Der Vertrag von Lissabon – Geschichten aus dem Cafe Steiner

In manchen vorangegangenen Geschichten habe ich angemerkt, daß politische Diskussionen im „Cafe Steiner“ manchmal seltsame Wege gehen können und deshalb nicht unbedingt meine Sache sind. Wiewohl ich politisch durchaus interessiert bin pflege ich selbst derartige Debatten, sofern überhaupt, nur unter guten Freunden auf einer gesunden sachlichen Ebene und keinesfalls auf Basis eines parteipolitischen Hickhack. Es soll natürlich schon vorgekommen sein, daß mich Menschen in einen politischen Diskurs verwickeln wollten, doch habe ich es zumeist geschafft mich entsprechend abzugrenzen.

Welche Wege politische Betrachtungen unter bestimmten Gästen einschlagen können sollte ich vergangene Woche bei einem abendlichen Besuch im „Cafe Steiner“ erleben. Josef hatte in der auf der Schank aufliegenden Tageszeitung einen Artikel über das Sparpaket der Bundregierung gelesen. „71 Prozent der Österreicher finden das Sparpaket ungerecht, darüber wundere ich mich aber wirklich nicht“, hörte ich Josef gegenüber Kellner Martin sagen. Auch wenn ich diese Prozentangabe nicht näher kommentieren möchte gebe ich gerne zu, daß ich das Spar- und Belastungspaket der Regierung selbst auch als nicht sonderlich durchdachte Maßnahme sehe, sondern vielmehr der „Weg des geringsten Widerstandes“ eingeschlagen wurde. Es gäbe aus meiner Sicht zahlreichen Reformbedarf nicht zuletzt im Verwaltungs- und Föderalismusbereich, doch wollte man diese „heißen Eisen“ offenbar besser nicht anrühren.

Ich war nicht wirklich überrascht, daß nun für den Stammgast Helmuth die Stunde geschlagen hatte. „Was wollt’s denn noch von den Roten und den Schwarzen, die sind doch nimmer ernst zu nehmen und bei der nächsten Wahl sowieso weg vom Fenster“, war die Aussage, die den angeblich bevorstehenden politischen Umbruch andeuten sollte. Aus Helmuths Sichtweise, die ich aus vorangegangenen Wortmeldungen nur allzu gut kenne, würde uns dann wohl FPÖ-Obmann H.C.Strache auf den richtigen Weg zurückführen. „Ich hab mir vor kurzem den Lissabon-Vertrag genauer durchgelesen. Wir könnten eigentlich aus der Europäischen Union austreten, aber glaubt’s ihr der Faymann wäre dazu fähig?“, war die nächste Botschaft von Helmuth.

Ich gehe natürlich nicht wirklich davon aus, daß Helmuth den am 1. Dezember 2009 in Kraft getretenen und deutlich über 100 Seiten starken Vertragstext gelesen hat. Auf den Vorschlag eines Austrittes aus der Europäischen Union – ob er nun rechtlich möglich wäre oder nicht ist für mich irrelevant – wollte ich weder im „Cafe Steiner“ eingehen noch möchte ich dies hier in meiner Kolumne tun. Interessanterweise hatte aber diese Wortmeldung zu einer merkwürdigen Unruhe unter einem Teil der anwesenden Stammgäste geführt. So war vereinzelt zu hören, wieviel uns denn Brüssel kosten würde und daß es uns vor dem Beitritt doch viel besser gegangen wäre. Helmuth trumpfte dann sogar noch mit einer angeblichen wissenschaftlichen Betrachtung auf, daß ein vereintes Europa einfach keinen Sinn ergeben würde. Da ich mich selbst keinesfalls in dieses Debatte einbringen wollte bin ich Jürgen dankbar für seine kurze Wortmeldung, daß sich die Internationalisierung der Wirtschaft nicht negieren lasse – wie auch immer man zu den verschiedenen Auswirkungen der Globalisierung stehen mag.

Abschließend möchte ich euch doch noch meine Sicht der Dinge dazu verraten. Ich bin ganz bestimmt nicht mit allen Entscheidungen und Kompetenzstreitigkeiten aus Brüssel einverstanden und sehe einigen Reformbedarf in der Europäischen Union. Aber diesen sollten wir eben auf sachlicher Ebene abhandeln und nicht die Idee des vereinten Europa in Frage stellen. Der von Helmuth vorgeschlagene EU-Austritt wird wohlgemerkt von keiner einzigen österreichischen Partei vertreten, da ein Alleingang doch realpolitisch mehr oder weniger unvorstellbar wäre.

Pedro

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