Die Flötenstunde

Seit Herbst vor 2 Jahren nimmt meine inzwischen fast 9-jährige Tochter privat Blötenunterricht bei einem jugendlichen Mädchen aus einer angesehenen Familie im Ort. Ihre etwas ältere Schwester gibt ebenso Unterricht. Das heißt, vor kurzem hat jene, zu der meine Tochter immer ging, die Matura gemacht (nicht im Bereich Musik) und ist volljährig geworden. Jeweils im Herbst werden im Kindergarten und in der Volksschule im Ort Info-Zetteln ausgeteilt, dann gibt es ein Treffen mit Kurzinfo sowie Gruppen- und Zeiteinteilung. Hernach fand – in unserem Fall – jeden Freitag Nachmittag eine Flötenstunde statt, welche jeweils 4 Euro kostete, die man unmittelbar bezahlte. In den kleinen Ferien wird pausiert, mit Beginn der Sommerferien ist jeweils Schluss, dann wird im Herbst neu angemeldet. Erwähnenswert ist noch, dass ihr Vater Obmann im hiesigen Musikverein ist, und sie selbst ist natürlich auch Mitglied – ich glaube, sie schlägt bei Aufmärschen eine Art Trommel im Takt.

Meine Tochter hatte großen Spaß am Unterricht und lernte sehr schnell. Erst später erfuhr ich, dass jene vermeintliche Stunde effektiv nur 20 Minuten sind, die restliche Zeit wird den anderen Kindern zugeschaut und zugehört, eventuell gemalt oder Rätsel gelöst. Diese Tatsache lässt den Flötenunterricht nicht mehr ganz so günstig aussehen – 12 Euro in der Stunde verdienen viele Facharbeiter nicht – wenn man bedenkt, dass es sich um eine Jugendliche handelt, deren Hobby, aber nicht Ausbildung, Musik ist, und die sich neben der Schule etwas verdienen will. Man könnte die 40 Minuten der Flötenstunde, wo die Kinder den anderen nur zusehen, als Zeitverschwendung betrachten, aber auch als gemeinschaftsfördernd, wenn man die Stunde mit Freunden besucht. Vielleicht soll sie aber wirklich nur günstiger aussehen als sie ist – man redet ja von FlötenSTUNDE, die Kinder sind ebenso lang weg, und es kostet nur 4 Euro!

Als kleines Problem stellte sich später heraus, dass sich die Uhrzeit, ohne dass man gefragt wurde, ob es auch passt, ständig änderte, weil immer wieder Kinder neu an- oder ganz abgemeldet wurden. Selbst meine persönliche Intervention, dass es nicht nach 16 Uhr sein soll, damit meine Tochter nicht im Winter im Dunkeln alleine nach Hause gehen muss, brachte nichts, obwohl es mir zuerst zugesagt wurde. Etwa zwei mal haben wir insgesamt auf den Unterricht vergessen, weil das eine Mal überraschend Besuch kam – da entschuldigte ich mich hinterher telefonisch – und einmal rief die sogenannte Flötenlehrerin noch an, um uns zu erinnern, was uns sehr freute. Für eine Freundin von mir war anfangs ein Problem, dass ihr Kind, das damals noch in den Kindergarten ging, einmal bei ‚Sauwetter’ einfach vor die Tür gesetzt und allein gelassen wurde, weil ein Kind ausgefallen und um dieses früher Schluss war. Aber darauf angesprochen sollte das kein Problem mehr sein.

Für die Flötenlehrerin dürfte vielleicht aufgrund der ständigen schriftlichen Erinnerungen, unbedingt abzusagen, wenn man verhindert ist, ein Problem gewesen, dass öfters jemand ohne Absage ausgefallen ist. Einerseits frage ich mich, wozu man sich bei Verhinderung unbedingt melden soll, wenn sie ja ohnehin da sein muss – nur wenn wirklich mehrere Kinder fehlen, kann sie die Einteilung ändern, wenn sie andere anruft, was aber auch umständlich ist und passen muss. Und wenn man wirklich vergisst, kann man sich ja nicht melden, bzw. würde kommen, wenn man daran denken würde! Andererseits ist es natürlich dumm für sie, wenn sie sich Zeit nimmt, und dann immer wieder quasi unbezahlte ‚Stehzeit’ hat, wobei ich nicht weiß, wie oft wirklich wer fehlte und wie genau oder ungenau es die anderen mit telefonischen Absagen nahmen. Das kommt aber auch davon, dass sie auch Kindergartenkinder nahm, die sicher der Hauptgrund für nicht ganz so gute ‚Unterrichtsmoral’ waren.

