…für das Leben lernen wir!

Die erhitzten Gemüter von Lehrer wie Schülern um „wohl erworbene Rechte“, schulautonome Tage und Streiks riefen in mir selber eine Reihe von Erinnerungen an eine lange Zeitspanne wach, in der ich selber noch als Kind oder Teenager die Schulbank drückte. Nach dreizehn Jahren schloss ich diese „Ära“ mit der Matura ab, die Reife und die wahren Erkenntnisse kamen aber erst mit den Jahren. Und vor allem der Mut zu sagen, meine Kinder sollten einmal eine bessere Schulerziehung genießen… Zwar waren mir dann aber aus welchen Gründen auch immer keine beschieden, aber eines wurde mir – auch im Gespräch mit einer Schulkollegin neulich – wieder bewusst: Lehrerwillkür kann Schülerleben zerstören – Übergriffe, die meist ungesühnt bleiben und auch nicht realisiert werden von den Pädagogen, die oft keine sein dürften: Eignungstests gibt es nämlich keine, und wer das Studium schafft, wird auf die Kinder losgelassen, auch wenn er irreparablen Schaden anrichtet – und das nicht einmal selber kapiert…

Unvergessen der Bericht einer Bekannten, deren zweiter Sohn vor ein paar Jahren von einer Volksschullehrerin als lernunwillig und bösartig diffamiert und gedemütigt wurde – bis sich herausstellte, dass der Bub an einer seltenen Lernstörung litt, hochintelligent aber auch besonders förderungswürdig war. Wenn auch die schlimmen Übergriffe dieser Person ein Ende hatten (berufliche Konsequenzen gab es übrigens keine für sie), erschreckend blieb, laut meiner Bekannten, das Unwissen nachfolgender Lehrer über irgendwelche Lernstörungen. Man lernt/e wohl auf PÄDAK wie auf UNI das Pauken von Lernstoff, aber ganz gewiss nicht, wie man auf eine sensible, empfindsame Kinderseele eingeht. Vor allem nicht, wenn sie aus der Norm fällt… Ich weiß natürlich nicht, wie es heute im Detail aussieht, aber der damalige Status quo ist ein Armutszeugnis. Und dass es zumindest durchaus öfter so lief, das weiß ich aus meiner eigenen Schulzeit.

Unvergessen der eigene Klassenvorstand in der Hauptschule, der seine Schüler gezielt mit der Nadel-Stich-Methode fertig machte, bloß stellte (oder es versuchte), sie erniedrigte und keine Gelegenheit ausließ für (ja wirklich) Anzüglichkeiten. Solch ein Verhalten resultierte aus eigenen Minderwertigkeitsgefühlen dieses Mannes, der sich groß fühlte, wenn er die ihm wehrlosen Anvertrauten klein machten durfte. Unvergessen auch die hoch geachtete Hauptschullehrerin, die den Schülern teilweise Ohrfeigen androhte, wenn etwas nicht passte (besonders den Buben). Nicht nachvollziehbar jener andere Hauptschullehrer, der sich über die Leistungen schlechter Schüler oder deren Ambitionen auf höhere Schulen lustig machte. Desgleichen ein anderer, der einen Schüler ohrfeigte, dass er aus dem Ohr blutete. Das kann doch nicht sein, meinen Sie, liebe Leser? Nun aus dem ersten und dem dritten Herrn wurden noch Hauptschuldirektoren, der zweite avancierte sogar zum Bezirksschulinspektor.

Schon schlimm genug, wenn angehende Lehrer nichts über die Förderung von Lernstörungen wissen müssen und genau so wenig über die Förderung oder bessere Integration der Betroffenen in den Schulunterricht. Nachdenklich wird man, wenn ein ungeeigneter Pädagoge seinen Animositäten freien Lauf lässt. Das ist wohl jedem von uns schon passiert, auch aus meinem „Schulleben“ gibt es ein paar Beispiele dafür: eine neue Handarbeitslehrerin in der Hauptschule konnte mich nicht leiden und wies mich ständig zurecht wegen der Art wie ich mich gab und redete (!). Meine Leistungen in dem Gegenstand waren daher unter meinen Möglichkeiten, einmal bekam ich sogar ein Genügend in Handarbeiten. Dass ich zu mehr fähig war, zeigte sich spätestens nach der Schulzeit, als ich meine Fertigkeiten in Häkeln, Stricken und Sticken in Eigenregie vervollkomnete und meine Handarbeiten (von Tischdeckerln bis gestickten Ostereiern) in der Verwandtschaft der große Renner waren. Als Fazit kann ich nur sagen, dass mich diese Lehrerin in meiner Entwicklung in dem Bereich behindert hat, weil ich ihr nicht zu Gesicht stand. Nicht dramatisch an sich, weil kein Hauptgegenstand, aber letztlich hinterließ dieses Vorgehen doch auch Narben auf meiner Kinderseele. Ein Lehrer ist sich oftmals dessen nicht bewusst was er anrichtet…

