„Vivi!“ Die Stimme meines Mannes drang melodiös aus dem Flur ins Wohnzimmer, wo ich gerade beschäftigt war, die frisch gewaschenen Vorhänge wieder aufzuhängen. „Vivi! Hilfst du mir bitte mit dem Paket? Ich kann die Schlüssel sonst nicht abziehen und die Tür nicht zumachen!“ Ich grinste verstohlen, stieg von der Leiter und folgte seinem Ruf. Ein Salzburger Versandhaus hatte mich kürzlich wieder zu einer ausgiebigen Bestellung verlockt – die Regale für das Bad und der Fönhalter hatten mir so gut gefallen, dass ich Ali überredete, dass wir uns die Sachen einmal unverbindlich zusenden lassen sollten. Also nahm ich meinem Mann, das große, aber auch vergleichsweise leichte Paket ab und trug es ins Wohnzimmer. Ali kam gleich mit dem Schlüsselbund nach und Minuten später begutachteten wir auch schon die Artikel mit zufriedener Miene. Das alles würde hervorragend in unser Badezimmer passen. Nachdenklich hob Alibert noch eine letzte Schachtel hoch. „Was ist denn das? Haben wir das sicher bestellt?“
Ich nickte. Das musste das Bastelset für Frau Prömmer vom ersten Stock sein. Frau Prömmer hatte mich schon vor längerer Zeit einmal gebeten, bei unserer nächsten Bestellung bei jenem Versandhaus nicht auf sie zu vergessen und etwas für sie mitzunotieren. „Ich bringe das Frau Prömmer gleich hinunter und lasse es mir auch gleich bezahlen, damit die Sache aus der Welt ist, okay? Die Schachteln räume ich aber vorher noch weg!“ Während Ali sich gleich eilfertig ins Bad begab, um die Regale dort anzubringen, griff ich nach den Schlüsseln, die Ali auf dem Couchtisch abgelegt hatte, und verließ mit dem Bastelset unsere Wohnung. Die drei Stockwerke lief ich leichtfüßig zu Fuß hinunter und wenige Schritte führten mich schon vor die Wohnungstür der Prömmers. Ich läutete und Frau Prömmer öffnete die Tür. Ihre Augen wurden groß, als sie das Bastelset in meinen Händen identifizierte. „Das ist aber schnell gegangen, kommen Sie doch herein!“
Ich ging mit Frau Prömmer ins Wohnzimmer. Im Grunde genommen sah die Wohnung genau wie unsere aus, nur war sie spiegelverkehrt angelegt. Mich persönlich verwirrt so eine Situation immer, ich tue mir ehrlich gesagt sehr schwer, links und rechts zu unterscheiden und ich neige dann dazu, die Orientierung zu verlieren… Aber ich ließ mir nichts anmerken, während Frau Prömmer einen Redeschwall vom Stapel ließ und ihrer Begeisterung über das Bastelset freien Lauf ließ. Frau Prömmer war eine ganz nette Frau Mitte Vierzig, sehr redselig und auch ungewöhnlich gastfreundlich. Ich zeigte ihr die Rechnung des Versandhauses und sie griff gleich nach ihrer Geldbörse und bezahlte mir den offenen Betrag. „Ich darf Ihnen aber noch eine Tasse Kaffee anbieten, nicht wahr? Sie haben doch sicher noch ein paar Minuten Zeit?“
Aber natürlich hatte ich. Ali würde mich jetzt ohnedies nicht brauchen, der war mit den Regalen beschäftigt und in einer halben Stunde würde ich dann das Mittagessen machen. Da passte mir der Kaffee bei Frau Prömmer sehr gut rein… Ich sah mich hilfesuchend um. „Frau Prömmer, ich müsste mal ganz schnell auf die Toilette…“ Frau Prömmer lachte freundlich. „Aber natürlich! In der Zwischenzeit setze ich den Kaffee auf!“ Unschlüssig drehte ich mich um. Also wenn diese Wohnung spiegelverkehrt angelegt war, dann musste das da vorn die Tür zum WC sein. Ich setzte mich entschlossen in Bewegung und öffnete die Tür. Als das Plätschern an mein Ohr drang, wurde mir innerhalb weniger Sekunden klar, dass ich genau wieder die falsche Tür erwischt hatte. Ich befand nämlich im Bad und das nicht allein. Herr Prömmer zog gerade den Duschvorhang zur Seite und trat aus der Duschkabine – nackt wie Gott ihn geschaffen hatte: viel Pelz auf der Brust und gar nicht übel bestückt, wie ich nach dem ersten Schreck registrierte. Dann drehte ich mich aber sofort um, weniger aus Schreck oder Scham sondern weil ich Angst hatte, laut loszukichern.
Ich presste die Lippen fest aufeinander und nach ein paar Augenblicken hörte ich mich wieder mit völlig ungerührter Stimme. „Entschuldigung, Herr Prömmer, eigentlich wollte ich auf das WC. Lassen Sie sich durch mich nicht stören!“ Dann lief ich hinaus ohne mich noch einmal umzudrehen und sperrte mich am WC auf der anderen Seite ein, wo ich als allererstes einmal laut loslachte. Dann verrichtete ich meine Notdurft doch noch und begab mich so locker, als wäre nichts gewesen, zurück zu Frau Prömmer ins Wohnzimmer. Minuten später folgte mir ihr Mann, mittlerweile vollständig bekleidet. Er wirkte etwas missmutig auf mich und musterte mich ununterbrochen, aber er verlor kein Wort über den Vorfall, bei dem ich ihn völlig unbekleidet in Augenschein nehmen hatte können. Ich hatte den Eindruck, ihm war das Ganze peinlicher als mir, aber ich sah auch keinen Grund, die Geschichte breit zu treten. Schließlich war nichts passiert… Während ich den Kaffee schlürfte und einem weiteren Monolog von Frau Prömmer lauschte, fragte ich mich, wie Ali wohl meine unheimliche Begegnung der dritten Art mit Herrn Prömmer im Adamskostüm aufnehmen würde? Ob er wohl auch so lachen würde wie ich…? Mal sehen…
Nach einer wahren Begebenheit…
© Vivienne