Neue Bohnen Zeitung


KRITISCH BETRACHTET
von Vivienne  –  Februar 2002



Zweiklassengesellschaft durch EDV

Für Menschen wie Sie und ich gehört der Umgang mit dem Computer und mit dem Internet im Speziellen schon lange zum Alltag. Sie haben vermutlich sogar, so wie ich, ein Kastl daheim stehen, und ohne das Abrufen Ihrer Emails oder Entdeckungsreisen ins World-Wide-Web vergeht für Sie auch privat kaum ein Tag. Wir alle sind gefordert im Umgang mit der EDV, müssen uns in neue Programme vertiefen, im gehobeneren Bereich auch neue Programmiersprachen erlernen oder eine Homepage betreuen. Und der eine oder andere leistet sich doch auch schon den Luxus einer privaten Homepage, auf der er herumbastelt – nicht immer,  aber immer öfter!

 Während also unsereins immer spezialisierter wird im Umgang mit den neuen Medien, wächst neben uns eine Gruppe heran, die „Analphabeten“ auf diesem Gebiet sind: Pensionisten, Frauen, die lange vom Berufsleben weg sind, Leute mit einfacherer Schulbildung oder ohne Lehrabschluss oder höhere Schule, Behinderte. Die neuen Technologien sorgen also für eine Zweiklassengesellschaft: wer es nicht schafft beizeiten die nötigen Kenntnisse zu erwerben, steht „abseits“, hat keine Chance mehr auf einen qualifizierten Job oder überhaupt im Berufsleben…

Dabei sorgen diese Möglichkeiten im Bereich der EDV durchaus auch für Stilblüten am Rande: Bahn- oder Busermäßigungen der ÖBB gibt es zu 50% für Antragsstellung übers Internet, wer den üblichen Weg geht, bekommt die Ermäßigung nur zu 45 %. Aber Hand auf’s Herz: haben Ihre Eltern einen PC daheim und wenn ja, können sie damit ausreichend umgehen? – Meine auch nicht, die stehen, wenn ich am  Computer sitze, neben mir, mit tellergroßen Augen, und staunen, was da nicht alles machbar und möglich ist…

Dabei hätten viel Pensionisten neben der erforderlichen Zeit durchaus auch die Fähigkeiten, sich die nötigen Kenntnisse anzueignen. Aber da gibt es Barrieren… Neulich traf ich eine Frau aus der Siedlung im Zug, die auch eine Reihe von Kindern großgezogen hat und nun verdient ihr Rentendasein genießt. Wir kamen auf dieses Thema zu sprechen und sie meinte: „Es ist schon ein Wahnsinn, was da alles möglich ist heutzutage, aber das lerne ich nie! Das würde mir viel zu viel werden.“ Das ist aber der Punkt: jede/r kann lernen, mit einem PC umzugehen, Programme zu nutzen, Emails zu verschicken, im Internet zu surfen, …!

Selbst für Behinderte gibt es schon unzählige Möglichkeiten, sich die Gegebenheiten der EDV zunutze zu machen. Für Blinde unter anderem unter Einbeziehung von Braille, der Blindenschrift. Touchscreen, Scanner, Digitalkmera, … Bill Gates dachte sicher noch nicht an solche umwälzende Erfindungen, als er seinerzeit mit Gleichgesinnten in einer Garage an den „Fenstern in die EDV und ins World Wide Web“ zu basteln begann. Aber so mancher Durchschnittsmensch scheitert ja schon an der Bedienungsanleitung eines Handys – ohne das es heute doch genaugenommen auch nicht mehr geht.

Und gerade da müsste man einhaken! Aber kaum eine Weiterbildungseinrichtung nimmt diese Probleme wirklich wahr, sieht die Chance, eine ungemein große Gruppe an Menschen mit der EDV und den neuen Medien bis hin zum Handy vertraut zu machen. Obwohl der Bedarf durchaus gegeben ist. Lieber wird diese „Bildungsschere“ noch weiter auseinandergetrieben: durch immer kompliziertere Programme oder deren neueste Versionen, durch jede Menge zusätzlichen technischen Schnickschnack, ja, u.a. auch durch eine neue „Sprache“, die besonders bei Chattern immer beliebter wird und „Außenstehenden“ nicht oder nicht mehr richtig verständlich ist.

Wollen wir das eigentlich?

Vivienne

 

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Dieser Beitrag erscheint auch in der aus Anlaß des 3. Geburtstages der Bohnenzeitung erstmals erscheinenden gedruckten Ausgabe der Zeitung.

 

 

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