Staunend hörte ich heute früh um 9:00 Uhr die Nachrichten im Radio und konnte zuerst gar nicht fassen, was sich da vergangene Nacht in einem Schiff, das mit 800 Stundenten von Passau aus Richtung Oberösterreich unterwegs war, zugetragen hatte. Faktum ist, dass sich dort eine unglaubliche Sauftour abgespielt haben muss bis hin zum totalen Kollaps. Als einer der Studenten der Universität Passau Blut erbrach, wurde von zwei anwesenden Sanitätern um ärztliche Hilfe ersucht. Eine Hilfe, die zunächst nicht ausreichend war, wenn man sich dieses kollektive Besäufnis von der Nähe betrachtete. Sieben bewusstlose Leute mussten letztlich Spitalspflege in Anspruch nehmen, der Rest der vermeintlich intellektuellen Truppe (immerhin gilt in Deutschland der Numerus Clausus) soff frisch und fröhlich weiter.
Ein anwesender Arzt war erschüttert über den Anblick, den Deutschlands Hoffnung dort bot. In 25 Jahren Praxis sei ihm so etwas noch nicht untergekommen, versicherte der versierte Mediziner glaubhaft. Die berüchtigten Zeltfeste am Land nähmen sich vergleichsweise harmlos dagegen aus. Während man bei der Schifffahrtslinie, von der das Schiff für das „Sauf-Event“ gemietet worden war, nun über Konsequenzen wegen dieses Desasters nachdenkt, gerät man angesichts einer solchen Geschichte durchaus ins Grübeln. Auch wenn vielleicht mancherorts der Eindruck entstanden ist, ich wäre eine fanatische Alkoholgegnerin – diese Überlegungen treffen ganz sicher nicht zu. Ich brauche Alkohol bestimmt nicht zum glücklich sein, wenn es passt, kann es aber durchaus vorkommen, dass ich ab und zu in Maßen konsumiere – ohne die Kontrolle über mich zu verlieren.
Alkohol sollte im Grunde ein reines Genussmittel sein, darauf habe ich schon öfter hingewiesen, aber ich werde durch die Volksmeinung immer wieder eines Besseren belehrt. Gerade für junge Leute scheint der Zustand des hemmungslosen Rausches so erstrebenswert zu sein, dass man selber darüber verzweifeln möchte oder, so wie ich, froh ist, keine Kinder zu haben, die man vom exzessiven Alkoholkonsum abhalten müsste. Ich gestehe, dass ich noch nie das Verlangen hatte, über den Durst zu trinken. Oder anders formuliert: ich spüre sehr schnell, wenn ich nichts mehr vertrage und lockere den Genuss von alkoholischen Getränken immer wieder mit Mineralwasser oder Kaffee auf. Ich bin stets gut gefahren damit und glaube auch nicht, dass ich durch mangelnde Erfahrung an Vollräuschen irgendetwas versäumt habe im Leben. Ganz im Gegenteil.
Bei uns am Land gibt es einen schlauen Spruch, der sich gerade auf solche Fälle sehr gut anwenden lässt: Ein Tier weiß, wann es genug hat. Traurig in diesem Zusammenhang, dass das die vermeintliche Krone der Schöpfung so oft nicht weiß oder merkt. Der Trend geht dazu, dass schon nicht zum Alkoholismus tendierende Teenager in den Schulen und in Cliquen zu Außenseitern degradiert werden. Attribute wie „Du bist fad, langweilig oder ein Spaßverderber!“ lassen einen an der Entwicklung dieser Gesellschaft verzweifeln. Um zum eingangs erwähnten Fall zurück zu kehren: Bizarr erscheint mir in dem Zusammenhang vor allem, dass sich diese Saufgruppe nicht aus Dummköpfen oder Minderbemittelten an sich zusammensetzte sondern tatsächlich mit Studenten und Absolventen der Universität Passau. Junge Leute mit Matura (Abitur) und niedrigem Notendurchschnitt sowie angehende Akademiker.
Angst und bang kann einem da werden, wenn man sich vorstellt, dass sich eine solche vermeintliche „Elite“ zu so einer Orgie hinreißen lässt. Das sind ja keine dummen Teenager mehr sondern hauptsächlich Twens, die eigentlich schon fest im Leben stehen müssten. Soll mir keiner einreden, dass das ein einmaliger Ausrutscher war, weil sich halt im Kollektiv so leicht und gut säuft…! Entweder ich habe meine Sinne beieinander oder nicht, entweder kann ich die Folgen von übermäßigem Alkoholkonsum abschätzen oder nicht. Entweder bin ich ein Mensch mit Hirn und Verstand, der sich im Griff hat, oder ich habe so manche Lektion im Leben einfach noch immer nicht kapiert.
Alkohol ist schließlich kein Aufputschmittel und kein Fröhlichmacher und absolut nicht lebensnotwendig. Wer wohl diese Sauftour auf dem Schiff „Stadt Linz“ finanziert hat? Die Frage drängt sich mir förmlich auf. Der Eindruck lässt sich nicht leugnen, dass der oder die Leute mit dem Saufverhalten der Studenten durchaus gerechnet haben oder es sogar bewusst oder unbewusst gefördert haben. Schade um das viele Geld, das man sicher weit besser nutzen hätte können! sage ich ganz gezielt und provokant. Welch eine Verschwendung, so viele Räusche mit mehrtägiger Halbwertszeit und sogar ein paar Krankenhausaufenthalte damit verursacht zu haben! Aber während ich mir hier Luft mache, weiß ich genau, dass es nicht zu wenige in diesen Landen gibt, die über meine Worte den Kopf schütteln, mich als verzopft und altmodisch und was weiß ich noch abtun, weil ich dem Alkoholmissbrauch allgemein und in diesem speziellen Fall nicht applaudiere. Saufen ist doch cool!
Im Vertrauen, liebe Leser: ich muss ganz sicher nicht immer im Trend liegen…
© Vivienne