Bis zum Frühjahr 2013 hatte ich in dieser Rubrik regelmäßig von meinem Besuchen im Cafe Steiner erzählt. Ich habe dabei versucht Charaktere wie etwa jenen des nörglerischen Stammgast Helmuth ein wenig vorzustellen, wollte aber auch virtuelle Einblicke in Klassentreffen, Hausversammlungen und Silvesterparties schaffen.
Das „Steiner“, ein kleines Kaffeehaus im 2. Bezirk, hatte ich damals recht häufig aufgesucht und es zeitweise schon beinahe als ein zweites Wohnzimmer wahrgenommen. Und dennoch keimte dann vor beinahe schon zwei Jahren in mir der Entschluß diese Zeit hinter mir zu lassen. „Das ist doch auch nichts ungewöhnliches“, werdet ihr euch jetzt vielleicht denken. Das ist natürlich schon richtig – aber dennoch möchte ich heute meine Beweggründe ein wenig erläutern und auch von einem kürzlich doch erfolgten Besuch in meinem ehemaligen Stammlokal erzählen.
So manche kleine Kaffeehäuser in etwas versteckten Wiener Seitengassen leben in erster Linie von ihren Stammgästen. Dieser Umstand trifft zweifellos auch auf das Cafe Steiner zu, wo nur selten fremde Gesichter erspäht werden. Die überschaubare Zahl von Stammgästen bildet eine vermeintliche Einheit in dem Lokal, in welchem diese doch mehr oder weniger zufällig aufeinandergetroffen sind. Es entsteht oft der Eindruck, dass sich diese Leute durch den Austausch bei Kaffee, Bier und anderen Getränken schon besser kennen würden und sich eine freundschaftliche Gemeinschaft gebildet hätte. Doch ist das wirklich so?
Eine generelle Antwort kann und will ich darauf nicht geben, denn meine Betrachtung bezieht sich auch in erster Linie auf meine subjektiven Wahrnehmungen. Ja, natürlich waren mir einzelne Gäste schon recht vertraut und ich hatte Einblicke in manche Lebenslagen erhalten und diese auch umgekehrt gewährt. Auch will ich nicht bestreiten, dass in einer solchen Runde echte Freundschaften entstehen können, was ich letztlich selbst – wenn auch nicht im Cafe Steiner – schon erleben durfte.
Was mich in meinem einstigen Stammlokal aber zunehmend belastet hatte war die Oberflächlichkeit in den Gesprächsrunden. Es wurde mir nachgesagt, dass ich ein guter Zuhörer sein könne und tatsächlich habe ich mich bemüht für die Sorgen der anderen ein offenes Ohr zu haben. Es liegt aber in meiner Natur, dass ich es ablehne Probleme breitzutreten, sondern sie mich soweit interessieren, wie ich selbst einen konstruktiven Lösungsansatz beitragen kann. Ich hege seit jeher meine Zweifel daran, ob ich diese Sichtweise auch ausreichend und verständlich nach außen trage. Dazu kam dann noch, dass ich mich – naturgemäß – nicht mit allen vertretenen Charakteren arrangieren konnte, aber auch zu wenig bereit war dies zum Ausdruck zu bringen. So kam es eben dazu, dass die Abende im Cafe Steiner für meine Psyche eine zusätzliche Anspannung bedeuteten und ich es für notwendig sah einen Abstand zu dem Lokal zu gewinnen.
Auch wenn es mir manche nicht zutrauen mögen habe ich kein Problem damit einen ausgereiften Entschluß umzusetzen. Ich war doch bestimmt nicht böse auf das Cafe Steiner gewesen, aber ich ließ mich in den letzten knapp eineinhalb Jahren dort auch nicht mehr blicken. Es dürfte wohl die Neugierde gewesen sein, die mich dazu veranlaßt hat Anfang Dezember in meinem einstigen Stammlokal vorbeizuschauen um zu sehen was sich unter den einst vertrauten Gesichtern getan hat. Dass ich einen gewissen Überraschungseffekt auslösen könnte war mir bewußt, wenngleich mir dieser Umstand gar nicht mal so recht war.
Es war ein Samstag Abend als ich das Cafe Steiner betrat und nach einem kurzen Gruß an der geräumigen Schank Platz nahm. Wie erwartet hatte Kellner Martin an diesem Tag Dienst versehen und unterhielt sich gerade mit einem Gast. Das Lokal war nicht allzu gut besucht und die Gesichter waren mir überwiegend vertraut. Innerhalb von wenigen Augenblicken geschah das womit ich gerechnet hatte – der verlorengegangene Stammgast wurde wiedererkannt.“Pedro, dass du mal wieder bei uns bist freut mich aber“, begrüßte mich Martin sichtlich überrascht. Die Hintergründe zu meiner Auszeit wußte er ebenso wenig wie die anderen Stammgäste.
Im Laufe des Abends bekam ich dann zu hören, dass man sich „große Sorgen“ um mich gemacht hätte, weil ich nichts von mir hören hätte lassen. Ich würde gegenüber Freunden bestimmt nie über Wochen oder gar Monate „abtauchen“, denn es ist klar dass sich diese berechtigte Sorgen machen würden. Bei recht oberflächlichen Bekanntschaften aus dem Stammlokal sieht das für mich ein wenig anders aus. Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass ich den Stammgästen im Cafe Steiner nichts schlechtes nachsagen will sondern die beschriebene Situation ein klassisches Beispiel für mein soziales Verhalten darstellt. Jedenfalls konnte ich einen angenehmen Abend im Cafe Steiner verbringen, bei dem ich aber indirekten Fragen über die Hintergründe zu meinem längeren Fernbleiben bewußt auswich.
Wie der Titel dieses Beitrages – „Die vorsichtige Rückkehr“ – schon vermuten lässt will ich künftig nur mehr sporadisch im Cafe Steiner vorbeischauen. Aber ich hoffe doch, dass ich fallweise von der einen oder anderen Begebenheiten aus dem Wiener Kaffeehaus berichten kann …
Pedro