Neue Bohnen Zeitung


von Vivienne  –  Februar 2004



Schuld sind immer die anderen…

Es ist noch keine halbe Stunde her, da traute ich meinen Ohren nicht, als ich von einem Gerichtsurteil hörte, das heute in Kärnten erging. Ein Spielsüchtiger hatte die Casinos Austria verklagt, weil sie  – sinngemäß – durch ihr fahrlässiges Verhalten ihm gegenüber, seine Spielverluste verursacht hatte und auch noch Recht bekommen. Einen großen Teil des verspielten Geldes wird dieser Mann von den Casinos Austria zurückerhalten, vielleicht auch mehr, denn der Anwalt des Mannes möchte noch in die nächsthöhere Instanz, da der Richter die Rückerstattung des Restbetrages wegen Verjährung abwies. Und alles immer vorausgesetzt, das Urteil geht auch durch, denn es ist noch nicht rechtskräftig…

Was werfen der Kläger, oder besser gesagt sein Anwalt, den Casinos Austrias im Detail vor? Nun, ich konnte den Juristen in einem kurzen Statement im Fernsehen hören und es überraschte mich, wie er die Klage rechtfertigte: …die Kontrollen an den Eingängen der Casinos seien mangelhaft gewesen (offenbar war der Mann schon einschlägig bekannt und hatte Verbot dort!), man habe den Kläger in alkoholisiertem Zustand spielen lassen und das Tischlimit sei teilweise um vieles überhöht gewesen…. Hoch interessant, was der Rechtsbeistand da also von sich gab. Dass es so was wie Eigenverantwortung gibt, hat er wohl noch nicht gehört.

Also zäumen wir das Pferd einmal von der anderen Seite auf. Der Mann, von dem ich rede, ist also spielsüchtig, ein kranker, ein bedauernswerter Mann im Grunde, der nicht zur Unterhaltung sondern seiner Sucht wegen ins Casino geht, zwanghaft, und Unsummen verspielt. Im Grunde wie ein Alkoholiker, der sich um Kopf und Kragen säuft, seinen Job wie sein Hab und Gut verliert. Jetzt stellen Sie sich einmal vor: so ein Trinker klagt sein Stammbeisl, in dem er sich jeden Tag vollaufen ließ, weil er dort immer soviel Alkohol wie er wollte bekam. Weil das Gebot, dass an Alkoholisierte nichts mehr ausgeschenkt werden darf, ziemlich großzügig gehandhabt wurde. Weil er halt Geld brachte. Glauben Sie ernsthaft, diese Klage hätte eine Aussicht auf Erfolg?

Mitnichten! Ich bezweifle nicht, dass jener Spielsüchtige aus Kärnten kein leichtes Leben hatte, ja, dass er das Geld gut gebrauchen kann, das er den Casinos im Lauf der Jahre überlassen hatte (vor allem auch für seinen Anwalt!). Aber ist es nicht zu billig, in diesem Fall zu argumentieren, die Casinos wären Schuld an seinem Desaster, weil sie es ihm zu leicht gemacht haben? Zugegeben, ich bin auf beiden Augen blind, was irgendwelche Süchte betrifft. Ich kann mich schwer in dieses Dilemma hineinversetzten, weil außer ein paar Häferl Kaffee am Tag und meinem PC hab ich im Grunde keine Laster. Daher kann ich jener Argumentation nur schwer folgen. Eigentlich gar nicht.

Was ich von Süchtigen weiß (oder genau genommen gelesen habe), sagt aus, ob es nun Alkoholiker betrifft oder Drogensüchtige oder eben Leute, die Gefangene der Spieltische sind, dass sie in ihrer Sucht, in ihrem Trieb, dieser „Lust“ nachzukommen, sehr geschickt und trickreich agieren, wobei sie durchaus auch nicht vor Handlungen zurückschrecken, die strafrechtlich geahndet werden. Wegen dieser Krankheit ist es ihnen aber völlig egal, was passiert, wenn man sie dabei erwischt. Die Psyche der Betroffenen verändert sich im Zuge der Sucht total, man meint fast einen Menschen mit zwei Persönlichkeiten vor sich zu haben. Und dieser Mensch bedarf unbestreitbar psychologischer Betreuung.

Gerade deshalb wäre ich aber vorsichtig mit einer „Vor-Verurteilung“ der Casinos Austria. So ein Süchtiger ist eben nicht mit normalen Maßstäben zu messen, weil er sich im Bedarfsfall sogar mit gefälschten Ausweispapieren Zutritt zu diesem Etablissement verschaffen würde. Mit dem Wissen, dass er wegen Urkundenfälschung belangt werden könnte. Ja, es ist furchtbar, was Sucht aus einem Menschen machen kann, aber daran ist er schon selber auch schuld, nicht speziell die Casinos. Nicht das Wirtshaus macht einen Alkoholiker sondern die Art und Weise wie jener seine Probleme löst bzw. wie er mit ihnen umgeht. Wer sie verdrängt und im Alkohol ertränkt, der wird früher oder später damit auch ein ernstes Problem bekommen. Aber dafür zeichnet nicht der Beislwirt verantwortlich sondern der betroffene Mensch. Und ähnlich sieht die Sachlage bei den Spielsüchtigen aus.

Eigenverantwortung heißt das Zauberwort! Man könnte es beliebig weiterspinnen! Ich bin ja so arm, alle Leute sind so schlecht zu mir, meine Frau betrügt mich und darum saufe ich um zu vergessen. Oder verspiele mein Geld am einarmigen Banditen. Furchtbar! Mir kommen die Tränen! Ja, keine Frage, man hat’s oft nicht leicht im Leben. Manchmal bekommt das Gefühl, dass die ganze Welt gegen einen antritt, auch die Oberhand. Richtig. Jedem geht es mal so. Aber wenn man dann einmal ganz unten angekommen ist, hilft es sicher nicht weiter, sich auf die „anderen“ auszureden, ihnen den schwarzen Peter zuzuschieben. Man hat durchaus die Möglichkeit, mit seinen eigenen Entscheidungen vieles zu beeinflussen, vielleicht nicht kurzfristig aber auf längere Sicht. Ohne predigen zu wollen: seine Fehler macht man noch immer selber…

Zurück zu dem besagten Herren aus dem südlichsten Bundesland. Sollte das fragwürdige Urteil tatsächlich rechtskräftig werden – was würde er wohl mit dem Geld anfangen? Nun, ich gehe davon aus, dass er wohl selber nicht viel davon haben dürfte. Ein Spieler hat wie jeder andere Süchtige meistens ziemlich hohe Schulden, die erst einmal abgegolten werden müssen. Ich geh jetzt nicht in totalem Zynismus davon aus, dass er jene Summe, die ihm bleibt, auch wieder verspielen könnte. Aber der Gewinner ist in dieser Causa für mich nur einer, nämlich der Rechtsbeistand des Klägers, der sicher mit der Aussicht auf einem nicht unerheblichen Prozentsatz (50%?) am erstrittenen Geld das Risiko dieser Klage auf sich genommen hat.

Anwälte nennt man – aus bekannten Gründen – oft Rechtsverdreher… In diesem Fall scheint mir wieder einer aktiv geworden zu sein.

Vivienne

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