Neue Bohnen Zeitung


KRITISCH BETRACHTET
von Vivienne  –  November 2002



Neuwahlen… – und was mir zu so manchem
Quereinsteiger einfällt!

Große Ereignisse werfen ihren Schatten voraus. Weihnachten ist seit Monaten in unseren Geschäften präsent – in Form von Adventstollen, glitzerndem Weihnachtsschmuck und vielfältigen Süßigkeiten und Naschereien. Bevor aber am 24. Dezember das Christkind oder der Weihnachtsmann kommen, müssen wir uns genau einen Monat vorher, am 24. November, mit einer ganz anderen Art der Bescherung auseinandersetzen: wir dürfen noch einmal zu den Wahlurnen schreiten, weil Jörgl Haider als einfaches Parteimitglied seine eigene Regierungsmannschaft, die sich mit den Sympathieträgern Riess-Passer und Grasser neben den Konservativen ganz wacker hielt, so beschneiden wollte, dass die erste blau-schwarze Koalition der 2. Republik platzte oder platzen musste.

 Die Roten unter dem blassen Parteichef Gusenbauer witterten sofort Morgenluft und warfen schon vor einigen Wochen einen sehr prominenten Mann ins Rennen in die Schlacht um die Kanzlerschaft: Josef Broukal, TV-erfahren, „Mr. ZIB“, telegen, charismatisch und sehr populär – was nicht immer so war: Broukal hatte schon in seiner Anfangszeit beim ORF nie ein Hehl aus seiner politischen Gesinnung gemacht und damit nicht immer nur Freunde gewonnen. Ich kann mich in der Vergangenheit ein paar Mal erinnern, dass die Kronenzeitung seinen Kopf forderte, weil der „so objektive“ ORF „einen Mann wie Broukal“, der sich dieser Objektivität anscheinend nicht immer 100 Prozent verpflichtet fühlte, beharrlich weiter das Schlachtschiff des ORF, die ZIB, präsentieren ließ. Wie auch  immer, da scheiden sich sicher nach wie vor die Geister. Aber Broukal war bereit aus Fehlern zu lernen, die Sympathie-Werte schnellten innerhalb weniger Jahre rasant nach oben und souverän gewann er zuletzt immer wieder die Wahlen eines Magazin als populärster Nachrichten-Moderator.

Broukal ist jetzt 54 und stand mit Sicherheit auch vor der Überlegung, bis zur Pensionierung weiter beim ORF zu bleiben und sein „normales Programm abzuspulen“ oder noch einmal eine neue Herausforderung zu finden. Insofern hat er bestimmt eine mutige Entscheidung getroffen, als er sich in einer wichtigen Wahl vor den Karren „seiner Partei“ spannen ließ – ein mögliches Ministeramt vor Augen. Er hätte genauso gut und mit der gewohnten Routine und den hohen Sympathiwerten weiterhin die ZIB oder andere Magazine präsentieren können, aber er hat sicher den schwierigeren Weg gewählt. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass er in einer möglichen SPÖ-Regierung eine blendende Figur macht – nicht nur, weil ich selber auch der Partei nahe stehe, für die er sich in die Schlacht wirft (und das wird ohne Zweifel eine Schlacht, weil sie für Broukal auch das Risiko birgt, trotz großen persönlichen Einsatzes in der Opposition zu bleiben und damit in den Augen anderer zu scheitern). Trotzdem werde ich immer zynisch, wenn ich Broukal im Radio bei seinem Werbespot höre: „Ich wähle die SPÖ, weil der Mensch dort zählt.“ Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das längst nicht immer der Fall war und ist…

Die ÖVP konterte gestern auf diese deutliche Herausforderung des direkten Wahlgegners mit einer Reihe von mehr oder weniger prominenten Quereinsteigern in ihrem Lager. Ingrid Wendel ist die bekannteste von ihnen: Eiskunstläuferin und Europameisterin, versierte und routinierte Moderatorin von Übertragungen diverser Eiskunstlaufveranstaltungen, Seniorenclub-Präsentatorin und seit 2 Jahren in Pension – da ist nachvollziehbar, dass die noch immer attraktive und sehr aktive Frau auch nicht so ohne weiteres den Staub der Jahre ansetzen wollte. In gewisser Weise ist für mich trotzdem sehr witzig, dass die Wahl der Konservativen gerade auf sie fiel.

