Es ist spät.
Ich liege neben Frank im Bett und denke nach.
Über Stefan.
Und dass Frank und ich übermorgen nach Kärnten fahren.
Ich frage mich, wie es Stefan geht.
Und ob er besser beisammen ist als noch gestern Abend.
Als ich mich ihm telefonierte, hat er geweint.
Voller Verzweiflung.
So kenne ich ihn nicht…
Frank dreht sich zu mir.
Du grübelst so…
Sanft streichelt er mich.
Streicht mir eine meiner unzähligen Locken aus dem Gesicht.
Meine Locken.
Sie lassen sich nie in Ordnung bringen.
Ich grüble also, meint Frank.
Und was soll ich ihm sagen?
Dass er Recht hat?
Dass ich alle dafür täte am Wochenende bei Stefan zu sein?
Ihm Mut zu machen?
Damit ich mich besser fühle?
Kann ich das Frank aber antun?
Also sage ich nichts.
Obwohl ich vermute, dass Frank genau weiß, was ich denke.
Er kennt manche Seite von mir besser, als ich zunächst vermutete.
Fast als könnte ich es in seinen Augen lesen.
Seinen dunkelblauen Augen.
Er sieht so durchschnittlich aus.
Wie ein Mann Ende Dreißig halt aussieht.
Ein paar graue Haare.
Ein Gesicht, das das Leben gezeichnet hat.
Und eine gescheiterte Ehe…
Aber diese Augen.
Sie heben ihn über den Durchschnitt.
Augen in denen sich seine ganzen Emotionen spiegeln.
Er kann nicht lügen.
Denn seine Augen sagen immer die Wahrheit.
Frank nimmt meine Hand.
Du willst nach Salzburg fahren, nicht wahr?
Etwas überrascht richte ich mich auf.
Hör Frank.
Ja, es stimmt.
Ich würde gerne.
Aber es wird auch noch nächste Woche gehen.
Was würde wohl die Vermieterin der Pension sagen, wenn wir jetzt absagen?
Ich zittere vor Nervosität.
Am liebsten würde ich sofort fahren.
Und Frank weiß das also schon die ganze Zeit.
Wir schweigen beide.
Ich starre an die Decke.
Dann hörte ich Franks leise Stimme.
Ich habe heute Mittag unser Wochenende verschoben.
Die Vermieterin war sehr nett.
Und Freitagnachmittag fahren wir dann nach Salzburg.
Wir zwei.
Ich denke, ich sollte Stefan auch einmal kennen lernen.
Ich habe ihm viel zu verdanken…
Frank lächelt.
Seine Augen strahlen, als er meinen ungläubigen Gesichtsausdruck liest.
Ich schüttle den Kopf, weil ich es nicht glauben kann.
Aber warum?
Seit Wochen redest du von Kärnten…
Meinetwegen?
Franks Gesicht bekommt einen spitzbübischen Ausdruck.
Alles nicht.
Ich bin nur ein furchtbarer Egoist.
Ich weiß einfach genau, dass unser Wochenende in Kärnten sonst jetzt schon gelaufen wäre.
Du würdest dir Vorwürfe machen.
Die ganze Zeit.
Und wir beide hätten nichts davon.
Und darum machen wir es so und nicht anders.
Kein Widerspruch.
Frank legt mir seinen Zeigefinger auf die Lippen.
Er lächelt mich zärtlich an.
Am nächsten Abend packe ich wieder die kleine Reisetasche.
Das Übliche.
Ein paar T-Shirts.
Eine Hose.
Mehr brauche ich nicht.
Frank lacht, während er mir zusieht.
Du bist ganz anders als meine Ex.
Sie schaffte es für eine einzige Übernachtung einen kleinen Koffer zu packen.
Ich werfe ihm einen belustigten Seitenblick zu.
Ich hoffe, doch dass ich anders bin.
Ganz anders…
Wie lange wart ihr eigentlich verheiratet?
Frank denkt angestrengt nach.
Keine Ahnung.
Wir lebten ja schon lange getrennt, als sie schließlich ihren Freund heiraten wollte.
Freund?
Ich hebe die Augenbrauen.
Hat sie dich betrogen?
Mein Freund schüttelt den Kopf.
Nicht dass ich wüsste.
Aber ich hätte gerne Kinder gehabt.
Und das wollte sie nicht.
Also haben wir uns getrennt…
Kinder.
Energisch ziehe ich den Reißverschluss der Reisetasche zu.
Habt ihr das nicht ausgeredet, bevor ihr geheiratet habt?
So was ist doch wichtig.
Frank sieht plötzlich ernst aus.
Nein, haben wir nicht.
Ich dachte nicht, dass das ein Problem wäre.
Dann spüre ich seinen Blick fragend auf mich gerichtet.
Und ich beginne zu ahnen, dass diese Frage jetzt ganz speziell mir gilt…
© Vivienne