Ein Eintrag ins Tagebuch – Teil 27

Was für eine Frühlingsnacht mitten im Winter!
Der Wind zerzaust mein Haar.
Ich bin heute spazieren.
Am frühen Abend.
Allein.
Denn du bist heute nicht bei mir.
Dienstlich in Tirol.
Und du musst über Nacht bleiben.
Du fehlst mir.
Obwohl wir vor einer Stunde telefoniert haben.
Dein Lachen klingt noch in meinen Ohren.
Viel lieber würde ich dich aber spüren.
Real.
Deinen Arm um mich gelegt.
Deinen Mund, wenn du mich küsst.
Oder deine Schultern.
Einfach an dich gelehnt.
Die Augen schließen.
Eins werden mit dir…
Im Geiste…
Du bist nicht da.
Und ich spaziere schon eine Weile.
Fast etwas unruhig.
Unstet.
Bin ich etwa süchtig nach dir?
Fast kommt es mir vor.
Wenn es mich so hinaustreibt.
In die Natur.
Ohne Plan und Ziel.
Wo der warme Wind meine Gefühle in Aufruhr bringt.

Ich weiß es nicht.
Aber ich gehe weiter.
Lasse meine Gedanken schweifen.
Und meine Blicke.
Purpurne Wolken am Himmel.
Sie verblassen langsam.
Die Nacht bricht herein.
Und wirft blinkende Steine auf das Schwarz.
Steine, die langsam Konturen bilden.
Dort strahlt Orion!
Mit dem Gürtel.
Daneben das Sternbild des Stieres.
Die Plejaden.
Und da eine lichte, weiße Wolke.
Die den Himmel bedeckt.
Sie schiebt sich über die Sternbilder.
Wie ein helles, halb transparentes Tuch.
Ich vermisse den Mond.
Doch der wird in ein paar Tagen neu.
Er wird erst am Morgen zu sehen sein.
Eine blinkende Sichel.
Ich weiß es genau.
Orion kämpft sich wieder unter dem Tuch hervor.
Strahlt mich an.
Und nimmt mich mit seinem Anblick gefangen.
Wie so viele Menschen schon in Jahrtausenden vor mir…

Eine Straßenlaterne zeigt mir den Weg.
Ich bin allein auf  der Straße.
Weit und breit niemand zu sehen.
Ich habe es nicht eilig.
Niemand erwartet mich daheim.
Heute nicht.
Aber morgen.
Morgen bist du da.
Und ich freue mich auf dich.
Auch wenn ich heute allein einschlafen werde.
Unsere gemeinsame Zeit ist kostbar.
Manchmal frage ich mich.
Könntest du nicht etwas anderes arbeiten?
Einen anderen Job suchen?
Kaum ein Wochenende das wir ganz gemeinsam verbringen…
Ich weiß es.
Wir haben hundertmal darüber gesprochen.
Es geht nicht anders.
Nicht jetzt.
Wir müssen da durch.
Ich höre deine Stimme wieder.
Als gingest du neben mir.
Hieltest meine Hand.
Fest und doch gefühlvoll.
Und du würdest mir Mut machen.

Besser so als gar nicht.
Besser, als hätten wir uns nie getroffen.
Besser als wäre ich noch allein.
Besser als jeder andere Mann, den ich kennen gelernt haben könnte…

Vivienne

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