Neue Bohnen Zeitung


von Vivienne  –  Februar 2005


Songcontest-Vorausscheidung – Gott schütze Österreich!

Das waren meine ersten Gedanken, als die Sieger der Songcontest-Vorausscheidung gestern Abend feststanden. Das Ergebnis – die „Global Kryners“ setzten sich gegen den songcontesterprobten Alf Poier durch – kann man nur als musikalischen Supergau bezeichnen. Mit meinen fast vierzig Jahren beobachte ich den Songcontest und das Geschehen rund herum wirklich schon sehr lange, und keiner soll behaupten, dass mir Alf Poiers Teilnahme seinerzeit nur reines Entzücken entlockt hätte. Aber Poier ist nun mal originell, er kommt mit einer bestimmten Masche bei seiner Zielgruppe sehr gut rüber, und das erfrischend anders. Sein sechster Platz vor zwei Jahren war also nicht die große Überraschung wie man vielleicht hätte annehmen können, denn es gibt mehr Leute, die des typischen, austauschbaren Popsounds überdrüssig sind.

Aber „Global Kryner“ – was um alles in der Welt soll das denn sein? Und was ist an dieser Gruppe  originell oder gar kreativ und eigenständig? Mag aber durchaus sein, dass es genug Leute gibt, die diesen Verschnitt aus Oberkrainer mit Pop und folkloristischen Elementen aus aller Welt nett finden. Ich hingegen denke, dass peinlich noch gar kein Ausdruck ist, um die Performance dieses geklonten Konglumerats an gewaltsamer Musikverschmelzung zu beschreiben. Ich habe mir die Mühe gemacht, auf der Homepage der Global Kryners Hörproben dieser seltsamen Truppe, die irgendwo zwischen Dirndl und Latino angesiedelt ist, zu Gemüte zu führen. Hier der Link, falls Sie, liebe Leser, sich drüber trauen:  www.globalkryner.at/  .

Fünf Songs finden sich dort, drei Coverversionen bekannter wie unterschiedlichster Klassiker („Like a Virgin“ von Madonna, „Something Stupid“ und „Lady Marmelade“). Eines möchte ich ganz klar festhalten: Musiker sind diese Leute fraglos keine schlechten, sie sind virtuos auf ihren Instrumenten, aber warum – und diese Frage stelle mir sicher nicht nur ich –  warum investieren sie Zeit, Energie und Aufwand in so einen katastrophalen Misch-Sound, nicht Fleisch, nicht Fisch sondern einfach unmöglich und dabei unsäglich peinlich? Mir ist fast schlecht geworden, als ich die Coverversionen hörte, und besonders bei „Something Stupid“ hätte ich  beinahe verzweifelt nach Robby Williams zu schreien begonnen! Gibt es denn keine Musikverlage, frage ich mich, die darauf achten, dass solche Songs nicht derart vergewaltigt werden können? Wenn da wirklich jeder jeden Song covern darf, wage ich mich demnächst auch an „I will always love you“ von Whitney Houston und verkauf mich damit als hipp – falls ich es schaffe mich vor den wütenden Fans zu retten.

Mein persönlicher Favorit für die Ausscheidung wäre eigentlich der Vorarlberger Marque gewesen. Ich habe diesen sympathischen Burschen schon life gesehen, im Herbst 1997 als Opening Act zu den mittlerweile wieder fast vergessenen Backstreeet Boys in Salzburg und er hat mich damals schon gesanglich mehr als überzeugt. Mittlerweile hat er auch eine Karriere begonnen in Österreich  und ich gebe offen zu, ich mag seine Songs, die zwar keinen großartigen Tiefgang haben, vor allem wegen seiner angenehmen Stimme. Natürlich mag man einwerfen, dass Marque unter dem zu erwartenden Popeinheitsbrei beim Songcontest nicht besonders hervorgestochen hätte, aber zu einem Auftritt von Marque beim Songcontest könnte ich stehen. Restösterreich anscheinend nicht, aber damit kann ich auch leben.

Nun geht es also für die Global Kryners nach Kiew, ins Halbfinale. Ob diese merkwürdige Truppe diese Hürde meistern wird, muss  man erst einmal abwarten und ehrlich gesagt, ich selber wünsche mir, dass es nicht der Fall sein wird. Ich könnte mir den Songcontest selber nicht mehr zu Gemüte führen, wenn ich wüsste, dass dieser mit Gewalt und Brechstange auf Teufel komm raus Sound und Rhythmus aller Welt vereinende Act (und das auf Ohren beleidigende Art und Weise) es wirklich ins Finale schafft. Extrem gewöhnungsbedürftig ist noch das freundlichste, das mir dazu einfällt und ehrlich gesagt: wem kann man heuer schon wirklich die Daumen drücken bei dieser Veranstaltung, wenn nicht einmal Stefan Raab jemanden unter seinen Fittichen ins Rennen schickt? Niemand, seien wir ehrlich. Alf Poier hingegen ist in einer tollen Position: er kann weiter schimpfen über das Abstimmungssystem (bei dem er knapp unterlag) und wenn die Global Kryners abstürzen, wovon man realistischer Weise durchaus ausgehen darf, kann er sich die Hände reiben. Mit ihm wäre es sehr viel besser gelaufen…

Und ich glaube das auch!

Vivienne

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