Fußballabend… – Die bunte Welt von Vivienne

Ich sperrte die Wohnungstür hinter mir ab. Das Handy hatte ich absichtlich daheim gelassen. Ich lief die Treppen schwungvoll hinunter und verließ das Haus. Ein schöner, heißer Sommertag ging dem Ende entgegen. Albert, mein Mann, war bei einem Kollegen eingeladen. In dessen Haus am Stadtrand von Linz traf sich eine ganze Gruppe um sich das Abendspiel der Fußball-WM anzusehen. Für jede Menge Erfrischungen (Bier, Cola, Mineralwasser,…) und lukullische Genüsse (Der Kollege von Albert hatte anscheinend versprochen, er würde grillen…) war gesorgt. Albert hatte mich zum Abschied lange geküsst und dann gemeint, er würde nach dem Spiel wieder kommen – irgendwann… Ich wusste, dass ich mich auf Ali verlassen könnte. Er würde allenfalls das eine oder andere Bier zu viel trinken, aber Dummheiten würde er keine begehen. Ich lächelte und spazierte die Straße hinunter. Es war noch immer warm, aber die Sonne stand schon tief. Eine lauschige Nacht würde anbrechen. So richtig wie geschaffen für einen Spaziergang an einem Abend, an dem ich Strohwitwe war…

Der Park befand sich in der Nähe. Ich war selten um die Tageszeit hier, die Schatten ließen alles fremd aussehen. Niemand war da außer mir. Ich ging ein Stück den Weg entlang und setzte mich schließlich auf eine Bank. Ich hatte keinen Grund schwermütig oder irgendwie nachdenklich zu sein, aber ich musste mir eingestehen, dass ich vor meinen Gedanken aus der Wohnung geflohen war. Trotzdem wusste ich jetzt genau, dass ich mich hier mit der Geschichte auseinandersetzen würde, die mir vor ein paar Tagen zu Ohren gekommen war. Sie drehte sich um Sarah, einer Kollegin aus dem ersten Stock. Ich kannte sie nicht gut, das musste ich zugeben. Und dennoch beschäftigte mich ihre Erzählung. Ich kam nicht los davon… Albert hatte gelacht, als ich ihm von der Sache erzählte. „Ich gebe zu, dass es arg ist. So was kann im Berufsleben durchaus vorkommen. Auch in deiner Firma… Aber du kannst sie jetzt nicht zu deinem Anliegen machen.“ Dann hatte er mich in die Arme genommen. „Schlaf drüber. Dann wird es einfacher!“

Es war nicht einfacher geworden. Mein Kopf setzte sich nach wie vor mit den Vorfällen auseinander… Sarah war eine Frau Mitte dreißig, die in der Buchhaltung arbeitete. Ihr Chef war ein älterer Herr, Wilhelm Spallek, ein väterlicher Typ, aber auch ein Macho. Eine Frau hätte er nie als gleichwertigen Kollegen akzeptiert, und von Gleichberechtigung hielt er gar nichts. Denn eine Frau war vor allem für Mutterschaft und Familie geboren. Davon war er felsenfest überzeugt… Buchhalterin Sarah war lange Jahre ein Mauerblümchen gewesen. In ihrer Ehe schon lange nicht mehr glücklich, litt sie viel zu lange Zeit bis ihr Mann sie an die Luft setze. Er hatte eine Neue… Wider Erwarten verarbeitete Sarah die Trennung wirklich gut. Sie nahm ein wenig ab und färbte sich das aschblonde Haar rot. Spallek, ihren Chef, hätte fast der Schlag getroffen. Er redete sogar einmal mit ihr, dass ihm das nicht gefiel. Anscheinend meinte er, das würde genügen um sie „vernünftig“ zu machen. Sarah dachte aber im Traum nicht daran diesem Wunsch ihres Chefs nachzukommen. Sie fühlte sich gut so wie sie war und sie genoss ihr Singleleben. Und das passte Spallek nicht. Überhaupt nicht…

Er begann Sarah immer öfter mit Ratschlägen zu versorgen, wie sie sich am besten einen Mann angeln könnte. „Sie werden mir dankbar sein, wenn Sie erst wieder verheiratet sind!“ Seiner Meinung nach sollte eine Frau nicht alleine leben, ohne Mann war sie unvollständig und verloren. Das war für ihn sonnenklar und diese Denkungsweise lebte er auch daheim aus, als echter Patriarch. Eine Frau, fünf Kinder und ein strenges Regiment. Dem Vernehmen nach wagte es die Gattin nicht, ihm auch nur ansatzweise zu widersprechen. Sarah hingegen hatte Null Interesse an dieser Form der Zwangsbeglückung. Außerdem ging es Spallek überhaupt nichts an, wie sie es privat hielt. Verbat sie sich anfangs noch die „guten“ Tipps, ignorierte sie ihn sie ihn später völlig und kümmerte sich nicht um sein Geschwafel.

Schon merkwürdig, dass Spallek, ein echter Konservativer, Sarah nicht einfach in Ruhe lassen konnte. Das Ganze eskalierte nach und nach. Man begann sich schrittweise Nadelstiche zu versetzen. Lobte Spallek seine Lieblingsgruppe, die Flippers, in höchsten Tönen, dann tauchte Sarah am nächsten Tag sicher in einem T-Shirt der Rockgruppe AC/DC in der Arbeit auf. Die wiederum Spallek als „ kranke Tiere“ vernaderte… Und wenn Sarah ein Fehler passierte, dann stellte sie Spallek in der Abteilung bloß und schloss meist mit dem Satz, dass sie es nie kapieren würde. Auch politisch standen die beiden in unterschiedlichen Lagern. Spallek outete sich offen als „braver“ FPÖ-Wähler und Sarah sympatisierte mit den Grünen. Der Schlagabtausch erfolgte oft subtil und unterschwellig. Sarah setzte dem Ganzen noch die Krone auf, indem sie gezielt das Gegenteil von dem lebte, was zu Spalleks Wertvorstellungen gehörte. Sarahs spitze Stückelschuhe erregten besonders den Unmut ihres Chefs. Spallek bezeichnete diese als Nuttenschuhe, die keine Frau tragen würde, die nur ein wenig Anstand in sich hätte…

Mittlerweile war mehr als ein Jahr seit Sarahs Scheidung vergangen und sie machte nach wie vor keine Anstalten, sich wieder auf eine Beziehung einzulassen. Die unterschwellige Auseinandersetzung zwischen Vorgesetztem und Angestellter zermürbte beide Seiten, vor allem aber Sarah. Und schließlich hatte sie kürzlich gekündigt, nach fast zwölf Jahren in der Firma. Wie hatte sie zu mir gesagt? „Das Leben ist zu kurz um es mit Leuten zu vergeuden, die nur Kraft kosten.“ Sarahs Entscheidung war richtig, das wusste ich, und doch hätte ich diesem Spallek gerne einmal die Meinung gesagt. Sein Frauenbild war indiskutabel und faschistoid – aber hätte mein Vortrag etwas gebracht? – Es war dunkel geworden und ich stand auf um langsam wieder heimzugehen. Ali war noch nicht da, aber er hatte mir eine SMS geschickt. „Ich vermisse dich!“ konnte ich lesen. Gott sein Dank waren nicht alle Männer wie dieser Spallek…

Vivienne/Gedankensplitter

Schreibe einen Kommentar