Der Tanz (1)

„Wer ist dein Vater?“, fragten sie das Kind. Starrten auf es hinunter aus eisiger Höhe. Das Kind schloss die Augen, dachte nach. Öffnete die Augen, sagte: „Ich weiß es nicht, ich habe es vergessen.“ Die großen Menschen waren verwundert und fragten: „Willst du es nicht wissen?“ „Ich habe viele Geschichten über ihn geträumt“, antwortete das Kind und blinzelte. „In einer war mein Vater ein Held, der auszog, um die Welt zu retten. Deshalb musste er mich verlassen. Obwohl er tapfer kämpfte, konnte er die Welt nicht retten und starb vor Kummer. Ein andermal träumte mir, er sei fortgegangen, um einen Kuchen für mich zu kaufen. Aber ein Drache sah ihn mit dem Kuchen, griff  ihn mit seinen grünen Klauen und trug meinen Vater in seine Höhle. Dort legte der Drache einen Zauber über ihn, so dass er seinen Namen vergaß und seitdem das Gold des Drachen bewachen muss. Manchmal erschien mein Vater mir auch im Traum und sagte mir, dass er der Elfenkönig sei und zurück zu seinen Untertanen hatte gehen müssen. Das träumte ich. Ich weiß nicht, was wahr ist.“

Die großen Menschen schauten sich an und das Kind spürte, dass seine Zunge zu ungelenk war, so dass sie es nicht verstehen konnten. Eine Hand griff zu dem Kind hinunter und streichelte über sein dünnes, schwarzes Haar. Im Nacken des Kindes sträubte es sich. Eine tiefe Stimme schickte es weg. Im Gehen hörte es die großen Menschen murmeln. Ihre Blicke schickten kleine Nadeln in das Fleisch des Kindes und es rannte weg.

Es lernte schnell, dass es nicht schnell genug war, um zu fliehen. Deshalb setzte es sich in eine Ecke  und begann, eine Burg um sich herum zu bauen. Es benutzte nur die grauen Steine, damit niemand auf die Idee kam, es um die Schönheit der Burg zu beneiden.  Doch die Monster trampelten vorbei und Steine fielen. Das Kind baute schneller, aber noch bevor die Burg zu Ende gebaut war, nahm man ihm die restlichen Steine weg. Die Burg konnte es nur nach drei Seiten schützen. Also setzte es sich in die Burg mit dem Blick auf die Lücke, durch die die Feinde kommen konnten. Es gelobte, nie wieder zu schlafen und immer nach Feinden Ausschau zu halten. Doch irgendwann wurde es müde und schlief. Die Feinde kamen.

Das Kind lernte, dass seine Burg kein Schutz war, und riss die Mauern ein. Es versuchte unsichtbar zu werden, aber es fand kein Mäntelchen, das dies möglich machte. Also ließ es sich von den großen Menschen hin- und herschicken. Es malte ihnen Bilder, die sie an ihren Wänden schön fanden, sang süße Lieder und tanzte mit den anderen Kindern im Kreis für sie. Manchmal konnte es sich für kurze Zeit unsichtbar machen, dann verschwand es. Doch wenn es plötzlich wieder auftauchte, wurde es gejagt.

Tief in der hintersten Ecke des Gartens fand es eine Hecke, in die es hineinkriechen konnte. Vor der Lücke, die in der Mitte war, hatte es anfangs Angst. Es dachte, dass die Höhle vielleicht einem Fuchs oder einem Dachs gehörte, aber die Höhle war verlassen. Also nahm es die Höhle in Besitz, brachte seine Schätze dorthin und saß. Es saß mit angezogenen Beinen. Das Sonnenlicht kam nur in zarten Fäden zu ihm, konnte es nicht verbrennen, streichelte ihm sanft die Haut. Das Kind wollte immer hier bleiben.

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