerichtet war. Mir fiel Hanna, diese frühere Kollegin, wieder ein, die mich ja einmal als ernsthafte Anwärterin, als Quereinsteigerin zur Bauersfrau ihres Bruders, eines Landwirts,  ins Auge gefasst hatte. „Das ist nix für mich“, betonte ich mit Nachdruck, „aber die Frauen, die sich einen Bauern aussuchen, müssen es ja wissen.“ Die müssen es in der Tat wissen“, gab mir Vicky Recht. Wir saßen auf dem Bett, auf Vickys Schoß räkelte sich eine von Berts langhaarigen Angorakatzen und schnurrte hörbar. Vickys Zigarette schien ihr nichts auszumachen…

In die kleine Pause, die entstanden war, sagte Viktoria leise, fast mehr zu sich selbst: „Weißt du, dass mir das auch einmal um ein Haar passiert wäre? Ausersehen zur Bauersfrau…“ Sie inhalierte die Zigarette kräftig, dann lachte sie mich an und fragte schelmisch: „Hab ich dir das nie erzählt?“ Ich musterte Viktoria und stellte fest, dass sie, seit sie mit Bert zusammen war, nicht nur dünner geworden war, sondern auch sehr zufrieden und glücklich aussah, sehr gelöst wirkte, aber auch stark und „erhaben“, wenn Sie wissen, was ich meine. Die kleinen Probleme des Alltags waren für sie längst keine mehr. „Was hast du mir nicht erzählt?“ spielte ich den Ball zurück. „Du hättest um ein Haar einen Bauern geheiratet? Wann war denn das, ich kann mich nicht erinnern!“

„Na, Heiraten ist übertrieben. Es ist eine Weile her“, gab Viktoria zu. „Wir zwei haben uns noch nicht gekannt. Ich habe damals kurz in einem Vorort von Linz gearbeitet. Weiß nicht mehr, wie die Firma hieß, war alles ziemlich chaotisch, aber wo ist es das nicht? Eine meiner Kolleginnen hieß Birgit, schien an sich eine nette junge Frau in meinem Alter zu sein, verheiratet, eine Tochter, aber aus einer anderen Beziehung. Sie lebte mit ihrem Mann im Haus der Eltern, dass sie übernommen hatte, die Eltern hatten aber lebenslanges Wohnrecht. In der Beziehung kriselte es oft, als ich mich mit ihr angefreundet hatte, rief sie öfter mitten in der Nacht an und schüttete ihr Herz aus. Sie sekkierte mich oft bis spät in die Nacht und ich ließ es mir gefallen…!“

Tja, und später hast du es bei mir genau so gemacht, wenn du wieder Ärger mit deinen aktuellen Flammen gehabt hast, kam mir während Vickys Erzählung in den Sinn, aber ich war nicht böse, eher amüsiert. Vicky fuhr fort, während sie den Kater streichelte: “Auch über ihre finanziellen Probleme jammerte sie viel und oft, dass ihr Mann nicht mit dem Geld umgehen könne und Ähnliches mehr. Ich war damals gerade wieder oder noch immer allein. Wie man es halt gerade sieht. Das war der Grund, warum ich mir dieses Verhalten über Gebühr gefallen ließ – ich litt halt unter meiner Einsamkeit, wie du dir vorstellen kannst. Sie ließ sich auch über einen Verwandten aus, einen Cousin, der einige fette Sparbücher hätte, aber nichts herausrücken wollte um ihr zu helfen.“ Sie sah mich nachdenklich an. „Weißt du, Vivienne, wenn ich dir das so erzähle, dann kann ich es mir nicht mehr vorstellen, dass ich damals willig den ganzen Ballast trug, den mir Birgit aufhalste, aber es war wirklich so.

