Die Flutkatastrophe


von Vivienne  –  Jänner 2005



Die Flutkatastrophe

Eine der größten Katastrophen seit Menschengedenken. So die Beschreibung eines Journalisten auf n-tv für diese Flutwelle. Fassungslos konnte, ja musste ich mich in den letzten beiden Tagen durch verschiedene Medien über diese unfassbare Flut informieren lassen, jener Flut am 26. Dezember des letzten Jahres, jenes Tages, an dem ich selber einen Türkeiurlaub nach Istanbul angetreten hatte. Ohne im Geringsten zu ahnen, was sich am anderen Ende der Welt gerade abspielte. Und wie viele Menschen starben, die wie ich im Grunde nur ein paar Tage Erholung und Sonne gesucht hatten. Während ich durchaus auf meine Rechnung kam, sind im Indik vermutlich weit über 100.000 Menschen ums Leben gekommen. Einheimische wie Touristen…

Durch meinen Urlaub bedingt und die Tatsache, dass ich kaum Zeit zum Fernsehen hatte, lief diese Katastrophe für ein paar Tage völlig an mir vorbei. Erst ein Anruf meiner Familie informierte mich über das Geschehen, das ich dennoch zunächst noch unterschätzte, wohl unterschätzen musste, denn erst die Bilder dieser zweiten Sintflut ließen in mir eine Ahnung des ganzen Ausmaßes aufsteigen, das auch viele Österreicher das Leben gekostet haben dürfte. Bilder, die mir teilweise die Tränen in die Augen trieben, obwohl ich selber (Gott sei Dank!) gar nicht betroffen bin. Man fühlt mit den Angehörigen jener Vermissten, die sich an den letzten Strohhalm klammern, hoffen und beten, die grausame Befürchtung möge sich nicht bewahrheiten.

Was mich in dem Zusammenhang immer wieder schockierte, sind jene Amateurvideos, die Ausläufer der Flut und ihre Auswirkungen zeigen, Menschen beim Sterben oder beim verzweifelten Kampf ums Überleben festhalten. Wie, so frage ich mich – kann man da als Mitmensch einfach stehen bleiben und weiterfilmen, womöglich von sicherer Position aus wenn man schon nichts tun kann um zu helfen? Zusehen beim  Kampf Unglücklicher gegen die Flut, gegen die Wassermassen? Und das Video womöglich dann an verschiedene Fernsehsender aus aller Welt verkaufen? Geld machen mit dem Leid, mit dem Tod, mit der Katastrophe?

Unter Umständen setzte ich wohl zu viel voraus. Das Geld regiert die Welt, und was sind schon unzählige Tote, eine humanitäre Katastrophe und der Ruin so vieler Menschen gegen den netten Nebenverdienst von ein paar Einzelnen? Nicht ohne Kritik wurde von seriösen Nachrichtenstationen auch darauf hingewiesen, dass in den nicht betroffenen Gebieten in der Nähe ganz normal nichts desto Trotz gefeiert, gelacht, getrunken wurde. Immerhin war gestern Silvester, und das Leben geht weiter… Schließlich fährt man in den Urlaub um sich zu amüsieren, und nicht um zu helfen, nicht um mitzufühlen oder sich Gedanken zu machen, wie gnädig es das Schicksal mit einem selbst gemeint hat, oder?

Fast genauso betroffen machte mich ein Gespräch, das ich gestern Mittag im Zug zufällig mitverfolgen konnte. Voller Verbitterung äußerte sich eine ältere Dame gegenüber einer Bekannten über ihren Schwager, „einen arbeitscheuen Mann“, der sich „unten“ ein Haus gebaut hatte und von seiner Pension bequem dort lebte. Er wäre „vermisst“, und sie hoffe inständig, dass es ihn „erwischt“ hätte! Welch eine Einstellung, welche verachtungswürdige Rohheit in Gedanken und Gefühl! Angesichts so vieler menschlicher Tragödien, solch unaussprechlichen Leids, dass durch Seuchengefahr, unglaubliche Not und bitterste Armut in der Folge noch eskalieren könnte!

Gott sei Dank denken nicht alle Leute so, Gott sei Dank zeigt sich in derartigen Situationen trotzdem auch immer wieder, dass die Menschen enger zusammen rücken und im wahrsten Sinne des Wortes in die Hände spucken um anzupacken. Man kann, man darf wohl auch jetzt schon davon sprechen, dass nach dieser Katastrophe ungeahnten Ausmaßes, die ich weiter oben schon sehr passend mit der biblischen Sintflut verglichen habe, ziemlich sicher auch die größte Hilfsaktion aller Zeiten anlaufen ist. Kaum ein Land, das nicht helfen möchte, vor allem mit Geld und Gut, aber auch Organisationen wie das Rote Kreuz, Ärzte ohne Grenzen und Ähnliches haben nicht lange gezögert, Hand dort anzulegen, wo die Not am größten ist.

Menschliche Tragödien nach dem Verlust eines oder mehrerer geliebter Menschen kann man ohnedies nur zu mildern versuchen, aber wo es möglichst ist, den Betroffenen mit materiellen Dingen unter die Arme zu greifen, wird es wenig geben, was nicht geschehen kann. Und das macht bei aller Unvorstellbarkeit der Gräuel doch wieder Mut und Hoffnung, dass diese Menschheit sich auf ihrem (einstmals) blauen Planeten nicht nur ohne Ende bekriegt sondern bei großer Not auch Sinnvolles zustande bringt…

Vivienne

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