Was nämlich viele von Ihnen, liebe Leser, nicht mehr wissen, ist, dass die junge Ingrid Wendl in den 50er Jahren in eine pikante Affäre verwickelt war: Sie war seinerzeit mit dem damaligen Sportchef des ORF in einer nicht besonders noblen Bleibe abgestiegen und das sicher nicht, um Sportberichte durchzugehen. Der Sportchef erlitt einen Herzinfarkt – warum, überlasse ich ihrer Fantasie! – dem er dann in der Folge auch erlag. Die Geschichte wurde zwar weitestgehend vertuscht, machte aber trotzdem die Runde. Bis vor gar nicht so langer Zeit wäre mit Sicherheit ein Engagement Ingrid Wendels für die Konservativen nur schwer vorstellbar gewesen. Aber die Zeiten ändern sich, und  verstehen Sie mich nicht falsch,  es wäre auch überflüssig,  auf einem Faux Pas, der Jahre zurückliegt, über Gebühr herumzureiten – auch andere Politiker haben Jugendsünden, die halt dann meistens unentdeckt geblieben sind. Ingrid Wendl wird sich sicher mit aller Kraft (und ihrem ganzen Charme) im Wahlkampf für die Senioren, wie sie selber sagt, engagieren und ein Platz im Nationalrat ist ihr (fast) sicher, dank der Reihung durch die ÖVP auf einem sicheren Listenplatz.

Bleibt mir noch der dritte bekannte Quereinsteiger, der in diesen Tagen couragiert die Führung eines sinkenden Schiffes übernommen hat: Reinhard Jesionek, Ex-Wurlitzer- und Willkommen-Österreich-Moderator, geht für das Liberale Forum ins Rennen. Ursprünglich ist diese Partei ja von der FPÖ abgesplittert – Heide Schmidt verließ im Zwist Jörg Haider und nahm ein paar Sinnesgenossen wie Friedhelm Frischenschlager mit. Der frische Wind, den Heide Schmidt in Österreichs Parteinlandschaft bringen wollte, blieb aber aus. Nach anfänglich respektablen Erfolgen brach das Liberale Forum zusammen: wegen interner Streitereien und Uneinigkeit, einem viel kritisierten Parteiprogramm und durch den Abgang Heide Schmidts selber. Ein Wahldebakel nach dem  anderen folgte.

Jesionek soll das Schiff wieder auf Vordermann bringen. Er verließ ja vor einiger  Zeit den ORF, um neue Herausforderungen bei deutschen Privatsendern zu finden, wie er zunächst verkündete. Das klappte bisher nicht wirklich, man konnte aber den  früheren Willkommen-Österreich-Moderator des Öfteren in verschiedenen Werbespots im Fernsehen von seiner früheren Popularität zehren sehen. Ob er nun als Kandidat des LIF erfolgreicher ist? Ich hab da meine Zweifel, ich denke dieser Partei kann niemand mehr helfen, auch kein größeres Kaliber als es Reinhard Jesionek ist. Trotzdem muss man Jesionek zu seinem Mut gratulieren – oder weiß er womöglich gar nicht, worauf er sich da eingelassen hat???

Das sind kurz meine Gedanken zu drei Quereinsteigern bei drei verschiedenen Parteien – kurz, subjektiv und dann und wann ein bissel zynisch. Ich bin niemandem verpflichtet – Sie kennen mich ja. Sollten Sie auch eine kurze Prognose von mir zur Wahl erwarten – nun, ich denke es wird eine Neuauflage von Rot-Schwarz geben, alles andere erscheint mir eher unwahrscheinlich. Aber fragen Sie mich nicht, wer Kanzler wird: ich würde mich nur bei beiden Parteien unbeliebt machen (falls ich das nicht ohnedies schon getan habe!). Und leicht wird es in den kommenden Jahren sowieso keine Regierung haben, aber das wissen Sie sicher selbst genau so gut, meint

Vivienne

 

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