Neue Bohnen Zeitung


Die bunte Welt von Vivienne
von Vivienne  –  Juli 2001


Versteh‘ einer die Frauen …
Teil 2

„Frauen sind da um geliebt, nicht um verstanden zu werden“, sagte schon Oscar Wilde. Es ist für einen Mann nicht immer, leicht aus (s)einer Frau schlau zu werden. Frau hat „Launen über Launen“, schafft sich mit dem Verweis auf PMS einen „Freibrief“ für alles Mögliche, ist süchtig nach Schokolade, dem Suchtmittel par exzellence, empfänglich für duftende Blumen aus dem Gewächshaus, auf die frau dann wegen der Spritzmittel mit Hautausschlag reagiert,… die Palette ist vielfältig.

Die andere Seite: Frauen, die bedingungslos lieben, und „nichts“ zurückbekommen. Frauen, die jahrelang betrogen werden und nicht aufmucken. Frauen, die als „Teilzeitgeliebte“ ein Schattendasein führen, weil der Angebetete zu feig ist, sich von der „Mutter seiner Kinder“ zu trennen. Ich möchte Ihnen in diesem Zusammenhang die Geschichte einer Frau erzählen, kurz umrissen, deren Liebe zu einem Mann mir immer ein Rätsel blieb. Und nicht nur mir. Wenn Sie Teil I von “Versteh‘ einer die Frauen“ kennen, über meine Freundin Vicky und ihre letzte Flamme, dann möchte ich Sie warnen, dass diese Geschichte nicht so lustig und ironisch ist, sondern eher ein bissel tragisch. Aber urteilen Sie selbst.

Wenn Sie meine Beiträge regelmäßig lesen, wissen Sie, dass ich vor Jahren in einem Großhandelsbetrieb im Linzer Zentralraum arbeitete. Ich hatte dort seinerzeit mit Jahreswechsel meinen Job angetreten. War am Anfang  nicht ganz leicht, in den Betrieb reinzuwachsen und mit Kollegen wie Kunden vertraut zu werden. Es gab in der Firma eine große „Abwesende“, wenn ich es einmal so bezeichnen darf: Uschi, schon fast 20 Jahre im Betrieb, war im Spital, wegen einer Krebserkrankung. Ein Tumor an der Niere war diagnostiziert und in der Folge entfernt worden. Ich hörte wahre Lobeshymnen über die Frau, der tragischerweise wenige Monate vor der eigenen Erkrankung der Mann verstorben war. So war ich gespannt darauf, sie kennenzulernen, als sie zu Ostern das erste Mal wieder im Betrieb auftauchte. Uschi, das möchte ich ganz klar festhalten, war keine „Heilige“. Ein Mensch, eine Frau, eine Kollegin wie du und ich, mit Kanten, mit Ecken, mit Fehlern, mit Schwächen, aber auch mit großen Tugenden. Eher klein, vollschlank, kurzes dunkles Haar, Brillen. Sie war die einzige, die den Geschäftsführer, der sonst eher auf Distanz bedacht war, „Sepp“ nennen durfte. Uschi, obwohl noch keine 40, gehörte halt schon zum Inventar.

Bei einem Treffen, das von den Kollegen im Wirtshaus neben der Firma, mit einem Ripperlessen organisiert worden war, gewann ich  meiner ersten Eindrücke von dieser Frau. Ich gehörte noch nicht richtig „dazu“ (das sollte sich im Lauf der folgenden Wochen und Monate aber noch  ändern)und beobachtete eher misstrauisch und auch ein bisserl eifersüchtig, wie die gute Uschi von Kollegen und den Chefs hochgelebt und gefeiert wurde. Denn, daran ließ das Jubelkind keinen Zweifel:„Den Krebs habe ich besiegt.“

Uschi begann dann nach einem Kuraufenthalt wieder zu arbeiten, „erledigte“ die Chemotherapie in ihrer Freizeit und freute sich offensichtlich ihres Lebens. Nahm wieder zu, färbte sich die Haare rot und – verliebte sich. Der Mai hatte nämlich unserem Geschäftsführer einen neuen Stellvertreter ins Haus geschneit. Franz Stransky, ein Mann Mitte 40, vier Kinder von drei Frauen, zum zweiten Mal verheiratet. „Franz heißt die Kanaille“, musste ich seinetwegen bald für mich selbst Schiller zitieren, denn ich hatte am Anfang einige Probleme mit dem neuen Vorgesetzten. Die sich dann aber sehr rasch gaben. Trotzdem konnte ich diesen Typen mit seiner frappanten Ähnlichkeit mit dem Horrordarsteller Vincent Price während der ganzen Zeit in diesem Unternehmen nicht wirklich „verputzen“. Ganz unabhängig von den Dingen, die da noch passierten.

Uschi jedenfalls hatte sich in diesen  Mann verliebt. Färbte sich seinetwegen die Haare rot. Trug Miniröcke, Netzstrumpfhosen und Spitzentops in der Arbeit. Wir Kollegen schüttelten ein wenig den Kopf wegen der unverhohlenen Art, mit der sie den Mann anhimmelte. Stransky tat sich durchaus keinen Zwang an und begrapschte sie auch immer wieder. Ohne wirklich „etwas“ mit ihr anzufangen. Aber Uschi blühte trotzdem auf in dieser zugegeben etwas einseitigen Liebe. Ließ sich auch nicht davon abhalten, ihm von ihrem witzlosen Gehalt teure Geschenke zu kaufen. Und als sein und ihr Urlaub ineinander übergingen, kam sie an ihrem letzten Urlaubstag in die Firma um ihm einen schönen Urlaub zu wünschen. Ihm, den seine Frau gerade wieder zum Vater gemacht hatte.

