Neue Bohnen Zeitung


von Vivienne  –  Februar 2005


Die Heiligen Kühe…

Dass ich die Gewerkschaften und die Arbeiterkammer oft kritisiere, dürfte den meisten von Ihnen, liebe Leser, schon bekannt sein. Meine Kritik versteht sich dabei grundsätzlicher Natur – eine Arbeitnehmervertretung, die in bestimmten Fällen nur zusieht aber in anderen Berufsgruppen (Metaller, Eisenbahner, Beamte) bei der geringsten Kleinigkeit vorprescht, genießt bei mir keine Glaubwürdigkeit. Und vor allem auch kein Vertrauen. Ich kenne die Argumentation der Gewerkschaften gut: Wo wir nicht gut organisiert sind, können wir auch nichts ausrichten! lautet der Grundtenor. Aber da dreht man sich im Kreise: Denn wo der kleine Mann keine Unterstützung zu erwarten hat, wird er sich auch nie gut organisieren lassen…

Trotzdem gibt es einen Bereich, in dem Gewerkschaft und Arbeiterkammer immer schnell zum Kampf aufrufen, wenn der verletzt wird. Es handelt sich dabei – Sie haben es ohnedies gewusst, liebe Leser – um die Sonntagsarbeit. So auch geschehen, als im Dezember der neue Linzer Hauptbahnhof eröffnet wurde und der dortige Supermarkt auch am Sonntag offen hielt. Aber auch nur der – in der Innenstadt oder am Land blieb die Sonntagsruhe erhalten. Nichts desto Trotz ertönte laut das Schreien und Wehklagen der Arbeitnehmervertretung, in den Medien wurde eifrig diskutiert und ganz schnell war das Thema wieder weg vom Tisch.

So ruhig war es also plötzlich geworden, dass ich mich selber fragte: Ist jetzt am Sonntag in diesem Supermarkt überhaupt noch geöffnet? War die Aktion der Gewerkschaft gar von Erfolg gekrönt? Bei einem Einkauf Anfang Jänner – im Grunde meines Herzens bin ich nun mal eine Journalistin – fragte ich einfach die Kassiererin, ob die „Sonntagsruhe“ noch gestört werden würde. Die Frau in meinem Alter grinste mich an. Natürlich werde weiter sonntags gearbeitet, antwortete sie mir. Ich konnte mir daraufhin den Einwurf, dass die Arbeitnehmervertretung ja so gemeutert hätte, nicht verkneifen. Die Kassiererin zuckte daraufhin nur die Achseln und meinte wortwörtlich: „Die Gewerkschaft soll sich lieber darum kümmern, dass ordentlich bezahlt wird!“

Ein Satz mit Symbolbedeutung. Die Frauen in dem Supermarkt, das war offensichtlich, stoßen sich also gar nicht so sehr an der Sonntagsarbeit. Wie man in den Medien hören und lesen konnte, gibt es nicht wenige, die sogar gerne (und teilweise sogar ausschließlich) sonntags arbeiten. Für manche Mutter ist das ideal, weil am Sonntag der Mann Zeit hat, sich um die Kinder zu kümmern. Und so schlecht wird der Sonntag auch jetzt nicht bezahlt im Vergleich zum Rest der Woche. Aber was durch die Bemerkung der Frau offensichtlich wurde: die Kassiererinnen vermissen also viel mehr eine bessere Bezahlung. Und nachvollziehen kann man das. Die Arbeitszeiten im Handel werden sicher nicht mehr besser werden, eher im Gegenteil. Und da gewinnt der finanzielle Aspekt in jedem Fall an Bedeutung.

In jenem in den Konkurs geschlitterten Linzer Call Center, in dem ich vor einiger Zeit arbeitete, habe ich selber auch die Wochenend- und Sonntagsarbeit kennen gelernt. Glauben Sie mir, liebe Leser, es ist nicht lustig, wenn man an Sonn- oder Feiertag von 8:00 Uhr bis 17:00 Uhr in der Firma sitzt und die Zeit vergeht nicht, weil naturgemäß an diesen Tagen weniger los ist. Und noch weniger Spaß macht diese Sonderschicht, wenn man relativ kurzfristig und  zwangsweise dafür eingeteilt wurde. Und vielleicht überdies schon 50 Stunden in dieser Woche gearbeitet hat. Und genau weiß, dass diese Feiertagsstunden um keinen Groschen mehr bringen als ein 8,5 Stunden-Tag unter der Woche. Obwohl das nicht rechtens war – aber wo kein Kläger, da kein Richter. Und keine Arbeitnehmervertretung.

Keine Arbeiterkammer, keine Gewerkschaft sah sich nämlich gemüßigt, da einzuschreiten. Obwohl diese Zustände bekannt waren. Und das macht – worauf ich an anderer Stelle schon hingewiesen habe – die Arbeit unserer Arbeitnehmervertreter so unglaubwürdig und durchaus auch ungerecht. Wer verlässt sich schon auf die Gewerkschaft, wenn sie einem nie wirklich helfen kann? Und sich zum Beispiel einmal dafür einsetzt, dass ein ordentlicher Kollektivvertrag aufliegt. Wozu dutzende Unterorganisationen von Gewerkschaften, alle unterschiedlich organisiert und unterschiedlich stark? Warum nicht eine starke Gewerkschaft die für die Rechte aller eintritt? Die Kassiererin in dem Supermarkt am Linzer Hauptbahnhof hat für mich den Nagel auf den Kopf getroffen. Die Sonntagsarbeit ist nicht das Problem, die wird sich vermutlich ohnedies auf Dauer und auf breiter Basis nicht vermeiden lassen, das Problem ist für die meisten Arbeitnehmer die schlechte Bezahlung und in dem Bereich sollte eine starke Arbeitnehmervertretung sich auch einsetzen!

Vivienne

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