Ähnliches passierte mir in der Mittelschulzeit noch häufiger. Erst das Wiederholen einer Klasse brachte mich in einen Kreis engagierter Lehrer, denen die persönliche Entwicklung der Schüler doch wichtiger schien als das Abbauen eigenen Frustes. Besonders prägnant dabei mein „Aufstieg“ in Geschichte: hatte mir zuvor mein damaliger Lehrer sogar ein Genügend in Geschichte verpasst, weil ich anderen gern bei den Prüfungen einsagte und er mich (nicht nur deswegen) auf der Schaufel hatte, brachte mir hier der „Wechsel“ den Nimbus der Klassenbesten in dem Gegenstand ein und in Folge auch ein Sehr gut bei der Matura. Ein Verdienst der betreffenden Pädagogin, die mich förderte und motivierte… Ähnliche Verbesserungen gab es bei mir vor allem auch in Deutsch (!) und ganz besonders in Mathematik, wo zwei versierte, hochintelligente aber durchaus auch lockere Lehrer mehr aus mir herauszuholen vermochten, als ich selbst geglaubt hatte. Natürlich, das möchte ich festhalten, sind es nicht nur einfach schlecht geeignete Lehrer, die Schüler hemmen. Manchmal passen auch die Persönlichkeiten von Schüler und Lehrer an sich nicht zusammen, und auch dann sollte man sich Konsequenzen (als Schüler wie als Eltern) überlegen, weil für die Zukunft des Kindes zu viel davon abhängt.

In dem Jahr, in dem ich zur Wiederholung antreten musste, blieb eine Reihe von Schülern aus unserer Klasse auf der Strecke. Als klar war, dass wir es nicht schaffen würden, versuchten ein paar Kollegen, uns zu überreden, in der Gruppe beisammen zu bleiben um in eine Klasse zu kommen, in der – Sie werden es vielleicht vermuten – fast die gleichen Lehrer unterrichteten wie in der ursprünglichen Klasse, in der ich gescheitert war. Ich wehrte mich, vehement, weil mir damals schon klar war, dass ich mit diesem Mathematiklehrer nie zurechtkommen würde. Der spulte sein Programm ab und studierte nebenbei schon Informatik – hatte wohl selber durchschaut, dass er als Lehrer nicht geeignet war. Ich wehrte mich also, und im Übrigen nicht nur ich. Eine der klügsten Entscheidungen in meinem Leben, ich bin mir sicher, dass ich sonst wieder gescheitert wäre und nur ein perspektivenloser Schulabbrecher aus mir geworden wäre. Man muss seinen eigenen Weg gehen, auch wenn man oft vermittelt bekommt, als wäre man im Kollektiv sicher – oder doch nur scheinbar?

Auf die Diskussionen zu den Streiks und „wohl erworbenen Rechten“ von Schülern wie Lehrern möchte ich an dieser Stelle gar nicht erst weiter eingehen. Nur so viel: in einem „geschützten“ Bereich gelten ohnedies andere Gesetze als im normalen Berufsleben. Dort gibt es keine Gewerkschaft, dort wird niemand gefragt… Aber im Zuge dieser nicht zu unterschätzenden Krise wird noch mancher lernen müssen, dass nichts hält im Leben, auf das man sich verlassen hat, auf das man gebaut hat. Als einer Frau, die auf eine lange Schulzeit zurückblicken kann, bleibt mir nur die Erkenntnis, dass es im Zuge veränderter Gesellschaftsstrukturen noch viel zu tun gibt, um auf Schüler noch besser einzugehen. Und besonders auch um Lehrer noch vielseitiger zu schulen, getreu dem Motto: Nicht für die Schule, für das Leben lehren wir…!

© Vivienne

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