Meinungsfreiheit oder darüber hinaus

Unsere neue Kommentarfunktion, liebe Leser, ist mittlerweile auch schon wieder einige Wochen „in Betrieb“, und, was noch viel wichtiger ist, sie wird auch ganz gern in Anspruch genommen, so weit ich das beurteilen kann. Ob jetzt positiv oder eher negativ rückgemeldet wird, ist dabei oft nicht so bedeutsam – die Interaktion mit dem Leser an sich ist am Wichtigsten. Sonst könnte man genauso gut für die Schreibtischlade schreiben – Feedback ist das Salz im Leben aller Dichter, Schriftsteller und Schreiber. Das wird mir jeder von uns bestätigen können, der auf Leserbriefe wartet oder vielleicht auch hofft, über Veröffentlichungen im Web bekannt zu werden…

Bisher bekam ich selber, liebe Leser, durchwegs sehr positive Rückmeldungen zu meinen unterschiedlichsten Beiträgen, nicht nur über die Kommentarfunktion. Heute Morgen allerdings hatte eine gewisse Kathi, die ich nicht persönlich kenne, zu einem älteren Beitrag von mir („Tatort Linzer Hauptbahnhof“) gepostet, und deren Worte konnte man nicht unbedingt nur positiv auffassen.

die punks werden eh immer schlecht vertreten da hauptbahnhof is scheiße und dort leben ist echt ned einfach. und die was dort san haben auch ihren grund. Ihr müsst auch ihre situation verstehen ihr wixxa

Ziemlich heftig, liebe Leser, aus dem Posting sprechen für mich Frust, Ärger, Resignation und sicher auch eine gehörige Portion Provokation. Zumindest steht die junge Dame aber auch zu ihren Worten, denn die Emailadresse ist angeführt. Ich las mir „den verbalen Erguss“ heute Vormittag in aller Ruhe durch, studierte auch den Beitrag selber noch einmal („Tatort Linzer Hauptbahnhof“) und konnte danach dezidiert ausschließen, dass ich über Punks oder Sandler geschimpft oder diese heruntergemacht hätte. Ganz im Gegenteil sogar, mir wurde schließlich bewusst, dass diese Kathi offenbar selber Betroffene kannte oder kennt und meine eher allgemein gehaltenen Beobachtungen nicht besonders genau gelesen hatte bzw. auch falsch interpretiert hatte.

Ich wies also die Kritik und auch die Kraftausdrücke in einem zweiten Kommentar zurück (Lesen Sie selbst nach!), ich dachte allerdings nicht daran, diesen Kommentar zu löschen, Begriffe wie „Wixer“ oder „Scheiße“ sind mir in dem Zusammenhang noch zu harmlos, wenn ich ehrlich bin, ich werde sehr gut damit fertig. Außerdem, den Frust von Kathi glaube ich in gewisser Weise trotzdem nachvollziehen zu können. Es ist sehr leicht über Obdachlose und Gestrauchelte zu urteilen, für alle die, die in einem warmen, trockenen Heim sitzen können. So wie ich, mit einem eigenen PC, einem warmen, bequemen Bett und genug zu essen, mehr als das. Wie ich aber schon im Beitrag selber anklingen ließ: geboren ist keiner als Sandler, und dass man an den „Rand der Gesellschaft“ abdriftet oder sich durchaus auch freiwillig dahin begibt – dahinter stecken oft sehr tragische Lebensgeschichten, die wir alle gar nicht wissen wollen.

Wir machen es uns oft sehr einfach mit Kritik und Vorverurteilung, aber wenn sich der eine oder andere nicht in unser gesellschaftliches Schema pressen lässt, dann eckt er an, und damit sind noch mehr Probleme und mitunter auch ein rasanter gesellschaftlicher Abstieg verbunden. Wie man solche Schwierigkeiten lösen kann, dazu kann ich selber leider nur wenig betragen. Mit dem Artikel neulich habe ich zumindest versucht, daraufhin zu weisen, dass man mit dem Einsatz der Exekutive allein das Problem nicht in den Griff bekommen wird. Offenbar trotzdem nicht deutlich genug, denn diese Kathie hat mir meine Überlegungen wohl übel genommen bzw. wollte sie zumindest ihrem Unmut Luft machen. Wobei ich mir andererseits durchaus vorstellen kann, dass sich der eine oder andere Leser der Bohne wieder angesichts dieses Artikels gedacht hat, warum ich ausgerechnet Partei für dieses „asoziale Gesindel“ ergreifen würde. Auch wenn er oder sie sich nicht direkt an mich gewandt hat.

Recht machen kann man es nur selten allen, und dabei empfand ich meinen Standpunkt damals durchaus als gemäßigt und eher nachdenklich, zumindest alles andere als aggressiv. – Zurück aber zum Kernstück meiner Anmerkungen. Nur durch das Feedback allein erfährt man, wie man wirklich ankommt, lernt andere Standpunkte kennen und überdenkt den eigenen. Auch wenn bisweilen etwas, sagen wir mal, unpassende Worte in dem Zusammenhang fallen. Zumindest sind sie ehrlich und ungeschminkt und offener als so manches Lob, das unsereins erhält, aber nicht immer ehrlich gemeint ist. Schweigen heißt aber in gewisser Weise auch immer Zustimmung, und deshalb noch einmal mein Hinweis, liebe Leser: Wenn Sie uns Redakteuren der Bohne einmal im wahrsten Sinn des Wortes „die Meinung sagen“ möchten, ist das sinnvoller, als wenn Sie schweigend darüber hinweggehen…

© Vivienne

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