Des Öfteren lud sie mich zu sich nach Hause ein, war nicht gerade angenehm, die Streitereien von Birgit und ihrem Mann mit anzuhören. Das Kind war Gott sei Dank oft bei den Großeltern. Aber an einem Nachmittag nach der Arbeit meinte sie spontan, ich möge doch mit ihr heimkommen um am Abend fort zu gehen. Ihr Mann käme auch mit, und vielleicht auch ein Bekannter von Ihnen… Ich wusste es damals nicht, aber die scheinbar spontane Einladung war ein abgekartetes Spiel, und der Bekannte auch nicht ein Bekannter sondern eben ihr wohlhabender Cousin Josef, ein Landwirt aus dem Mühlviertel. Natürlich war es auch kein Zufall, dass ich im Auto neben ihm hinten saß. Dieser Josef schien recht nett zu sein, Mitte oder Ende Dreißig, etwas einsilbig, bieder, verkrampft, aber nicht ohne einen gewissen herben Charme.“

Ich musste ein Schmunzeln unterdrücken. Ich dachte an diesen komischen Kauz, Paul, den Country-Music-Fan („Versteh einer die Frauen, Teil 1“), der es trotz seiner augenscheinlichen Verkrampftheit faustdick hinter den Ohren gehabt hatte und der Vicky über Monate an der Nase herumgeführt hatte. Aber Vicky hatte anscheinend ein gewisses unbewusstes Faible für diese Typen. Während dessen lauschte ich auf einem Ohr Vickys Stimme, die von meinen Gedanken nichts ahnte. „… ich denke nicht, dass ich mich wirklich verliebt hatte. Aber ich redete es mir ein. Wir trafen uns dann öfter, und Birgit unterstützte meine romantischen Gedanken gezielt, als wisse sie sicher, dass auch dieser Josef in mich verliebt wäre. Selbst als er mir erzählte, er hätte einen Bauernhof, schöpfte ich keinen Verdacht, mir war völlig entfallen, dass Birgit vor einiger Zeit auch erwähnt hatte, dass ihr „geiziger“ Cousin ebenfalls ein Landwirt sei. Ich sah damals absolut keinen Zusammenhang.“

Der dunkle Angorakater sprang von Vickys Schoß, streckte sich und lief durch die halb geöffnet Tür hinaus. Wir blickten dem schönen Tier nach, wie es elegant durch den Türspalt glitt, dann zündete sich Vicky wieder eine Zigarette an und erinnerte sich weiter. „Josef war ein sympathischer Mensch, grundsätzlich könnte ich nichts nennen, was mir in der ersten Zeit negativ aufgefallen wäre. Es war halt offensichtlich, dass er schnell nervös wurde und zu schwitzen begann. Meist erzählte er von seiner Arbeit auf dem Bauernhof, von der Natur und dass er viel allein sei. Auch seine Ex-Freundin Burgi erwähnte er, die ihn verlassen hätte. Er hatte sogar noch ein Foto von ihr in der Geldbörse, was mich störte, denn er machte keine Anstalten, das Foto zu entfernen, obwohl er angeblich doch mich liebte. Einmal lud er mich dann auf ein Wochenende zu sich auf den Hof ein, wir waren ja noch nicht richtig beisammen, du verstehst, aber er wollte es offensichtlich angehen. Wir waren dann lange auf einem Dorffest in seinem Heimatort, und mitten in der Nacht, gegen 2:00 Uhr Früh lagen wir uns dann in seinem Bett in den Armen um zur Sache zu kommen.“

Vicky schwieg, ihre Mundwinkel zuckten und ich hatte das bestimmte Gefühl, jetzt würde etwas sehr Komisches kommen. Ich täuschte mich nicht. „Nun, der gute Josef hatte offenbar etwas Ladehemmung“, erläuterte Vicky mit blitzenden Augen. „Das Vorspiel, wenn ich es mal so nennen darf, zog sich nun schon eine halbe Ewigkeit dahin, aber außer Knutschen und Küssen war nichts passiert. Das dauerte mir schon viel zu lange, ich wurde einerseits immer müder aber meine Anspannung und Erwartung waren schon am Äußersten. Also berührte ich mit der Hand seinen Kopf und wollte ihn am Nacken fassen – und hatte auf einmal sein Toupet in der Hand. Ich weiß noch, ich hatte die Hand gehoben, hielt den Haarteil wie einen Skalp in der Hand und glaubte meinen Augen nicht trauen zu können.“ Vicky konnte nicht mehr weiterreden, sie prustete los, hatte Tränen in den Augen als wir uns vor Lachen krümmten. Ich lachte genau so viel, die bildliche Vorstellung der Szene war fimreif.

