DIE BUNTE WELT VON VIVIENNE
von Vivienne – Februar 2002
Freibrief für Spanner???
Es gibt nicht wenig Leute, die sich den Thrill, der ihrem eigenen Leben fehlt, übers Fernsehen zuführen. Speziell Frauen lechzen nach diesen Endlosserien mit all den gutaussehenden Heldinnen und Helden, leidenden Liebespaaren, durchwegs schönen, begehrenswerten Menschen, mit denen man (oder in diesem Fall wohl eher frau) mitschmachten und leiden kann. Springfield Story ist die Mutter dieser Seifenopern, wer kennt nicht California Clan, Reich und schön und in unseren Breiten Lindenstraße, Marienhof oder Gute Zeiten, schlechte Zeiten? Leute wie ich rümpfen gern die Nase über solche Soaps mit all den unerwarteten und fast schon grotesken Schicksalsschlägen, die nicht nur an mir sondern vielmehr an der Realität vorbeilaufen. Die richtigen Kuriositäten schreibt das wahre Leben, nichts ist so unglaublich und schwer nachvollziehbar wie der Alltag. Das wurde mir erst heute wieder bewusst – lassen Sie sich erzählen…
Ich saß heute früh gemütlich beim Frühstück, bei Kaffe, Tee, einem Stück Kuchen und bei der Lektüre einer kleinformatigen Zeitung, als mir im Gerichtsteil ein kleiner Artikel nebst anschaulicher Karikatur ins Auge sprang: eine junge Frau war (in Deutschland) in einer Pizzeria beim Aufsuchen einer Toilette von einem Mann verfolgt worden. Als sie im WC notwendigerweise ihren Unterleib entblößt hatte, fiel ihr auf, dass der Unbekannte fast wie in einer Peep-Show seinen Kopf durch einen 14 cm Spalt unter der Tür durchgezwängt hatte und sie begaffte. Die junge Frau, angewidert und verärgert, zeigte den Voyeur an und brachte die Sache vor den Kadi. Ohne Erfolg: der Richter konnte in dem abartigen Verhalten keine Beleidigung erkennen bzw. der Vorsatz der Beleidigung sei nicht nachzuweisen ergo Freispruch.
Jetzt könnte man natürlich schon einmal seitenweise diskutieren, was das für eine Pizzeria ist, in der die Tür zur Damentoilette 14 cm über dem Boden endet. Möglicherweise bietet der Besitzer des Lokals männlichen Gästen Ausblicke auf die weibliche Anatomie als ein Service des Hauses… aber darum geht es mir an dieser Stelle nicht. Vielmehr möchte ich auch die Persönlichkeit des Richters und die Gerichtsbarkeit allgemein beleuchten, welche Voyeuren, Spannern und zwischenmenschlich gestörten Charakteren de facto einen Freibrief ausstellt, wenn es um die Verletzung der Würde einer Frau, ja, um sexuelle Belästigung und Störung ihrer Intimsphäre geht. Es kann ja nicht angehen, dass Sie (oder ihre Frau oder Freundin, wenn Sie ein Mann sind), beim Benutzen eines WC angestarrt werden wie in einem halbseidenen Etablissement, nur dass der Eintritt frei ist…
Verstehen Sie mich nicht falsch: ich bin keine Juristin. Rechtsanwälte und Ähnliches sind mir eher suspekt und das vielzitierte Bonmot: Zwei Juristen, drei Meinungen spiegelt meine zwiespältige Meinung über diese Berufsgruppe nachhaltig wieder. Doch ich wage trotzdem solche seltsamen Urteile in Frage zu stellen: Recht ist nicht Gerechtigkeit muss so mancher Jus-Student schon am Anfang seines Studiums die Ideen und Vorstellungen über seine Berufung ordentlich revidieren. Es ist nichts Neues, dass die Rechtssprechung in unserem Land sehr oft die Täter, die Gauner, … schützt und die Opfer praktisch in die Rolle des Schuldigen zwängt. Das fragwürdige Urteil dieses deutschen Juristen sagt für mich eines ganz klar aus: gute Frau, an dir ist nichts, was schützenswert wäre oder beleidigt werden kann denn mit dem bösen Vorsatz ist es so eine Sache: wer ist schon so blöd und gibt den zu?
Wie kann oder muss man einen Richter einschätzen, dessen Feingefühl und Rechtsverständnis, ja, persönliches Ermessen den Schutz eines ertappten Spanners höher einschätzt als den berechtigten Unmut, ja, die Verletzung der Intimsphäre einer jungen Frau? Auf die vage Gefahr hin, der Voyeur habe keine böse Absicht verfolgt (Was soll das in dem Zusammenhang überhaupt heißen? Auch ein Spanner handelt unter einem inneren Zwang, als solcher muss er als Triebtäter angesehen werden. Mit dieser fragwürdigen Argumentation könnte man auch einen Vergewaltiger freisprechen!) und habe besagte junge Frau nicht beleidigen wollen: er hat es aber, und mehr als das! Mir drängt sich die Überlegung auf, ob der Jurist nicht vielleicht heimlich mit dem Täter sympathisiert… Die Rechtssprechung ist männlich, Recht ist oft das, was mann zu seinem Recht verhilft. Von einer Gleichheit vor dem Gesetz können Frauen oft nur träumen. Eine Vielzahl der Rechtsanwälte ist männlich, in die hehren Sphären des Richterstuhls dringt frau noch viel seltener vor. Unter diesem Aspekt ist frauenfeindliche Rechtssprechung auch in unseren ach so zivilisierten Breiten nicht verwunderlich.
Sehen wir uns einmal das Delikt selber an: unter Türen durchlugen, durch Spalten, Schlüssellöcher, etc. Mädels beim Duschen, beim Umziehen, beim Baden zu beobachten entspricht dem Verhalten pubertierender Burschen (Eis am Stiel lässt grüßen!) und ist damit kein Missverständnis aufkommt bei solchen Burschen auch normal: gehört zum Entdecken der eigenen Sexualität und Geschlechtlichkeit und der der Mädchen. Ist also ein Teil des Reifeprozesses. Wenn aber ein erwachsener Mann sich nichts dabei denkt, eine Frau bis auf die Toilette zu verfolgen um einen Blick auf ihre Genitalien werfen zu können, weist das für mich, die ich keine Psychologin bin, aber über ein sehr gesundes Gefühl für Recht und Unrecht verfüge, auf eine Störung der Persönlichkeit hin. Statt eines Freispruchs sollte der Spanner lieber eine Psychotherapie verordnet bekommen.
Aber das alte Lied! Wäre nicht der erste Schuldige, der dem Gesetz mehr schütztenswert scheint als das Opfer. In diesem Fall, liebe Frauen und Geschlechtsgenossinen, rate ich zur Selbsthilfe! Wie, Sie wissen nicht auf welche Weise? Nun, sollte in ihrem Stammbeisel oder einem anderen Lokal ein Voyeur einmal den Kopf unter der Tür durchstecken um sich an ihrem Anblick zu erfreuen, gehen sie einfach einen Schritt nach vorn und richten Sie den Strahl direkt auf sein Gesicht. Seien Sie versichert: das Essen zumindest wird dem Typ dann nicht mehr schmecken!
Vivienne
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