Vergangenen Freitag ist der große holländische Entertainer Rudi Carrell einem schweren Lungenkrebsleiden, von dem der Kettenraucher seit eineinhalb Jahren wusste, erlegen. Es wäre wohl nicht ich, wenn ich nicht wieder einen Rattenschwanz an Erinnerungen an ihn in mir herumtragen würde… Neben Peter Alexander, der kürzlich in aller Stille seinen Achtziger feierte, habe ich an den Niederländer, der in Deutschland über viele Jahre hinweg zum Superstar avancierte, die intensivsten Fernseherinnerungen als Kind. Vor allem natürlich an das „Laufende Band“, einen wahren Straßenfeger, kann ich mich noch immer sehr gut erinnern, und natürlich seine geliebten Ausflüge in die Welt des Gesangs. Speziell auch seine Version von „City of New Orleans“ von Arlow Guthrie, das er „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?“ umtextete, entlockt mir noch immer ein Schmunzeln.
Einmal abgesehen vom Unterhaltungswert des Songs, mit dem der Entertainer auch in den Charts punktete: schon in den 70er Jahren hat es der Wettergott nicht immer so besonders gut mit uns gemeint, noch lange bevor hierzulande von Klimaveränderung und Treibhauseffekt die Rede war. Carrell war präsent wie kaum Showstar in den 70er Jahren, die angesagtesten Superstars von Telly Savalas bis Muhammed Ali tummelten sich in seinen Shows, vergleichbar wie dieser Tage bei Thomas Gottschalk und „Wetten, dass…“ – mit dem einen großen Unterschied: letzteren tu ich mir heute schon lange nicht mehr an! Carrell machte also große Karriere in Deutschland, ähnlich wie sein um einiges älterer Landsmann, Operettenstar Johannes Hesters, dem man den großen Erfolg in Deutschland in der Heimat allerdings bis zum heutigen Tage nachträgt. Hesters hatte sich nämlich während des zweiten Weltkrieges mit den Nazis „quasi“ stillschweigend arrangiert, was ihm seine Landsleute bis heute nicht verziehen haben…
Ganz anders lag da die Motivation des ewig „ergrauten“ Carrell, ausgerechnet im Lande des ehemaligen Erzfeindes seine Brötchen zu verdienen. Carrell erzählte dazu gerne die Geschichte, dass ihm die Deutschen während des Krieges das Fahrrad gestohlen hatten, weshalb er sich gemüßigt sah, sich dieses Fahrrad oder zumindest den Gegenwert davon wieder zurück zu holen. Was ihm auch in eindrucksvoller Manier gelungen ist… Neben seinen populären Shows versuchte sich Carrell in den 70er Jahren auch gerne in diversen „Klamotten“, billigen Kinofilmen ohne großen Tiefgang, in denen er oft an der Seite von Ilja Richter gesichtet wurde.
Schlagzeilen machte der Holländer auch immer wieder mit seinem teilweise turbulenten Privatleben. Seine erste Ehe, in der „nur“ Töchter geboren worden waren, wurde angeblich deshalb geschieden, weil Carrell sich einen Stammhalter gewünscht hatte. Wie weit dieses Gerücht wirklich zutraf, weiß ich nicht, ich kümmerte mich aber auch nie wirklich darum… Bei seinen Auftritten im Fernsehen kam er so oder so stets als der sympathische Holländer herüber, der mit seinem niederländischen Akzent durchaus ein wenig kokettierte. Ich bin mir ehrlich gesagt sicher, dass Carrell privat längst fast akzentfrei gesprochen haben muss – bei den langen Berufsjahren in Deutschland und einer Karriere, die er beim Radio gestartet hatte, wäre alles andere mehr als nur erstaunlich. Aber irgendwie genoss er mit dem Akzent einen ungeahnten Erkennungswert – ähnlich wie Kojak mit Lolly und mit seiner Glatze…
Mein Schwager Herbert verfügt über das fast geniale Talent, Rudi Carrell beinahe „100 % original“ nachmachen zu können. In Zukunft werden seine an sich gelungenen Parodien im Familienkreis wohl von etwas leiser Wehmut gekennzeichnet sein. Mit Carrell ist wieder ein Stück früher Kindheit von mir gestorben, das ich vermissen werde. Wohl auch, weil der geniale Entertainer nur ganze zwei Monate vor meiner Mutter geboren wurde. Zwei Menschen, die sich, das sei am Rande bemerkt, trotzdem nicht unähnlicher sein hätten können. Was zwei Monate bisweilen ausmachen … Nichts desto Trotz: Carrell hat unauslöschliche Spuren in der deutschsprachigen Medienlandschaft hinterlassen, sein Witz, sein trockener Humor und sein großer Einfallsreichtum werden von anderen nicht leicht erreicht werden können…
© Vivienne