Ein Mann mit Glatze, der mit dem Toupet ins Bett geht!!! Um mit einer Frau zu schlafen!!! Wie konnte mir Vicky nur diese Geschichte nur so lange vorenthalten? Allmählich beruhigten wir uns aber wieder, und Vicky nahm den Faden wieder auf. „Natürlich lief dann gar nichts mehr. Und am nächsten Tag hielt ich mich nicht lange auf dem Hof auf. Mein Heuschnupfen war akut geworden, und ich fuhr gleich nach dem Frühstück. Josef war völlig enttäuscht, er hatte mit Sicherheit auf eine erfolgreiche Fortsetzung der Liebesnacht gehofft, aber das Brüllen der Rinder machte mich nur mehr nervös, und ich musste mir außerdem echt Gedanken machen, was Josef wohl bewogen hatte, nicht über sein Haarproblem zu sprechen. So ein Verhalten war ja krank!

Nach ein paar Tagen hatte ich mich beruhigt, ich wollte die Geschichte mit Josef in einem Gespräch klären. Am Apparat meldete sich aber überraschend eine weibliche Stimme, Burgi, die Ex-Freundin, wie sich schnell herausstellte. Die Bauerntochter beschimpfte mich auf unterstem Niveau, daneben hörte ich Josef nervös lachen. Als er endlich an den Apparat kam, stammelte er nur nervös, und ich sah gerade zu vor meinem geistigen Auge, wie ihm der Schweiß in Strömen über das Gesicht floss. Als er mir bestätigte, dass er seine Ex-Freundin oder Gerade-wieder-Freundin eingeladen hatte, legte ich auf. Die Sache war für mich gelaufen, aber nicht für Birgit. Sie bekniete mich, Josef eine zweite Chance zu geben, um seiner und meiner Liebe willen, das Treffen sei reiner Zufall gewesen, es wäre nichts passiert (wie denn auch, wenn er bei mir schon solche Probleme gehabt hatte) und ich ließ mich wirklich zu einem weiteren Treffen überreden.“

Meine Zigarette war ausgegangen. Das war schon eine verrückte Episode ihres Lebens, die mir Vicky da preisgab. Aber das war offenbar noch nicht alles gewesen, denn meine Busenfreundin hatte die Augenbrauen gehoben und ihr angedeutetes Schmunzeln erhöhte meine Erwartungshaltung. „Das Treffen war ein völliger Reinfall“, erzählte Vicky weiter. „Josef glaubte offenbar, er könne sich vor einer Aussprache mit mir drücken und ließ sich den Großteil des Abends nicht bei mir blicken. Also flirtete ich mit einem anderen Typen, den ich normalerweise gar nicht angesehen hätte. Auch als Josef, der offenbar von irgendwem erfahren hatte, dass ich nicht einsam ohne ihn war, zurück an unseren Tisch kam, blieb dieser Verehrer, ein Mittdreißiger, noch bei mir sitzen. Josef war wortkarg und sah mich wütend an. Erst dann verzog sich der Mann, ohne dass ich je erfahren habe, wie er hieß.

