Es gibt immer wieder Leute im Leben, die man nie richtig vergisst. Sie mögen einem nicht einmal besonders sympathisch gewesen sein oder wenigstens sonst recht außergewöhnliche Persönlichkeiten. Dass sie einem trotzdem im Gedächtnis haften bleiben, hat oftmals mit ganz anderen Gegebenheiten zu tun. Im Falle meiner früheren Kollegin Manuela lag es an ihrer schon unglaublichen Dummheit und zusätzlich noch an ihrem Plappermaul, dass sie einfach nicht halten konnte. Eine fatale Kombination… Manuela kannte ich schon lange vor Albert, sie war eine Kollegin in jenem Großhandelsunternehmen gewesen, in dem mein späterer Mann und ich uns das erste Mal über den Weg gelaufen waren – allerdings ohne dass uns damals schon Amors Pfeil schnurgerade aufeinander zusteuern ließ…
Manuela war, man möge mir verzeihen, wirklich nicht die Hellste. Unvergessen, wie sie, die die halbe Zeit im Büro wie im Geschäft mit Kaffee machen beschäftigt war, den Filterkaffee auf dem Fensterbrett in einer Dose aufbewahrte, wo er natürlich der prallen Sonne ausgesetzt war und verdarb. Als Stransky, die rechte Hand des Chefs, sie deswegen ordentlich herunterputzte, und immer wieder fragte, warum sie nicht gefragt hätte, ob man den Kaffee nicht im Büro des Chefsekretariats aufbewahren hätte können (Dort befanden sich ein Kühlschrank und ein kleiner Vorratsraum!), ließ sie den Kopf zuerst einmal ordentlich hängen. Später berichtete mir dann aber Albert selber, prustend vor Vergnügen, dass Manuela wirklich mit dem verdorbenen Kaffee im Chefsekretariat aufgetaucht war.
„Vielleicht wird der Kaffee hier ja wieder!“ ließ sie die entgeisterte Vorzimmerdame voller Optimismus wissen… Der Vorfall avancierte zum Tagesgespräch in unserer Firma und allein die Vorstellung, dass jemand ernsthaft glauben konnte, verdorbener Kaffee könne sich bei kühler Lagerung de facto wieder „erholen“, ließ die Kollegen johlen vor Vergnügen. Zweifellos war Manuela im Grunde eine bemitleidenswerte Person, da sie sich aber auch immer wieder durch Falschheit und Intrigen auszeichnete, mochte sie niemand wirklich. Und man lachte gerne auf ihre Kosten… Ein Eigentor der besonderen Art schoss sich Manuela aber, als sie ihren unüberlegten Redefluss einmal mehr nicht steuern konnte. Neben uns erzählte sie nach dem Wochenende einer Kollegin, dass sie sich nicht besonders fühlte.
Die Kollegin erkundigte sich mitfühlend, was denn passiert wäre. Manuela seufzte laut und registrierte nicht, dass Stransky bereits das Büro betreten hatte und zuhörte. Sie plapperte einfach drauf los. „Schrecklich. Mein Steißbein tut mir so weh! Ich weiß kaum, wie ich sitzen soll!“ Auch Stransky wurde hellhörig, er trat näher während Manuela fortsetzte. „Und weißt du warum? Mein Freund hat mich vorgestern auf der Waschmaschine gevögelt! Stell dir das vor!“ Wir, ein paar Kollegen, steckten die Köpfe ein und versuchten zu verbergen, dass wir schon über das ganze Gesicht grinsen mussten. Stransky hingegen lachte lauthals los. „Auf der Waschmaschine hat er dich gevögelt? Das ist mir aber schon einer, Mädel. Das gut ganz schön weh, was?“ Er klopfte ihr vergnügt auf die Schulter während ich mich gezwungen sah, mich unter den Tisch zu bücken, weil mir die Tränen vor lauter lachen über das Gesicht rollten. Allein die Vorstellung…!
Die Geschichte machte wie üblich schnell die Runde und ich war nicht unbeteiligt daran, das gebe ich zu. In einer Rauchpause stand ich wie damals üblich mit Ali und Toni, einem anderen Kollegen, beisammen und erzählte ihnen den Vorfall, wobei ich vor lauter Gekicher ein paar Mal fast erstickt wäre. Lachen und Rauchen verträgt sich nämlich nicht… Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Aber während sich Manuelas Steißbein in den nächsten Tagen wieder erholte, prasselten anzügliche Äußerungen und beißende Ironie auf die Kollegin ein. Manuela war ernsthaft sauer, aber je mehr sie sich aufregte, desto mehr eskalierte die Situation, denn in der Firma nahm sie kaum noch jemand ernst. Man nannte sie nur noch Waschmaschine…
Höhepunkt der Affäre war ein Vorstoß Stranskys in Sachen Geburtstaggeschenk für Manuela, an einem Nachmittag mitten im Sommer: „Warum kauft ihr ihr denn keine Spielzeugwaschmaschine? Meine Nichte hat auch so was. Man kann mit den Dingern sogar ein wenig waschen und ihr könnt Manuela dann ja vorschlagen, sie soll in Hinkunft beim Sex mit ihrem Freund darauf ausweichen – vielleicht ist der Sex auf so einer Waschmaschine „steißbein-schonend…! Ihr könnt ja mal fragen, ob es so einen Waschgang gibt!“ Er grinste boshaft und wir bogen uns einmal mehr vor Lachen. Manuela erfuhr von dem Vorschlag, fand ihn aber ihrerseits nicht besonders amüsant. Was ich gut verstehe, aber nichts daran änderte, dass es Monate dauerte, bis die Anzüglichkeiten wegen der dummen Geschichte endlich nachließen… aber ich habe Manuela deswegen auch nie vergessen können!
© Vivienne