Nun stand letztes Weihnachten bevor. Am letzten Freitag vorher sollte wieder eine Weihnachtsfeier stattfinden. Für 1 ½ Stunden sollten alle 15 Flötenkinder zusammen feiern, Kekse, Weihnachtsbücher und –musik mitbringen. Hierbei orientierte ich mich nach dem Vorjahr: Ich hatte sicherheitshalber und mangels Erfahrung, was wirklich geschieht in der Zeit meinem Kind die 4 Euro mitgegeben. Jedoch waren sie wieder retourgekommen, dazu hatte jedes Kind ein kleines Geschenk bekommen, was ich sehr lieb fand. Außerdem war natürlich nur gefeiert worden. Also gab ich dieses Jahr kein Geld mit. Geschenk gab es dieses Jahr keines.

Jedoch kam in der nächsten Stunde nach Weihnachten ein Zettel mit, auf dem stand, es fehlen noch 2 Euro (so billig wegen Weihnachten!) für die ‚Weihnachtsstunde’, wie sie sie nannte, um nicht ganz so unverschämt zu klingen, wie sie war. Natürlich war nur gefeiert worden. Und selbst wenn sie mit jedem Kind 10 Minuten gelernt hätte – was nicht der Fall war – hätte das Zusammentreffen 2 ½ Stunden dauern müssen, um die 2 Euro zu rechtfertigen. Dieser Betrag entspräche bei 15 Kindern gerade einmal 6 Minuten pro Kind. Dabei hat sie niemand gezwungen, überhaupt eine Weihnachtsfeier zu machen, und ich habe noch nie gehört, dass jemand für eine solche Geld verlangt hätte! Und wenn, dann würde ich mein Kind sicher nicht hinschicken! Dagegen wollte sich die Flötenlehrerin lieber bezahlen lassen für 1 1/2 Stunden vorlesen und die Kekse zu essen, die die Kinder mitgebracht hatten, und das für insgesamt satte 30 Euro! Wie ich später im Gespräch mit einer Freundin erfahren konnte, dürfte es zu der ‚bezahlten’ Weihnachtsfeier erst gekommen sein durch übereifrige Kinder – oder deren Eltern – die dem Mädchen das Geld geradezu aufgedrängt hatten. Und nachdem es nicht stank, dachte sie sich wohl, es müssten gerechtigkeitshalber alle zahlen.

Wenig später kam wieder ein Zettel mit, auf dem stand, ab dem nächsten Monat, wäre das ‚Flötengeld’ monatlich im voraus zu zahlen. Natürlich war das unangenehm, und was mich noch viel mehr daran störte, war, dass, ohne dass es entsprechende Hinweise dafür gab, ich aus Erfahrung ahnte, dass dies heißen sollte, dass es kein Geld zurück gibt, wenn man, aus welchen Gründen auch immer, fehlt. Ich hoffte aber dennoch, dass ich, wie so manche meinen, nur ‚schwarz male’, zumal sie es ja nicht konkret erwähnt hatte, was sehr wohl angebracht und anständig gewesen wäre, während ich mich selber eher als REALISTEN betrachte, wenngleich das ‚Reale’ nur zu oft ‚schwarz’ ist.

Einerseits hatte ich ein wenig Verständnis für die Vorauszahlung, was es so manche, die es mit der Flötenstundenmoral nicht so genau nehmen, wahrscheinlich doch etwas ernster macht, sodass die Flötenlehrerin nicht gezwungen ist, so manche 20 Minuten ohne Bezahlung abzusitzen. Andererseits, da so eine negative Veränderung immer eher unangenehm ist, wäre es nicht so schlimm gewesen, hätte sie das alte System noch bis zu dem Sommerferien durchgezogen und dann im Herbst bei den Neuanmeldungen ihre Neuerungen vorgebracht.