„Wer was das?“ fragte mich Josef heiser. Ich zuckte die Achseln. „Du brauchst dich nicht mit anderen Kerlen abgeben!“ fuhr er mich daraufhin an, sehr nervös, aufgebracht und auch ziemlich laut. „Aber geh“, sagte ich provokant. „Und du? Die Burgi war wohl nur zum Staubwischen da?“ Es zuckte in Josef’s Gesicht. „Die Birgit hat nie was davon gesagt, dass du so vorlaut und eigenwillig bist. Sonst hätte ich es mir wohl überlegt, ob ich dich…“ In diesem Moment schwieg er erschrocken, aber mir ging ein Licht auf. „Die Birgit hat nix davon gesagt – da hättest du es dir wohl überlegt, ob du mich kennen lernen willst, wie?“ Josef konnte mir nicht mehr ins Gesicht sehen. Ich biss mir auf die Unterlippe. Ein schwerer Verdacht stieg in mir auf. „Du bist doch kein Bekannter von der Birgit, du bist ihr geldiger Cousin, oder?“ Josef war schweißgebadet, er keuchte nur laut und starrte auf sein halbvolles Bierglas.

Mir war übel geworden, ich sah das nicht locker wie jetzt. Es schien ziemlich offensichtlich, dass Birgit die ganze Zeit ein Interesse gehabt hatte, mich mit ihrem vermögenden aber unverheirateten Cousin zusammen zu bringen – womöglich wäre da sogar ein kleines Darlehen für die Birgit drinnen gewesen, wenn wir ein Paar geworden wären. Ausgerechnet ich eine Bäuerin, mit Heuschnupfen, Stöckelschuhen und zarten Händen, die nie eine Mistgabel gehalten haben – und auch nie halten werden. Wie auch immer. Ich zahlte an jenem Abend und ging einfach. Gott sei Dank war ich mit dem Auto da gewesen und auf niemanden angewiesen. Ich habe keine Ahnung, was aus Josef geworden ist und es ist auch völlig unerheblich für mich. Die Zeit mit ihm war vergeudet. Diese mögliche Beziehung ist von Anfang an unter einer faustdicken Lüge gestanden, darum konnte sie auch nicht gut gehen.“

Ich atmete tief ein und aus. „Und Birgit? Hast du mit ihr darüber gesprochen?“ „Natürlich habe ich mir das Früchtchen vorgenommen. Sie hat alles bestritten, aber Josefs Verhalten und seine Körpersprache waren ein einziges Schuldgeständnis. Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Geschichte in etwa so gelaufen ist. Ist aber ohnedies alles egal, lang blieb ich in dieser Firma auch nicht.“ Ich betrachtete Viktoria lange schweigend und hatte keinen Zweifel daran, dass sie so wenig zur Bäuerin geboren war wie die meisten anderen Leute. Es ist ein völlig anderer Schlag Menschen, die dafür geschaffen sind… Während ich darüber nachdachte, kam Bert ins Zimmer, beugte sich hinunter und flüsterte Vicky etwas ins Ohr. Als ich die beiden Gestalten so eng nebeneinander beobachtete, die ganze Gestik und Haltung der beiden zueinander beobachtete, wusste ich, dass Vicky diesmal die richtige Wahl getroffen hatte. Ich stand rasch auf und ging hinaus um nicht zu stören…

Ja, Vickys Gefühle für Josef waren wohl nicht besonders tief, aber trotzdem sehr einseitig gewesen. Der Landwirt hätte wohl jede genommen, die nur bereit gewesen wäre, sein Leben zu teilen, viel zu arbeiten, einen Erben zu gebären. Und etwas Demütigenderes gibt es wohl nicht für einen Menschen der liebt oder zumindest glaubt, zu lieben. Mit einer der Gründe, warum ich nichts vom Kuppeln halte. Und wer glaubt, auf andere Weise nicht an einen Partner oder Lebensgefährten zu geraten, dem sei gesagt, der möge sich einfach unter andere Leute begeben, aber nicht immer an die selben Plätze oder Lokalitäten sondern um etwas Neues auszuprobieren. Wer etwas Neues wagt, um an seinem Leben etwas entscheidend zu ändern, dem ist auch Erfolg beschieden.

Vivienne

 

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