Eigentlich müsste man ja sagen: der Versuch eines Nachrufs, denn einer so schillernden Persönlichkeit wie der des King of Pop gerecht zu werden, ist fast nicht möglich oder gar nicht einfach. Wie man es nun sehen oder betrachten mag. Ich habe hier in der Bohne schon öfter über Michael Jackson geschrieben, nicht immer positiv aber doch sehr ehrlich. Michael Jackson war eines der großen Idole meiner Jugend, meiner Teenagerzeit. Als ich vor der Matura von dem damals noch dunkelhäutigen (und wenig operierten) Sänger und Tänzer in den Bann gezogen wurde, war dies eine musikalische Begegnung der besonderen Art. Jackson besaß Charisma und Ausstrahlung, konnte unwiderstehlich gut tanzen und traf mit seiner Musik den Nerv der Zeit – und natürlich auch meinen… Auf dem alten Plattenspieler meiner Eltern spielte ich sein Album „Thriller“ pausenlos auf und ab, ich war fasziniert und Jacksons Musik zog mich immer mehr in den Bann…
Michael Jackson ist tot! Als ich heute (Freitagmorgen) mit müden Augen vor dem Laptop saß und meinen Frühstückskaffee trank, glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen. Die Schlagzeile mit einem relativ aktuellen Foto des Megastars (entstellt durch die vielen Operationen und hellhäutig) traf mich wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel. Ich brauchte lange um den Schock zu verdauen, ehrlich gesagt, ich habe es wohl noch immer nicht geschafft. Zwischen jener ersten, faszinierenden, musikalischen Auseinandersetzung mit Jackson und seinem jähen aber wohl doch nicht so unerwarteten Tod liegt eine wilde Achterbahnfahrt zwischen unglaublichem Ruhm und Erfolg und fragwürdigen Vaterschaften und einer Anklage wegen Pädophilie. Ähnlich extrem verlief auch mein Verhältnis zu diesem enorm kreativen Entertainer.
In den 80ern habe ich kaum einen Künstler ähnlich verehrt wie den jungen Mann aus Gary Indiana. Ich kaufte bald sein erstes Soloalbum „Off the Wall“ nach und besuchte sein allererstes Österreich-Konzert vor ziemlich genau 21 Jahren im damaligen Praterstadion in Wien. Dieses Konzert war mein erstes überhaupt und legte für viele Jahre die Latte hoch für andere Künstler, deren Konzerte ich besuchte. Auch das dritte Album „Bad“ wanderte noch mit großer Euphorie gekauft in mein Plattenregal und Anfang der 90er Jahre kaufte ich alle drei Alben als CD’s nach. Später konnte ich mich immer weniger mit den Ticks und den Absonderlichkeiten aber auch mit den Schönheitsoperationen Jacksons anfreunden. Erste Vorwürfe des Kindesmissbrauchs ließen mich mit dem Megastar „brechen“ – ich hatte ehrlich gesagt genug von ihm und verschenkte die CD’s und Platten aus Protest. Fraglos handelte ich sehr emotional: selber im Alter von sieben Jahren von einem Perversen massiv sexuell belästigt verstehe ich auch heute noch auf dem Gebiet keinen Spaß…
Ich ging also auf Distanz mit dem Sänger und Tänzer, der vor gut zehn Jahren noch mein Teenagerherz höher hatte schlagen lassen. Sein Stern begann zu sinken, sein Image war angekratzt und ehrlich gesagt zog ich es vor, mich auch für andere Musiker zu interessieren. Youngsters, die Jackson genau betrachtet zwar nicht annähernd das Wasser reichen konnten, mit deren Musik und Appearence ich mich aber besser identifizieren konnte. Dennoch verlor ich Jackson, seine Skandale, Schönheitsoperationen, Ehen und „Kinder“ nie aus den Augen. Dachte mir meinen Teil dazu, vertrat zum Teil auch lautstark meine Meinung und musste irgendwie auch realisieren: gleichgültig war mir der Entertainer in all der Zeit nie geworden: Jackson polarisiert, viele hassen ihn, noch viel mehr lieben ihn und eine ganze Reihe von Leuten haben ihn ausgenutzt. Wie man so hörte war der extrem scheue Künstler als Hypochonder manchen Ratgebern ausgesetzt, die ihn nur finanziell ausnutzen. Die Summe an verschreibungspflichtigen Medikamenten gegen Schmerzen durch Rezepte „wohlmeinender Ärzte“ dürfte letztlich auch seinen Tod verursacht haben…
Nach der Anklage wegen Kindesmissbrauchs war ich trotz des Freispruchs in allen Punkten in meiner Meinung über Jackson mehr als nur gespalten. Seine komplexe Persönlichkeit zu erfassen, seine furchtbare Kindheit wie die Übergriffe durch den despotischen, karrieregeilen Vater mögen den Menschen hinter der künstlich „verschandelten“ Fassade verformt haben. Der Superstar blieb wohl Zeit seines Lebens ein Kind, um sich so vor dem Bösen in der Welt zu schützen. Angst vor dem Alter, Angst vor dem Tod oder vor schwerer Krankheit, was sich alles immer öfter in bizarren Neurosen und verschrobenen Verhaltensformen äußerte. Jackson zog sich zurück von dieser Welt, vor den Menschen, vor seinen Fans, die ihn liebten und floh oft auf seine Neverland Ranch, wo er das Kind sein konnte, das er wegen der frühen Karriere ja nie sein hatte dürfen…
Ein Kind im Körper eines unglaublich begabten und kreativen Künstlers? Das kann wohl nicht gut gehen. Auch im Fall von Jackson bewahrheitete sich das: so genial er als Musiker und Tänzer die Fans begeisterte, so sehr war er, gefangen in der Naivität und Unreife seiner kindlichen Seele ein williges Opfer von Manipulation und Betrug. Ob die Vorwürfe gegen ihn wegen des Kindesmissbrauchs wirklich je haltbar waren, vermag ich nicht einzuschätzen. Wenn aber nicht, dann waren sie das schlimmste Unrecht das man einer zart besaiteten Seele wie der seinen antun konnte… Stärkere Charaktere wären daran zerbrochen, viel stärkere als er es selber war.
So oder so – mit Jackson starb ein Teil meiner Jugend. Unwiderruflich. Vielleicht war sein Tod eine Erlösung nach einem Leben voller Extreme, vielleicht ist er in einer anderen Welt endlich geborgen. Mein Leben wird jedenfalls ärmer sein und beraubt von einigen schönen Erinnerungen, die ich nun nur mehr wehmütig empfinden werde – für eine gewisse Zeit wohl sicher. Michael Jackson – unsterblich schon zu Lebzeiten, denn kaum einer kann sich mit seinem Talent messen und der Verlust für Musikfans in aller Welt lässt sich nicht in Worte kleiden. Den Menschen Michael Jackson selbst werden wohl nur seine Familie vermissen und die wenigen, die ihn gut gekannt haben und ihm wirkliche Freunde waren.
Gone too soon…
© Vivienne