Sie redete in der Arbeit fast ständig über ihn. Wenn sie mich nach meiner Meinung von ihm fragte, nahm ich mir kein Blatt vor den Mund: „Der Mann ist ein A…loch, vergiss ihn.“ Die Kollegen, das möchte ich klarstellen, dachten ähnlich. Aber Uschi vergaß ihn nicht. Und als er aus dem Urlaub zurückkam, erwartete sie ihn nicht nur mit einem übervollen Herzen und sondern auch mit einem teuren Feuerzeug, das sie ihm aus ihrem Spanienurlaub mitgebracht hatte.

Gesundheitlich schien es ihr prächtig zu gehen. Uschi, für die die Firma nach dem Tod ihres Mannes mehr und mehr ein Familienersatz geworden war, erfreute sich ihres „neugeschenkten Lebens“. Und hoffte dabei immer noch auf ein wenig Liebe. Stransky genoss die Situation und zog sie dann und wann auch ordentlich durch den Kakao deswegen. Ich will nicht behaupten, dass sie ihm völlig gleichgültig war, aber ich denke, dass er die Situation auskostete ohne ein zuviel an Gefühl an diese Frau zu „verschwenden“. Uschi litt sicher nicht wenig darunter, aber sie wandte sich auch nicht ab von ihm.

Uschi musste alle drei Monate ein paar Tage ins Spital zu einer Nachuntersuchung wegen ihrer Erkrankung. Termine, die sie sehr locker nahm, sie hatte anscheinend auch allen Grund dazu. Aber Ende des Jahres war sie dann völlig überraschend nicht mehr „ohne Befund“: Metastasen in der Lunge. Inoperabel. Wir Kollegen wussten, was das zu bedeuten hatte. Sie vermutlich auch. Aber sie wehrte sich verzweifelt gegen die Diagnose. Nahm etliche Therapien auf sich, versuchte auch alternative Wege. Und vor allen Dingen ging sie täglich weiter in die Arbeit. Legte sich am Wochenende für Bluttransfusionen ins Spital. Nur um ihren „Franz“ weiter so oft wie möglich zu sehen. Ihren „Franz“, den das Ganze zwar schon auch mitnahm, das gebe ich zu, der ihr aber in dieser Situation in keiner Weise wirklich Lebensmut oder Unterstützung zuteil werden ließ. Die Firma hatte in der Zeit bedingt durch den EU-Beitritt mit herben Problemen zu  kämpfen. Da war „keine Zeit für „Gefühlsduselei“ wegen einer todkranken Mitarbeiterin“.

Uschi „funktionierte“ in der Folge auch nicht mehr wie am Schnürchen. Machte Fehler, und wurde dafür auch noch ordentlich kritisiert. Ihre Loyalität – für die Katz‘: keiner der Chefs, Stransky eingeschlossen, sagte ein einziges Mal zu ihr: „Geh‘ doch ein paar Tage in Krankenstand, tu‘ dir was Gutes.“ Ganz im Gegenteil. Etwa ein halbes Jahr nach der schlimmen Diagnose wurde Uschi von ihrem Hausarzt ins Spital überwiesen – er könne sonst für gar nichts mehr garantieren… In der Chefetage herrschte daraufhin dicke Luft. Die Abteilungsleiterin, die Uschi bei meinem Eintreten in die Firma wiederholt als ihre beste Freundin bezeichnet hatte, kommentierte die Krankenstandsmeldung mit einem wütenden: „Die Uschi lässt uns einfach im Stich!“

Ich möchte hier weitere Details zu  Uschis folgender Krankengeschichte aussparen. Nur soviel: sie kam nicht mehr zurück in die Firma. Wir Kollegen besuchten sie so oft es ging im Krankenhaus, redeten ihr gut zu, obwohl absehbar war, wie ihr Leben verrann. Stransky ließ sich im Übrigen nicht ein einziges Mal blicken, und darunter litt sie wohl am meisten. Einmal besuchte ich sie vor einer Operation im Spital. Unausweichlich kam das Thema auf unsere Chefs, das „Trio infernal“, wie wir sie nannten. Uschi ärgerte sich in dem Zusammenhang, dass ihr „Franz“ genau soviel verdiene wie die Abteilungsleiterin, und wie ungerecht das sei, dass sein Posten nicht höher dotiert wäre. Ich sah sie an. Sie war von der Krankheit gezeichnet, trug ein gehäkeltes Häubchen, da sie wegen der Therapien kaum mehr Haare auf dem Kopf hatte. Und sie liebte ihn immer noch…

Am 9. März, einem Sonntag Morgen, starb Uschi. Einen Monat nach ihrem 40. Geburtstag. Die Chefs – einschließlich Stransky –  waren beim Begräbnis durch eine Kranzspende vertreten.

„Wahre Lieb‘ ist die, die immer und immer sich gleich bleibt, wenn man ihr alles gewährt, wenn man ihr alles versagt“, meint Goethe. Die Uschi hätte sich jemand besseren für ihre Liebe verdient, meine ich… Aber vielleicht war ihr angesichts der schweren Krankheit auch nicht viel mehr geblieben als die Hoffnung auf diese aussichtslose Liebe. Es gibt wohl wenig Menschen, die so bedingungslos lieben können, und die meisten von ihnen sind Frauen. Und das Groteske daran ist, dass es oft „schwindlige“ Typen vom Schlage eines Stransky sind, an die so ein Übermaß an Gefühlen verschwendet wird.

Verstehen Sie das?

Vivienne

 

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