Ich habe euch zuletzt von meiner Unterhaltung mit Max im „Cafe Steiner“ erzählt. Der junge Mann, der erst vor kurzem aus beruflichen Gründen nach Wien übersiedelt war, erzählte mir von seinen langjährigen Erlebnissen mit der freiwilligen Feuerwehr in seiner Heimatgemeinde. Auch oder gerade weil mir dieses Thema anfänglich etwas fremd erschien war ich an seinen Erzählungen sehr interessiert und wir verbrachten einen langen Abend in dem Lokal.
Etwa eine Woche später war ich wieder auf einen Besuch im „Cafe Steiner“. Rasch konnte ich erkennen, dass das vorangegangene Gespräch mit Max unserer Stammtischkommune nicht entgangen war. Das sollte sich etwa zeigen, als Kellner Martin mich mit einem breiten Grinsen und den Worten „Und bist jetzt auch schon bei der freiwilligen Feuerwehr, Pedro?“ begrüßte. Die mit einem ironischen Unterton gestellte Frage wollte ich eigentlich nur mit einem Schmunzeln quittieren. Es sollte sich aber herausstellen, dass die Schilderungen von Max unter den Stammgästen doch einige unterschiedliche Sichtweisen und Gedanken hervorgebracht hatten.
Ich nahm an der gemütlichen Schank im Kreise einiger vertrauter Stammgäste Platz und orderte einen Cappuccino. „Es war jedenfalls schön von dir, Pedro“, wollte Martin nicht locker lassen, „dass du dem Max so geduldig zugehört hast und er sich bei dir ausweinen durfte.“ Diese Aussage war für mich durchaus irritierend und ich wusste nicht so recht, was ich dazu sagen sollte. Weder hatte sich bei mir jemand ausgeweint und schon gar nicht hätte ich das vorwöchige Gespräch als Gefälligkeit meinerseits interpretiert. „Denkst du nicht, dass deine Aussage etwas zynisch ist, Martin? Ist es denn dermaßen unvorstellbar für dich, dass mich die Ausführungen von Max schlichtweg interessiert hatten?“, konterte ich.
„Ja, schon“, versuchte Martin zu relativieren, „aber sei doch ehrlich. Du selbst würdest doch so etwas wie Max niemals tun, oder?“. Dazu muss man sagen, dass ich nie in einer kleinen Gemeinde gelebt habe und ich denke, dass es mir heute auch schwerfallen würde, wenn ich mich in einer solchen Umgebung einleben wollte. Dieser Umstand bedingt, dass ich auch nie mit einer freiwilligen Feuerwehr näher in Berührung gekommen bin. Ich gehöre aber auch nicht zu jenen Menschen, die gegenüber allem was für sie nicht vorstellbar erscheint reflexartig eine ablehnende Haltung einnehmen und es kritisieren müssen. Es wird mir durchaus nachgesagt, dass ich einem solchen Menschenschlag oftmals ablehnend gegenüberstehe und ein wenig übersensibilisiert bin. Ein klein wenig hatte ich den Eindruck, als ob Martin gerade eben unbewusst diesen wunden Punkt bei mir getroffen hätte. Eigentlich wollte ich das Thema rund um unseren Feuerwehrmann auch gar nicht allzu sehr vertiefen, doch aus der Runde der Stammgäste hatte sich eine Dynamik entwickelt, die mehr über die Hintergründe des Ehrenamtes wissen wollte.
Jürgen war es ein Anliegen, die Bedeutung der ehrenamtlichen Mitarbeiter herauszustreichen. „Die kleinen Gemeinden wären doch ohne diese Leute aufgeschmissen“, argumentierte er. „Schon richtig“, konterte Martin, „aber die Gesellschaft sollte doch auch bereit sein für notwendige Leistungen etwas zu zahlen“. In bedingter Form musste ich hier beiden Seiten beipflichten. Es ist einerseits richtig, dass es viele soziale und kulturelle Dienste ohne ehrenamtlichen Engagement nicht in dieser Form geben würde. Andererseits soll der ehrenamtliche Mitarbeiter aber auch nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung, zu den hauptamtlichen Berufen gesehen werden.
Die freiwillige Feuerwehr mag hier ein Grenzfall sein. Aber selbstverständlich wäre ein effizienter Brand- und Katastrophenschutz auch ohne verfügbaren ehrenamtlichen Mitarbeitern zweifellos notwendig. Es bliebe dann nur der Einsatz einer Berufsfeuerwehr, wie sie auch in großen Städten besteht – die Finanzierung wäre wohl eine kommunalpolitische Herausforderung. Diese Frage wird sich aber voraussichtlich nicht so bald stellen. Auch wenn ich das Engagement der ehrenamtlichen Mitarbeiter sehr begrüße, fände ich es übertrieben daraus eine Selbstlosigkeit herauszulesen. Aus meiner Sicht lässt sich das ehrenamtliche Engagement nicht eindeutig schubladisieren – es ist ein buntes Zusammenspiel aus dem Wunsch nach gemeinschaftlichen und sozialem Engagement, dem persönlichem Bedürfnis etwas umsetzen zu können und vielem mehr.
Es wird wohl nicht allzu lange dauern, bis ich auch Max bei einem meiner nächsten Besuche im „Cafe Steiner“ wieder sehen werde. Was ich an ihm schätzen gelernt habe ist der Umstand, wie sehr er es unbewusst geschafft hat durch seine offene Art die Mitmenschen zum Nachdenken zu bewegen. Wenngleich uns die heutige Geschichte gezeigt hat, dass es in der Natur der Sache liegt dass die Wahrnehmung der Menschen unterschiedlich ausfallen kann.
Pedro