Die krausen Blüten der amerikanischen Justiz

Wie man der Presse entnehmen darf, hat die amerikanische Rechtssprechung wieder einmal mit einem Aufsehen erregenden Urteil von sich reden gemacht. Lassen Sie mich die Geschichte erzählen: Ein amerikanischer Richter wurde vor drei Jahren bei einer unpassenden Nebentätigkeit während eines Mordprozesses ertappt. Mit einer Penis-Pumpe, die der Jurist zum Fünfziger als Gag-Geschenk erhalten haben will, hat er mehrmals Hand an sich selber gelegt. Nicht zu akzeptieren, nicht weil unmoralisch sondern völlig indiskutabel während ein Mord verhandelt wird. Da geht es schließlich um mehr als nur Ordnungsgelder oder bedingte Strafen – keine Frage.

Der Richter wurde aber nicht nur aus Amt und Würden vertrieben, nein, sondern auch zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt. Als ich mir die Fakten zu Gemüte führte, konnte ich ein Kopfschütteln nicht verhindern: vier Jahre Haft, wegen Masturbation am Arbeitsplatz? Das ist nicht nachzuvollziehen. Stammleser der Bohne werden sich vielleicht erinnern. Vor einem Jahr wurde ich zweimal zu einem Prozess in Linz als Laienschöffin eingeladen und durfte mir die beiden Tage die Verhandlung bis zum Schluss zu Gemüte führen. Ein Unternehmer war wegen Betruges angeklagt, er hatte mit dem Verkauf nicht bezahlter LKW’s und Arbeitsmaschinen einige Kunden und Lieferanten geschädigt und wurde schließlich zu etwa dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.

Aus dem besagten Urteil in den USA kann ich daher nur eine Schlussfolgerung ziehen: beim Onanieren sollte ich mich am Arbeitsplatz besser nicht erwischen lassen (ein Risiko, das ich jedoch in meinem Fall mit Null gleichsetzen möchte…). Man dürfte den Richtspruch also getrost als grotesk ansehen, wenn nicht ein Mann ins Gefängnis wandern müsste, der im Grunde nichts verbrochen hat. Ich erinnere mich in dem Zusammenhang an den Bericht eines Schulwartes an einer Berufsschule, der beredt schilderte, wie gern die Lehrlinge in die Fächer ihrer Tische hineinonanieren würden – und wie unappetitlich die Aufgabe ausfallen würde, die Tische nach dem Unterricht wieder zu reinigen.

Für Schüler wie Lehrlinge ist der theoretische Unterricht oft langweilig und in ihrer Unreife ist der Griff in den Hosenschlitz nachvollziehbar – wenn auch nicht tolerierbar. Aus den beiden Gerichtstagen habe ich noch in guter Erinnerung, dass ein Prozess nicht spannend und unterhaltsam wie im Fernsehen abläuft sondern dass dort trockene Fakten und Paragraphen mitunter sehr langatmig diskutiert werden. Einer der beiden Richter in jener Verhandlung ist sogar einmal für kurze Zeit eingenickt. Ich kann also nicht in Abrede stellen, dass man – unter Umständen auch bei einem Mordprozess – abgelenkt wird und an andere Dinge denkt als an die Fakten. Dass Masturbation in einem laufenden Verfahren nichts verloren hat und geahndet werden muss, steht für mich außer Rede. Aber vier Jahre Haft?

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, liebe Leser, aber ich kann in diesem Urteil keine Logik finden. Dass der Prozess von vor drei Jahren neu verhandelt werden muss, daran will ich gar nicht rütteln. Meiner Meinung steckt hinter dem Urteil gegen den masturbierenden Richter ein veraltetes Moralsystem, obwohl Onanieren im Grunde nichts weniger als unständig oder moralisch verwerflich ist. Masturbieren stellt nur eine von vielen Facetten der Sexualität dar, auch wenn konservative Kreise vielleicht darüber ins Schwitzen kommen. Jemand, der sich selbst befriedigt ist doch kein Verbrecher! Und schon gar nicht ein Verbrecher der Art, der vier Jahre eingesperrt werden müsste. Weder der Staat noch andere Personen, Ämter oder Unternehmen wurden dadurch geschädigt.

Und das bisschen Häme, das es da und dort dazugegeben haben dürfte, wird man in der amerikanischen Justiz doch wohl in der Lage sein wegstecken zu können. Sicher hätte es durch den betroffenen Richter ein Fehlurteil geben können, aber Hand auf’s Herz: wie oft hat es in der Rechtssprechung schon Fehlurteile gegeben, hierzulande oder anderswo, weil der Richter versteckte Vorurteile pflegte oder aus einer momentanen Laune heraus handelte? Wer weiß denn schon, ob ein Richter die Übersicht in einem Prozess behält, wenn er vielleicht nebenbei von seinem Flirt träumt oder gar einen Seitensprung im Kopf plant? Auch Juristen sind nur Menschen, ergo anfällig für Fehler und Nachlässigkeiten. Das hätte man auch im Falle des besagten Juristen bedenken sollen – statt gleich mit dem Hammer zuzuschlagen.

© Vivienne

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