Statistiken, die belegen, dass Frauen weniger verdienen als Männer, ärgern mich immer wieder. Schon als Kind, daran kann ich mich genau erinnern – ein Bericht im Fernsehen darüber erfüllte mich mit Wut und ich wurde mir meiner Ohnmacht bewusst. Heute hat sich die Situation wenig geändert, oder vielmehr dahingehend, dass diese Einkommensschere noch weiter auseinanderklafft. Traumtänzer oder Vertreter einer Spezies, die Frauen lieber am Herd als im Job sehen, drehen die Ergebnisse gerne dahingehend, dass sich das mit der Teilzeitarbeit vieler Frauen erklären würde. Auch ein früherer Chef von mir kaut dieses Märchen gerne wieder. Tatsache ist, dass bei diesen Statistiken die Stundenlöhne verglichen werden – unabhängig von der Arbeitszeit. Sie sehen selbst, das bin halt ich, ich hinterfrage vieles und bin bemüht mir kein X für ein U vormachen zu lassen. Und glauben Sie mir, da gilt es vieles in Frage zu stellen, denn unsere Gesellschaft ist rege daran interessiert, uns in gewisse Schemata zu pressen …
Keine Frage, ich bin ein Skeptiker und auch ein Zweckpessimist. Anders war ich immer schon und sieht man vom Spielen mit Puppen ab habe ich mich selten „artgerecht“ verhalten. Fußball war eine große Leidenschaft von mir und der beklagenswerte LASK, zur Zeit Tabellenschlusslicht der Bundesliga, war viele Jahre mein Lieblingsclub. Und das obwohl ich nie sportlich war und meine Sportverweigerung nicht nur Sturheit sondern vor allem Unvermögen wiederspiegelt. Wo es am Talent und an den Fähigkeiten fehlt, da hat es wenig Sinn etwas zu erzwingen. Das wurde mir besonders beim Erwerben des Führerscheins bewusst. Zwar schaffte ich es beim zweiten Anlauf, die Prüfung zu bestehen, aber es änderte nichts daran, dass mein Fahrtalent zu gering war um mich ernsthaft auf die Straße zu wagen. Letztlich dient mir der Führerschein nur als Ausweis…
Im Zuge meiner beruflichen Erfahrungen wurde mir auch bewusst, dass ich zur reinen Bürokraft nicht geschaffen bin. Eine motorische Behinderung der rechten Hand macht mich zu einem unterdurchschnittlichen Maschineschreiber. Auch wenn Sie vielleicht angesichts der Fülle meiner Beiträge zweifeln wollen – als Chefsekretärin würde ich mir keine Sporen verdienen. So kam ich zum Telefonverkauf, den ich seit Jahren ausübe – und durchaus mit Erfolg und Konsequenz. Einen Lehrabschluss als Großhandelskauffrau konnte ich nie praktisch verwerten. Aber, liebe Leser, vielleicht mache ich mich irgendwann doch noch selbständig, und da kann er sehr hilfreich sein. Während ich beruflich also meinen Weg fand, trotz Gegenwind und mit Rückschlägen, ergaben sich privat für mich immer Hindernisse, meinen Weg zu gehen. Nicht, weil ich nicht wüsste, wo es lang geht, sondern weil man mich nicht gerne gehen lässt wie ich will…
Tatsache ist, dass ich im Gegensatz zu vielen anderen Frauen, nie von einem „normalen“ Leben als Ehefrau und Mutter geträumt habe. Natürlich hat mich mein Umfeld geprägt, meine Kindheit und wohl auch die schwerwiegende Begegnung mit einem Perversen im Alter von 7 Jahren. Den Säuglingspflegekurs in der Hauptschule habe ich nur unter Gruppenzwang absolviert aber irgendwann kam der Zeitpunkt sich von der Masse der Frauen abzugrenzen. Zugestanden hat man mir das nie, weil es nicht wenige Leute gibt, die nach wie vor der Meinung sind, das wahre Glück der Frauen liegt in Ehe, Mutterschaft und Familie. Aber das stimmt nicht, jeder muss seinen Weg gehen und wer sich drängen lässt, landet in einer Sackgasse. Es geht nicht mehr weiter und man trauert verlorenen Chancen nach. Wenn man sich einmal für den Weg der Familie entschieden hat, kommt man oft nicht mehr heraus. Also ist es besser, seiner inneren Stimme zu folgen…
Eine berühmte Schriftstellerin werde ich wohl nie werden, aber meine Bestimmung ist das Schreiben dennoch geworden. Ich möchte mich dieser Leidenschaft weiter widmen und ein Mann, der sich erwartet, dass ich im Haushalt und in den „ehelichen“ Pflichten aufgehe, der würde sich an mir die Zähne ausbeißen – oder er würde mich kaputt machen. Es ist mir zu einem ständigen Bedürfnis geworden, meine Ideen und Gedanken zu Geschichten zu verarbeiten. Eine weitere Problematik ist, dass ich mich nicht unterordnen kann. Was in der Arbeit halt zum Job dazugehört, wäre mir privat in einer Beziehung ein absolutes Gräuel. Männer, die mit der Fernbedienung verwachsen sind und ständig den Platz am Computer für sich beanspruchen, würden mich schnell vertreiben. Ich möchte mein eigener Herr sein, und die Vorstellung, jeden Tag eine halbe Stunde früher aufzustehen und das Frühstück für alle herzurichten hat etwas Albtraumhaftes. Ich bleibe viel lieber selber liegen…
Grotesk genug verlief trotzdem mein Leben: zur Bauersfrau und Mutter des Hoferben wollte man mich schon machen und sogar mein früherer Chef meinte, mir das Leben als aufoperferungsvolle Ehefrau und Hausfrau, die sich durchs Leben leiten lässt, aufschwatzen zu müssen. Aber erzwingen kann man einfach nichts und was nicht sein soll, wird auch nie sein. Dass ich meine Katze für eine Beziehung mit einem Katzenfeind aufgebe, kommt für mich absolut sicher nicht in Frage. Die Liebe eines Tieres bleibt ewig, ein Mann ist nämlich üblicherweise nicht so treu und verlässlich. Das zeigt die Erfahrung. Zweifellos lebt der Widerspruch in mir, der Widerspruch gegen das, was uns Frauen üblicherweise vorgelebt wird. Und es ist mein Recht mich aufzulehnen, denn ich habe nur dieses eine Leben. Niemand tauscht es mir aus, wenn ich – weil ich nachgegeben habe – am Ende als biedere Frau beraubt aller Träume und Visionen resigniere. Abgesehen davon tauge ich nun mal nicht für ein normales häusliches Leben, und das sollten diese einmal zur Kenntnis nehmen, die mit „guten Ratschlägen“ und Hinweisen auf die „wahre“ Natur der Frau nicht sparen wollen…
Vivienne