Schließlich war Lisa krank, und ich sagte den Flötenunterricht per Nachricht auf der Mailbox des ausgeschalteten Handys ab. Genau eine Woche später stand Lisa vor verschlossenen Türen, als sie hin wollte. Schließlich erfuhren wir zufällig, dass in der Stunde wo Lisa krank gewesen war, bekannt gegeben worden war, dass die nächste Stunde entfällt, bzw. auf Samstag verschoben wird. Und die Flötenlehrerin hatte es nicht der Mühe wert gefunden, uns darüber zu informieren, was mich sehr ärgerte und mich insofern besonders befremdete, weil gerade sie so viel Wert auf Absagen legt, obwohl es für sie nicht viel ändert. Da wir am Samstag ohnehin schon etwas vor hatten und wir offiziell nichts von dem verschobenen Termin gewusst hatten, beschloss ich in meinem Ärger, auch nicht abzusagen. Prompt forderte sie in der nächsten Stunde trotzdem das Geld dafür ein!

Nach kurzem Briefwechsel über Lisa wurde klar, dass ich damit recht gehabt hatte, dass man auch zahlen muss, wenn man nicht kommt. Schließlich würde man eine Musikschule auch halbjährlich im voraus zahlen müssen und bekommt nichts zurück, wenn man etwa krank ist. Nur ist sie keine ausgebildete Musiklehrerin – kostet aber etwa gleich viel wie die Musikschule, wie ich inzwischen bei Anmeldung meiner Tochter herausgefunden hatte. Eine Freundin, mit der ich darüber gesprochen hatte – wohl eine dieser übereifrigen, deren Kinder der Flötenlehrerin das Geld aufgedrängt hatten – zeigte kein Verständnis für mich, dafür aber für das Mädchen und glaubte auch noch zu wissen, dass die gesamten Einnahmen nicht in ihre Tasche fließen, sondern dem Musikverein zugute kommen. Erstens kann ich das keineswegs glauben. Denn warum sollte eine angesehene Familie ihr Kind zwingen, neben der Schule und Maturavorbereitung jede Woche mehrere Stunden zu opfern, um Kinder ohne Entgelt zu unterrichten, während die Einnahmen ausschließlich in den Verein des Vaters fließen? Und warum sollte sie, mittlerweile volljährig, sich das gefallen lassen? Selbst wenn es so wäre und ihr jene Änderungen praktisch vorgeschrieben wurden, warum hat sie dann nie im Verlauf unserer Gespräche und der vielen Zettel, die hin- und hergegangen waren, damit argumentiert? Sie wäre allemal besser verstanden worden. Aber es würde trotzdem nichts daran ändern, dass die Sache keineswegs fair und mehr als unverschämt ist. Im Gegenteil würde noch hinzukommen, dass der Vereinsobmann sein eigenes Kind dermaßen ausbeutet.

Eine andere Freundin von mir sah die Sache genau wie ich, mit dem Unterschied, dass sie, durch mich informiert, ihren Sohn abmeldete und den Grund dafür nicht preisgab. Ich selber war sehr wütend und hätte meine Tochter ohne zu zögern abgemeldet, überließ ihr aber die letzte Entscheidung selbst. Und die Tatsache, dass mein Kind schon sehr weit war mit dem Unterricht und die Lehrerin schon mehrmals erwähnt hatte, dass es kaum mehr etwas zu lernen gibt für sie, machte mir die Entscheidung leichter. Schade ist natürlich, dass meine Tochter nicht, wie ratsam wäre, auf die Querflöte umsteigen kann, weil in der Umgebung niemand ist, der Unterricht gibt – ich habe die Flötenlehrerin mehrmals gebeten sich zu erkundigen, während sie meinte, sie müsse ihre Schwester fragen, wonach ich nichts mehr von ihr hörte. Auf die Musikschule muss sie noch mindestens 1 ½ Jahre warten. Und wieder einmal sehen wir: Unverschämtheit siegt, und Geld regiert die Welt!

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